Frage an Katherina Reiche von Petra B. bezüglich Familie
Die neueste Hirnforschung hat eindeutig ergeben, daß Kollektiverziehung schädlich für Kleinkinder ist (Quelle: http://www.christa-meves.de ). Trotzdem ist auch die CDU auf den Irrglauben der SPD eingeschwenkt, daß Kleinkinder in staatlichen Anstalten besser aufgehoben sind.
Wieso betreibt die CDU in der Familienpolitik linken Mainstream, anstatt ihre Politik an Fakten auszurichten?
Sehr geehrte Frau Baum,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, das System der öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote zu reformieren und aufzubauen. Die Ziele sind klar formuliert: Familien soll für das Aufwachsen ihrer Kinder ein ebenso verlässliches wie qualifiziertes und den Heranwachsenden selbst zugleich ein umfassendes, altersgerechtes Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot bereitgestellt werden.
Dabei ist mir persönlich wichtig, dass es gelingt, die bisher in politischen und wissenschaftlichen Diskursen eigenständig verhandelten Themenbereiche Bildung und Erziehung – vor und neben der Schule – eng miteinander zu verknüpfen.
Idealerweise bilden die Familien den Ausgangspunkt für alle Bildungsprozesse. Die Familie ist von zentraler Bedeutung für die Auswahl weiterer Bildungs- und Ausbildungsorte, für den Umgang mit den Medien, für die Vermittlung von Leitbildern und Werten. Familie und Schule haben entscheidenden Anteil an der Ausprägung sozialer und personaler Kompetenzen, die nachweislich großen Einfluss auf den beruflichen und privaten Lebenserfolg haben.
Dabei sind die ersten Entwicklungsphasen eines Kindes von prägender Bedeutung für sein gesamtes weiteres Leben. Versäumnisse bei der Erziehung im Vorschulalter kann auch die Schule nicht mehr ausgleichen. Wie die PISA-Untersuchung gezeigt hat, müssen die Rahmenbedingungen für das Lernen verbessert und es muss darüber nachgedacht werden, wie die Bildung in der frühkindlichen Entwicklung besser gefördert werden kann. In keiner Phase sind die Voraussetzungen für die persönliche Entwicklung und das spielerische Lernen so günstig wie in der frühen Kindheit. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen. Die frühkindliche Erziehung und Bildung muss weiterentwickelt werden. Hierzu sind verbindliche Leitlinien erforderlich, die die Erziehung der Eltern ergänzen, Bildungsangebote über das Elternhaus hinaus eröffnen, verbindliche Standards setzen und Voraussetzungen für verbesserte Chancengleichheit in Bildung und Erziehung schaffen. Die Forderung des Bundespräsidenten nach einem verpflichtenden und möglichst kostenfreien dritten Kindergartenjahr hat daher meine volle Unterstützung. Das Saarland hat es vorgemacht: Hier werden die Eltern von den Gebühren für das Kindergartenjahr vor der Einschulung freigestellt. Allerdings sage ich auch, dass diese Forderung im Hinblick auf die Zuständigkeiten der Länder und die Länderfinanzhaushalte allenfalls mittelfristig zu erfüllen sein wird.
Wir sind gefordert, gute Rahmenbedingungen für das Aufwachsen und Heranwachsen der jungen Generation zu schaffen und Eltern, aber eben auch alle anderen beteiligten Akteure und Institutionen so zu unterstützen, dass für Kinder und Jugendliche optimale Lebens- und Zukunftschancen gewährleistet werden. Mit dem Antrag „Öffentliche Verantwortung wahrnehmen: Mit fairen Chancen Kinder stark machen“ haben die Fraktionen CDU/CSU und SPD die Bundesregierung im letzten Jahr zur Verstetigung des Gesamtsystems von Bildung, Erziehung und Betreuung aufgefordert. Der Antrag enthält hierzu auch ganz konkrete Vorschläge:
1. Qualifizierung des Tagespflegepersonals
Kinderbetreuung in Tagespflege wird im Kinder- und Jugendhilfegesetz der Betreuung in Tageseinrichtungen gleichgestellt. Die Kindertagespflege umfasst demnach nicht nur die Betreuung und Pflege sondern die Erziehung, Bildung und Förderung von Kindern. Deshalb ergibt sich nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus fachlicher Perspektive die Notwendigkeit, Tagespflegepersonen für ihre Betreuungsarbeit fortzubilden. Qualifizierung stellt somit den Schlüssel zur Qualitätsentwicklung in der Tagespflege dar.
2. Nutzbarmachung von Haushaltsreserven
Bedingt durch die demografische Entwicklung werden im Jugend- und Bildungsbereich zukünftig weniger Ausgaben als in der Vergangenheit getätigt. Die öffentliche Hand ist hier in der Pflicht, die Haushaltsansätze nicht einfach linear nach unten zu schreiben sondern in den Ausbau von Qualität und Quantität von Bildung und Erziehung zu investieren!
Die Bedarfsplanung muss aber auch in den Blick nehmen, dass der Bedarf tendenziell – demografisch bedingt – zurückgeht. Hier gilt es, darauf zu achten, keine Überkapazitäten aufzubauen.
3. Bessere Verzahnung zwischen Bildung und Erziehung Bildung, Erziehung und Betreuung müssen Kindern aller Altersstufen und unabhängig ihrer sozialen Herkunft zugänglich sein! Um dieses Ziel zu erreichen müssen wir noch einige Anstrengungen unternehmen. In keinem vergleichbaren Land ist der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungschancen so groß wie in Deutschland. Maßnahmen und Programme müssen gerade auch benachteiligte Jugendliche, Jugendliche aus sozialen Brennpunkten und Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Mit dem vorliegenden Antrag machen die Koalitionsfraktionen deutlich: Wir wollen die Eltern in ihrer Verantwortung für das Aufwachsen ihrer Kinder stärken. Dies geschieht zum einen durch das Nebeneinander verschiedener Bildungs- und Erziehungsangebote. Dies alleine reicht aber noch nicht aus, insbesondere Familien in spezifischen Problemlagen werden dadurch nicht erreicht.
Vielmehr bedarf es integrierter und an den lokalen Bedingungen orientierter Angebote. Bildungseinrichtungen, Verbände und Institutionen der Jugendhilfe und Jugendarbeit stehen vor der Herausforderung der Modernisierung und Vernetzung. Wir wollen hier neue Wege gehen und durch eine stärkere Verzahnung von Bildung und Erziehung konkrete Zukunftschancen eröffnen. Es muss jedem und jeder ermöglicht werden, sich den eigenen Fähigkeiten entsprechend entwickeln zu können. Dazu gehört nicht zuletzt, dass gesundheitliche Ressourcen entwickelt und gestärkt werden. Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten und Schulen, insbesondere im Hinblick auf gesundes Ernährungs- und Bewegungsverhalten, die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten und die Fähigkeit zur Stressbewältigung zu stärken sind wichtige und richtige Vorhaben.
4. Frühförderung
Frühförderung wendet sich an Eltern, mit Kindern vom Säuglings- bis zum Schulalter. Insbesondere will die Frühförderung dann helfen, wenn kleine Kinder hinsichtlich ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung Unterstützung benötigen. Medizinische, psychologische, pädagogische und soziale Hilfen sind dabei unverzichtbare Bestandteile eines ganzheitlichen Hilfekonzepts, in das die Familie mit einbezogen ist. Insgesamt geht es also um Frühförderung mit den Familien zusammen. Auch hier soll und wird sich das ganzheitliche Konzept unserer neuen Familienpolitik zeigen.
5. Tagespflege im ländlichen Raum
Die Tagespflege ist eine individualisierte und familienorientierte Erziehungs- und Betreuungsform, die größtenteils in Privathaushalten stattfindet. Diese Betreuung ist eine Erfolgsstory auch im Sinn des Bürgerschaftlichen Engagements. Zu Recht haben CDU und CSU diesen Weg von Anfang an gefordert und positiv begleitet.
Noch mehr Bürgerinnen und Bürger können wir zur Mitarbeit motivieren, wenn einem schon vorqualifizierten Personenkreis ein neuer Weg in die Beschäftigung als qualifizierte Tagesmutter oder Tagesvater eröffnet wird. Bei Personen mit einer Vorbildung als Erzieher, Sozialpädagoge, Lehrer usw. kann eine verkürzte Weiterbildung als Tageseltern zum Tragen kommen. Bei diesem Personenkreis ist durch die berufliche Erfahrung und dem bereits erlernten Umgang mit Kindern ein breites pädagogisches Wissen vorhanden.
6. Programm Mehrgenerationenhäuser
Wir möchten eine stärkere Begegnung und Kommunikation der Generation untereinander durch die Schaffung von Mehrgenerationenhäusern. Diese Einrichtungen sollen offene Tagestreffpunkte für Jung und Alt werden, in denen vielfältige Aktivitäten und Serviceangebote möglich sind. Mehrgenerationenhäuser werden geprägt von freiwilligem Engagement und Hilfe zur Selbsthilfe. Daneben sollen sie ein Netzwerk an Informationen, auch in professioneller Form, bieten. Die Mehrgenerationenhäuser werden am örtlichen Bedarf orientiert. Bereits vorhandene Angebote für Jung und Alt können bedarfsgerecht miteinander verbunden und ergänzt werden. Zukunftsweisende Politik für Kinder und Jugendliche wird ergänzt durch eine ganzheitliche Familienpolitik, die den Zusammenhalt der Generationen fördert und stärkt, und damit den Zusammenhalt der Gesellschaft sichert.
Die Koalitionsfraktionen haben sich von den Anregungen des 12. Kinder- und Jugendberichts leiten lassen und einen Antrag formuliert, der im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen liegt und Vorschläge zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft macht.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche