Frage an Katja Mast von Michael M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Mast,
man liest derzeit viel über den IS, und mit welchen Mitteln dieser bekämpft werden muß, zB. Waffenlieferungen, Bombardierungen usw. Es sollen alle Maßnahmen ausgeschöpft werden ...
Erstaunlicherweise scheinen keinerlei Maßnahmen vorgesehen zu sein, IS den Geld Hahn zuzudrehen.
Die USA bombardieren IS-Stellungen, legen dabei ėn passant kurdische Kämpfer und syrische Zivilisten um,
können Sie an dem Vorgehen der westlichen Wertegemeinschaft irgendeinen Sinn entdecken, der sich mit den viel zitierten Grundwerten in Übereinstimmung bringen läßt ?
Könnte es am Ende vielleicht sein, daß das Auftreten der westlichen Wertegemeinschaft im nahen Osten den Terror erst schafft, der dann mit Bomben und Kollateralschäden -sprich toten Frauen und Kindern- erst wieder bekämpft werden muß ?
An einer grundsätzlichen Bewertung der Ereignisse durch Sie wäre ich sehr interessiert, denn ich glaube nicht, daß die SPD an diesen haarsträubenden Zuständen irgendwas ändern könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Michael März
Sehr geehrter Herr März,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne antworte ich Ihnen hierauf.
Mit unvorstellbarer Brutalität ist die Terrorgruppe IS auf dem Vormarsch, ermordet Frauen, Männer und Kinder. Zu Tausenden sind Menschen auf der Flucht, manche konnten sich in notdürftige Auffanglager retten. Um die Not der Menschen zu lindern leistet die Bundesrepublik Deutschland umfangreiche humanitäre Hilfen. Die Bundesregierung hat hierzu bereits 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Letztlich setzt die Wirksamkeit unserer humanitären Hilfe allerdings ein sicheres Umfeld voraus. Dazu muss der brutale Vormarsch der IS gestoppt werden. Die kurdischen Peschmerga stehen mitten im Kampf gegen IS, einem Gegner, der ihnen gewiss an Brutalität, aber auch an technologischer Ausrüstung überlegen ist. Um sich diesem Feind entgegenzustellen, fordern die kurdischen Kämpfer von uns nicht nur humanitäre, sondern auch militärische Unterstützung. Außenpolitik in Krisensituationen macht es uns nicht leicht. Für solche Konflikte gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösungen. Im Fall des Nord-Irak steht einerseits das Prinzip, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Andererseits gilt der Grundsatz, Menschenleben und Menschenrechte zu schützen, die Stabilität der Region zu sichern und unsere und die Sicherheitsinteressen unserer Verbündeten zu wahren.
Ich finde: Deutsche Außenpolitik darf sich diesen Konflikten nicht entziehen, sondern sie muss die Widersprüche sorgfältig abwägen. Wer vorschnell `Nein´ sagt, macht es sich zu leicht. Verantwortung tragen wir am Ende für unser Nicht-Handeln genau wie für unser Handeln.
Kluge Außenpolitik ist Abwägung. Ja, auf der einen Seite können mehr Waffen mehr Gewalt erzeugen. Die Kurden verfolgen Interessen, die nicht immer die unseren sind. Aber auf der anderen Seite sind die Kurden in der Region das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden von IS. Werden sie von IS überrannt, sind die Staatlichkeit des Irak und die Stabilität der gesamten Region in akuter Gefahr.
Auf längere Sicht kommt es darauf an, den Mörderbanden von IS den Nährboden zu entziehen. Das erfordert mindestens dreierlei: Erstens, eine Zentralregierung in Bagdad, die alle Gruppen des Landes repräsentiert, und damit der sunnitischen Unterstützung für IS die Grundlage entzieht. Der neue Regierungschef in Bagdad AI-Abadi hat diese Notwendigkeit verstanden. Zweitens, die politische Stabilisierung von Syrien und, drittens, wie von Ihnen angesprochen, den Zufluss von Geld und Kämpfern an IS aus dem Ausland zu stoppen. An allen drei Zielen arbeitet die deutsche Diplomatie.
Was die Finanzquellen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ anbelangt, gestaltet sich die Situation äußerst komplex, denn diese sind mehr als undurchsichtig. Dass es uns gelingt die Spendenflüsse aus den verschiedensten Ländern trockenzulegen ist schwer vorstellbar. Allerdings sind dies nicht die einzigen Geldquellen für die IS. Nicht zuletzt durch den Vormarsch und die Eroberung weiterer Gebiete eröffnen sich dem IS neue Finanzquellen. Der IS finanziert sich genauso durch Ausbeutung von Kulturschätzen, Plünderungen und das Erheben von Steuern und Zöllen in den besetzen Gebieten. Hinzu kommen Lösegeldzahlungen entführter westlicher Bürgerinnen und Bürgern. Insbesondere die Luftangriffe der USA und der Anti-IS-Koalition auf die von IS eroberten Ölfelder haben dafür gesorgt, dass eine wichtige Einnahmequelle abgeschnitten wurde.
Eine militärische Bekämpfung des IS bedeutet also auch eine Eindämmung der finanziellen Ressourcen des IS. Darüber hinaus gibt es eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen ausländische Kämpfer (Res. 2178), die wiederholt, dass die Finanzierung terroristischer Gruppierungen mit Strafandrohungen bewehrt wird.
In dieser akuten Krise werden uns harte Entscheidungen abverlangt. Einfache Antworten gibt es nicht. Nur heißt das nicht, dass wir den schwierigen ausweichen dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Mast