Frage an Katharina Dröge von Jenia J. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Liebe Katharina,
offenbar plädieren Sie für ein generelles Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft (Sie haben zur These "Ein vollständiges Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft darf es nicht geben." eine Nein Antwort geliefert). Zu einem möchte ich wissen, auf welchen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Umweltschädlichkeit der Gentechnik in der Landwirtschaft Sie diese Haltung begründen. Zum anderen würde ich gerne erfahren, ob Sie auch generelles Nein zur weiteren Erforschung und Entwicklung der Gentechnik hin zu umweltfreundlichen und effektiven Methoden unterstützen und also ein Forschungsverbot in diese Richtung befürwörtern würden. Danke für jede Antwort im voraus,
Schöne Grüße,
J. J.
Lieber Herr J.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir Grüne lehnen Gentechnik in der Landwirtschaft ab – genauso wie die große Mehrheit der Landwirt/innen und Verbraucher/innen. Ein zentrales Risiko ist die Auskreuzung der veränderten Gene auf Wildpflanzen oder andere Sorten bzw. verwandte Kulturpflanzen. Eine Koexistenz zwischen Anbau von Gentechnik-Pflanzen und gentechnikfreier Landwirtschaft ist in der Praxis faktisch nicht möglich. Daher befürworten wir zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und der Verbraucherinteressen rechtssicher ausgestaltete Anbauverbote und fordern ein klares „Nein“ Deutschlands auf EU-Ebene zu weiteren Anbauzulassungen.
Mit der Agrogentechnik sind erhebliche Risiken verbunden, die zu ungewollten Effekten für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führen können. Dies gilt auch für die neuen gentechnischen Verfahren des Genome Editing (CRISPR/Cas9 etc.), wo noch erheblicher Risikoforschungsbedarf besteht (vgl. https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Testbiotech_Neue%20Gentechnikverfahren.pdf und http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/files/Genome_Editing_Stellungnahme-GeN.pdf ).
Daher fordern wir auch für die neuen Verfahren eine wirksame Regulierung einschließlich Zulassungsverfahren mit angemessener Risikobewertung und einer klaren Kennzeichnung von Saatgut und Produkten wie bei transgenen Pflanzen. Letzteres hat auch die schweizerische Ethikkommission EKAH gefordert (http://www.keine-gentechnik.de/nachricht/31756/ ).
Leider gibt es bis heute nur sehr wenige Langzeitstudien zu den Effekten von gentechnisch veränderten Organismen, so dass heute keine abschließenden Aussagen über gesundheitliche und ökologische Risiken gemacht werden können.
Allerdings gibt es immer wieder Hinweise auf Risiken für Gesundheit und Umwelt:
http://www.testbiotech.de/node/621
Hinzu kommt, dass die bisherigen Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen erhebliche Mängel aufweisen:
https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Basistext_Risiko_GV-Pflanzen_Testbiotech_1_dl.pdf
Wir Grüne stehen zur Wissenschafts- und Forschungsfreiheit auch im Bereich Gentechnik, lehnen aber öffentliche Gelder für Forschung an Gentech-Pflanzen ab, da diese bislang keinen Nutzen für das Gemeinwohl gebracht haben. Im Gegenteil zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, dass Versprechen der Agrogentechnik-Befürworter (höhere Erträge, weniger Pestizide, Bekämpfung des Welthungers etc.) sich bis heute nicht erfüllt haben. Der weitgehende Verzicht Europas auf die Einführung der Agrogentechnik hat sich als Vorteil erwiesen, nicht zuletzt durch den Wettbewerbsvorteil der Gentechnikfreiheit für EU-Lebensmittel.
