Frage an Katherina Reiche von Jörg S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Reiche
Erstmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken,das Sie hier alle Fragen beantworten. Also da ziehe ich schon den Hut.
Wir haben in Deutschland mehere Millionen Arbeitslose,Geringverdiehner und Kinder die in Armut leben.Leider muß ich feststellen,das gerade die CDU nichts gegen Armut unternimmt.Ich habe vergeblich nach Äußerungen von Politikern gesucht,die dieses Problem konkret ansprechen oder überhaupt über diese Frage sprechen.Im Gegenteil,immer wieder wird gerade von der CDU verlangt,bei Sozialleistungen zu kürzen.Das jüngste Beispiel ist die Rede von Herrn Söder.
Ich bin schon der Meinung das man über Christliche Werte redet,aber nicht danch handelt.
Frau Merkel sagt z.b. "Mit mir wird es keinen Mindestlohn geben".Soweit so gut.Jedoch brauchen wir uns nicht wundern,das Menschen unser Land Brandenburg verlassen oder extreme Neigungen an den Tag legen.Eine Mutter die arbeiten geht,danach die Tafel aufsucht oder Hartz beantragen muß,kann nur abschreckend auf ihre Kinder wirken.
Weitere Beispiele sind Kinderprostitution,Altersarmut und sogar Obdachlosigkeit.Gerade Berlin ist ein gutes Beispiel dafür.
Ich finde diese Politik der CDU schon verlogen.
Ich bin schon auf Ihre Antwort gespannt.,als Politikerin und als Christin.
Mit freundlichen Grüßen J.Schönner
Sehr geehrter Herr Schönner,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 23.04.2007.
Gerechtigkeit ist für mich auch immer von Ort und Zeit abhängig. Andererseits ist gerecht auch das, was der Gemeinschaft dient, unabhängig vom Empfinden des Einzelnen. Es ist ein zentraler, wenn auch nicht der einzige Baustein jeder stabilen Gesellschaft.
Im Brockhaus-Bibellexikon [Wuppertal 1990] liest sich das für uns Christen so: "Der biblische Begriff der Gerechtigkeit hat elementar mit Leben, Lebensgewährung und Lebensordnung zu tun". Christen wissen, dass Gottes Gerechtigkeit stets Gottes Treue und Barmherzigkeit gegenüber uns schwachen, fehlenden Menschen meint. Gottes Gerechtigkeit ist auf Leben, auf Rettung, auf Gemeinschaft gerichtet.
Das belegen viele Gleichnisse, die in der Bibel zu finden sind, und die wir so schwer verstehen, weil sie auf unseren ersten, menschlichen Blick ungerecht sind: die Arbeiter im Weinberg (Matthäus 20), wo diejenigen, die ganz am Schluss zur Arbeit gekommen sind, genau so viel erhalten, wie diejenigen, die früh angefangen haben ("So werden die Letzten die Ersten sein") - oder der verlorene Sohn (Lukas 15, ab Vers 11): Er bringt sein vorzeitig verlangtes Erbe durch und kommt zerlumpt nach Hause, wo er meint, wenigstens als "Taglöhner" arbeiten zu können. Aber der (himmlische) Vater läuft ihm entgegen, zieht ihn an sein Herz, kleidet ihn ein und feiert ein großes Fest. Der "brave" daheim gebliebene Sohn, der stolz auf seine Bravheit war, wird ob solcher "Gerechtigkeit" wütend.
Gottes Gerechtigkeit ist anders. Sie kommt überraschend. Sie rechnet nicht auf. Sie ist auch für den ungerechten, fehlenden und irrenden Menschen insoweit besonders tröstlich, allerdings auch nicht umgekehrt berechenbar: Es gibt keinen festen himmlischen Lohn für menschliche Ungerechtigkeit. Aber auch der gerechte Pharisäer kann sich seines Lohnes im Himmel nicht sicher sein. So fordert Gerechtigkeit die persönliche Leistung und Anstrengung ebenso wie den sozialen Ausgleich im Interesse einer stabilen Gemeinschaft.
Jedes politische Handeln stößt wegen der Unzulänglichkeit des Menschen an Grenzen, und kann fehlerhaft sein. Wir in der Bundesregierung setzen uns mit großer Anstrengung für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft und eine gerechtere Welt ein. Sonst machte politische Arbeit wenig Sinn.
Gerechtigkeit für die Gemeinschaft bedeutete schon immer Generationengerechtigkeit. Nun wird uns das angesichts der Kinderarmut in unserem Land plötzlich wieder bewusst.
Jedes Kind, das von Armut bedroht ist, ist eines zu viel. Familien brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, damit sie gut für sich und ihre Kinder sorgen können. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Verbesserungen erzielt worden, die Familien von Armutsrisiken entlasten. Armut kann viele Gesichter haben: Armut an Bildung, an Einkommen, an Gesundheit und an wirtschaftlichen Fähigkeiten. Deshalb ist es wichtig, einen Blick auf die gesamte Lebenssituation von Kindern und ihren Familien zu werfen und sie beim Zugang zu Erwerbsarbeit, zu Kinderbetreuung und zu Bildung zu unterstützen.
Gegen Kinderarmut muss es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geben, alles dafür zu tun, dass Väter und Mütter gut arbeiten können und so eine Perspektive mit Kindern haben. Das Elterngeld ist hierbei hilfreich, weil besonders auch Alleinerziehende davon profitieren. Es hilft Familien gezielt im ersten Lebensjahr des Kindes, weil es ihnen das Einkommen sichert, wenn sich Eltern für ihr Neugeborenes Zeit nehmen. Auch die Weiterentwicklung des Kinderzuschlages als Kombination von Erwerbseinkommen und Förderleistung für Familien mit kleinem Geldbeutel ist ein weiterer Baustein. Der Blick nach Skandinavien lehrt uns: Kinderarmut ist dort gering, wo Gesellschaft, Politik und Wirtschaft konsequent Bildung von Anfang an für alle Kinder ermöglichen und ihren Eltern ein Perspektive auf ein selbstständiges Einkommen geben - durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Kinder in Deutschland ergriffen. Hierzu gehören u.a. :
Kinderzuschlag für gering verdienende Eltern
Seit Januar 2005 können gering verdienende Eltern einen Kinderzuschlag beantragen. Der Kinderzuschlag in Höhe von 140 Euro pro Monat und Kind wird an Eltern gezahlt, deren Einkommen für sich selbst, nicht aber für ihre Kinder ausreicht. Sie erhalten zusätzlich zum Kinderzuschlag das Kindergeld und gegebenenfalls Wohngeld. Mit dem Kinderzuschlag werden etwa 50.000 Kinder und ihre Familien aus dem Arbeitslosengeld II-Bezug herausgeholt.
Tagesbetreuungsausbaugesetz trat 2005 in Kraft
Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz soll die Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen bis zum Jahr 2010 bedarfsgerecht und qualitätsorientiert ausgebaut werden. Der Ausbau des Kinderbetreuungsangebots ermöglicht die Erwerbstätigkeit von Eltern und sichert damit die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Familien. Gleichzeitig werden die Bildungschancen der Kinder verbessert und Armutsrisiken vermindert.
Weitere zentrale Veränderungen für Familien
Familien haben mehr Netto
Die dritte und letzte Stufe der Steuerreform brachte mit 15 Prozent Eingangssteuersatz (1998: fast 26 Prozent) vor allem mehr Entlastung für Familien mit Kindern und für kleinere und mittlere Einkommen. Der Grundfreibetrag stieg von 6.322 auf 7.664 Euro. Ab 2005 zahlt jede und jeder Vierte keine Lohn- und Einkommenssteuer mehr.
Ein Beispiel: Eine Arbeitnehmerfamilie (zwei Kinder, Steuerklasse III, 30.000 Euro Jahresbruttolohn) erhält jetzt insgesamt mehr Kindergeld, als sie Lohnsteuer zahlen muss. Die Entlastung beträgt inklusive Kindergeld 2.062 Euro. 1998 wurden Familien noch mit 330 Euro belastet. Per Saldo: 2.392 Euro jährlich mehr.
Mehrbedarfszuschläge für alle Alleinerziehenden Ausweitung der Mehrbedarfszuschläge auf alle Alleinerziehende durch Mehrbedarfszuschlag von 12 Prozent des Eckregelsatzes für jedes Kind. Abweichend davon wird für ein Kind unter sieben Jahren oder zwei Kinder unter 16 Jahre ein Mehrbedarf von 36 Prozent des Eckregelsatzes von 345 Euro anerkannt. Maximal wird ein Mehrbedarfszuschlag von 60 Prozent gezahlt.
Ein Beispiel: Eine Alleinerziehende mit einem Kind von 8 Jahren erhält ab 2005 insgesamt 593 Euro. Bislang bekommt sie 572 Euro. Daneben besteht Anspruch auf Erstattung der Unterkunftskosten.
Mehr gesetzliche Leistungen für alle Erwerbsfähigen Vorteil für bisherige Sozialhilfeempfänger durch Arbeitslosengeld II: Einbeziehung aller erwerbsfähigen Personen in die gesetzliche Sozialversicherung (Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Davon profitieren insbesondere Alleinerziehende. Erwerbsfähigen Arbeitslosengeld II-Empfängerinnen und -empfängern wird vorrangig eine Kinderbetreuung vermittelt, zum Beispiel Alleinerziehenden. Bislang sind viele Alleinerziehende auf Sozialhilfe angewiesen, weil eine ausreichende Kinderbetreuung fehlt.
Zusatzjobs helfen bei Integration in den Arbeitsmarkt Zeitlich begrenzte Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach SGB II bieten langzeitarbeitslosen Arbeitssuchenden eine Möglichkeit, sich wieder in den Berufsalltag einzufinden; dadurch erhöht sich ihre Chancen auf eine reguläre Beschäftigung.
Kindererziehung wird bei der Pflegeversicherung berücksichtigt Mitglieder der Sozialen Pflegeversicherung werden auf der Beitragsseite relativ besser gestellt als solche ohne Kinder. Kinderlose Mitglieder der Sozialen Pflegeversicherung zahlen ab 1. Januar 2005 einen Beitragszuschlag von 0,25 Beitragssatzpunkten, Mitglieder, die Kinder haben oder gehabt haben, hingegen nicht. Berücksichtigt werden auch Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche