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Katja Mast
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Frage von Bastian J. •

Frage an Katja Mast von Bastian J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Mast,

man hört recht viel über Leiharbeit. Leiharbeit war dazu gedacht, den Unternehmen zu ermöglichen, kurzfristige Auftragsspitzen abzufangen, ohne Personal fest einstellen zu müssen, das, wenn die Auftragslage schlechter wird, wieder entlassen werden müsste. Jedoch hat sich die Praxis herausgebildet, im immer stärkeren Maß auf Leiharbeiter zurückzugreifen, weil diese häufig billiger sind als feste Arbeitnehmer (aus den unten angeführten Gründen). Auch das Papier „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ erwähnt das Problem und schlägt Lösungen vor. Nur das aus meiner Sicht nächst liegende habe ich noch nicht gesehen. Dazu meine Frage:
Wäre es nicht möglich, den Tarifvorbehalt in § 9 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes einfach zu streichen?

Der Lohndrückeffekt, der von der Leiharbeit ausgeht, kommt ja in erster Linie daher, dass der eigentlich in § 9 niedergelegte Grundsatz „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ durch Tarifverträge abbedungen werden kann und die Arbeitgeber durch mit der CGZP abgeschlossene Tarifverträge den Grundsatz erfolgreich unterlaufen haben. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich mir sicher wäre, dass die CGZP ein Strohmann der Arbeitgeberseite ist, allerdings gibt es doch viele Indizien, die darauf hindeuten.

Zwar hat das LAG Berlin-Brandenburg die CGZP für nicht tariffähig erklärt, allerdings ist dieser Rechtstreit noch vor dem BAG anhängig und angesichts der sehr tariffähigkeits-freundlichen Rechtsprechung des BAG steht zu befürchten, dass das Urteil des LAG gekippt wird.

Wenn der Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer genauso wie fest angestellte bezahlt werden müssten, durchgängig gelten würde, würde sich dann nicht Leiharbeit nur noch in den Fällen lohnen, für die dieses Instrument ursprünglich auch gedacht war? Gibt es noch triftige Gründe, den Tarifvorbehalt aufrecht zu erhalten? Gibt es andere Erwägungen, wie man den Missbrauch in Zukunft verhindern will?

Mit freundlichen Grüßen

Bastian Jansen

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Sehr geehrter Herr Jansen,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte. Ich freue mich, dass Sie sich bereits mit dem Beschluss des SPD-Parteivorstandes "Fairness auf dem Arbeitsmarkt" auseinandergesetzt haben und sich an der Diskussion zur Zukunft der Arbeitsmarktpolitik beteiligen.

Die SPD hat sich in ihrer Regierungsverantwortung unter Arbeitsminister Olaf Scholz für Schranken für die Leiharbeit stark gemacht. Unser Ziel war eine gesetzliche Lohnuntergrenze über das so genannte Entsendegesetz zu verankern. Auf Grundlage dieses Gesetzes lassen sich in bestimmten Branchen Mindeststandards für Arbeitsbedingungen festlegen. Dies hat die CDU während der Großen Koalition und kurz vor der Bundestagswahl, trotz anderslautender Zusagen, verhindert. Um so unglaubwürdiger ist es jetzt, wenn die zuständige Arbeitsministerin eine Regulierung der Leiharbeit ankündigt.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass es in der Leiharbeit besorgniserregende Entwicklungen gibt. Die bekannt gewordenen Einzelfälle, beispielsweise einer großen Drogeriekette, haben gezeigt, dass die Leiharbeit heute in einigen Fällen weniger ein Instrument der Flexibilität, als der Lohndrückerei ist.
Das von Ihnen angesprochene Beispiel der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen ist mir sehr gut bekannt. Dass arbeitgeberhörige Scheingewerkschaften die Tarifautonomie zum systematischen Lohndumping benutzen muss gestoppt werden.

Für die SPD ist Leiharbeit nur dann sinnvoll, wenn sie dazu dient, in Unternehmen Flexibilität bei Auftragsspitzen und Urlaubsphasen zu haben. So war und ist Leiharbeit in unseren Augen angelegt. Die Möglichkeit, Stammarbeitsplätze zu unwürdigen Bedingungen in Leiharbeit umzuwandeln, war und ist nie Ziel sozialdemokratischer Politik.

Während die schwarz-gelbe Bundesregierung die berechtigten Anliegen vieler Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer ignoriert, fordern wir "Fairness in der Leiharbeit" und haben dazu auch einen gleichlautenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Der Antrag enthält die von Ihnen angesprochenen Punkte. Ich bin, wie Sie der Meinung, dass der Grundsatz "Gleiche Arbeit - gleicher Lohn" endlich durchgesetzt werden muss. Darüber hinaus brauchen wir eine rechtlich verbindlichen Mindestlohn für die Leiharbeitsbranche, damit Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer auch in so genannten verleihfreien Zeiten Planungssicherheit haben.

Als SPD-Bundestagsfraktion verstehen wir Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nicht als Mitarbeiter zweiter Klasse. Als Partei der Arbeit treten wir dafür ein, dass die Leiharbeitsbranche kein Mitbestimmungsfreier Raum ist. In unserem Antrag fordern wir daher die Bundesregierung auf, Betriebsräten mehr Rechte hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Leiharbeit einzuräumen. Ferner muss es auch eine Selbstverständlichkeit sein, dass bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl für die betriebfsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer mitgezählt werden, damit ihre Anzahl auch bei der Festlegung der personellen Stärke des Betriebsrats berücksichtigt wird.

Nicht zuletzt fordern wir die Bundesregierung in unserem Antrag auf, die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses und die Koppelung der Befristung an einen Arbeitsplatz außerhalb der Probezeit zu verbieten.

Sehr geehrter Herr Jansen,

wie Sie meinen Ausführungen entnehmen können setzen wir von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion alles daran, "Fairness in der Leiharbeit" mit den von mir genannten Punkten durchzusetzen. Dabei ist unser Ziel, den Missbrauch - wie Sie richtig schreiben - zu verhindern. Für Ihre engagierte Unterstützung bedanke ich mich recht herzlich.

Unseren Antrag und den Auszug aus der Plenardebatte vom 26. März dieses Jahres füge ich Ihnen zur Kenntnis bei.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Mast, MdB
Stv. Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales

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