Die Einführung von gentechnisch veränderten Sorten hat in den USA und Südamerika nachweislich zu einer massiven Steigerung des Pestizideinsatzes geführt. Grund ist die starke Zunahme von Beikräutern, die wie die Gentech-Pflanze resistent gegen die Totalherbizide wie Glyphosat geworden sind. Informationen dazu finden Sie in folgenden Publikationen:
http://www.martin-haeusling.eu/images/BroschureSuperWeeds_Web_.pdf
https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/2190-4715-24-24
Da die Agrogentechnik den viel stärkeren Einsatz von Totalherbiziden ermöglicht, hat dies auch negative Auswirkungen auf die Biodiversität:
https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/gentechnik/hintergrund/4.pdf
Auch GVO, die das Bt-Insektengift produzieren, stellen ein Umweltrisiko dar. Dies wurde für den Gentech-Mais MON810 bei Marienkäfern nachgewiesen und hat zu einem nationalen Anbauverbot für diesen GVO in Deutschland geführt.
https://enveurope.springeropen.com/track/pdf/10.1186/2190-4715-24-10?site=enveurope.springeropen.com
Auch bei Bt-Pflanzen treten immer mehr Resistenzen von Schädlingen auf, die mittelfristig einen höheren Pestizideinsatz nach sich ziehen und damit keinen nachhaltigen Ansatz darstellen.
http://gmwatch.org/en/news/latest-news/17395
http://timesofindia.indiatimes.com/city/mumbai/bt-cotton-falling-to-pest-maharashtra-tensed/articleshow/59449010.cms
http://indiagminfo.org/wp-content/uploads/2017/06/15-yrs-of-Bt-Cotton-in-India.pdf
Es ist bislang nicht durch unabhängige Studien belegt, dass GVO zu höheren Erträgen führen. Während einige Studien leichte Ertragsvorteile durch GVO sehen, haben andere Studien Ertragsnachteile gegenüber konventionellen Sorten festgestellt. In dem folgenden Text gibt es dazu einen kurzen zusammenfassenden Absatz über eine Vergleichsstudie zu dieser Frage:
http://www.motherjones.com/tom-philpott/2013/02/do-gmo-crops-have-lower-yields
Weitere Studienergebnisse finden sich hier:
http://www.genfoodneindanke.de/wp/2009/04/gentechnik-steigert-ertrage-nicht/
http://www.ucsusa.org/assets/documents/food_and_agriculture/failure-to-yield-brochure.pdf
Eine weitere internationale Vergleichsstudie (unter Beteiligung der ETH Zürich) hat belegt, dass in den USA und Spanien, wo überwiegend gentechnisch veränderter Mais angebaut wird, die Maiserträge in den letzten 16 Jahren weniger stark gestiegen sind als in Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz, wo kein gentechnisch veränderter Mais angebaut wird.
Diese Resultate sprechen klar dagegen, dass der Gentech-Pflanzen irgendwelche Ertragsvorteile bringen. Entscheidend für den Ertragszuwachs sind offenbar die Fortschritte in der konventionellen Züchtung.
http://www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/27603.html
http://sustainablepulse.com/wp-content/uploads/Jack.pdf (siehe S. 5)
Bislang existieren keine Gentech-Pflanzen, die gezielt so verändert wurden, dass sie höhere Erträge erzielen. Das ist kein Zufall, weil ein höherer Ertrag eine genetisch komplexe Eigenschaft ist, die in der Regel auf mehreren Genen und deren Zusammenwirken beruht; gleiches gilt für die Eigenschaft der Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit oder Bodenversalzung. Weil die Agrogentechnik aber nicht viele fremde Gene auf einmal in einer Pflanze einschleusen kann, stößt diese Technologie schnell an ihre technischen Grenzen. Diese Tatsache hat auch die Bundesregierung indirekt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion eingeräumt:
http://harald-ebner.de/meta-navigation/themen/agro-gentechnik/agro-gentechnik-volltextansicht/?tx_ttnews[tt_news]=82848&cHash=66f63d552c6ebaa92c561434f59da723
Auch Entwicklungshilfeorganisationen wie z.B. die Deutsche Welthungerhilfe sehen keinen Beitrag der Gentechnik bei der Bekämpfung des Hungers
Moderne konventionelle Züchtung (Smart Breeding) hat in diesen Bereichen (v.a. Trockenheitstoleranz) im Gegensatz zur Gentechnik klare Erfolge vorzuweisen, ist zudem deutlich preisgünstiger und vermeidet die Patentierungsproblematik bei GVO.
Daher wollen wir Grüne die öffentlichen Forschungsgelder im Bereich Pflanzenzüchtung auf die konventionelle Züchtung beschränken.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Dröge