Karsten Werner
BüSo
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Frage von Lydia F. •

Frage an Karsten Werner von Lydia F. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Werner,

Ein großes Problem ist die Abwanderung junger Menschen in den Westen. Wer heute in Stuttgart oder München zum Bäcker oder zur Bank geht , wird dort auffällig häufig von ehemaligen Ostdeutschen begrüßt. In manchen Landkreisen im Osten sinkt vor allem der Anteil junger Frauen dramatisch. Nur zur Erinnerung: Das sind diejenigen, die die kommenden Generationen auf die Welt bringen. Selbst westdeutsche Studenten, die an ostdeutsche Unis kommen verlassen diese nach Studienende häufig wieder und gehen zurück ins Ruhrgebiet, nach Hamburg, Frankfurt oder Süddeutschland.
Was wollen sie dagegen tun?

Ich bin gespannt auf ihre Antworten!
Mit freundlichen Grüßen,

Lydia F.

Antwort von
BüSo

Sehr geehrte Frau Fischer,

danke für Ihre Frage, die ein Thema anspricht, das mir persönlich sehr am Herzen liegt.

Als ich mich 2006 für das Amt des Oberbürgermeisters in Leipzig bewarb, war ich geschockt, als der damalige Bewerber und nun amtierende OBM Leipzigs Burkhardt Jung während einer Wahlveranstaltung offen sagte, für das Problem der Jugendarbeitslosigkeit hätte er keine Lösung, daher müssten wir uns mit der Abwanderung junger Menschen abfinden.

Damit steht er aber in der politischen Landschaft leider nicht allein da, nur wird es nicht immer so offen gesagt. Soviel zu den Anderen. Erlauben Sie mir nun, etwas auszuholen:

Ich sehe für das Problem nur eine Lösung, wir müssen für die Menschen hier eine dauerhafte und vor allem lebenswerte Perspektive finden. Das Hauptproblem liegt also bei der Schaffung von gutbezahlten Arbeitsplätzen. Statt dies in Angriff zu nehmen, wurde 1989 für den Osten von den Finanzinteressen eine fatale, aber bewußte Fehlentscheidung getroffen: nach der friedlichen Revolution vor 20 Jahren gab es die große Chance, die Pläne von Alfred Herrhausen und Detlev Rohwedder durchzusetzen. Die Pläne sahen vor, die DDR-Wirtschaft sozialverträglich abzuwickeln, indem ein Großteil der damaligen Kombinate in die ursprünglich privaten oder auch staatlichen Traditionsbetriebe wiederaufgegliedert würde. Damit hätte der Grundstein für einen wirklichen Neuanfang gelegt werden können. Stattdessen wurden die beiden Herren ermordet, und anschließend unter dem Mantra der Globalisierung nahezu alles kurz und klein geschlagen, was irgendwie nach Industrie roch. Das war sowohl der Todesstoß für den Osten, als auch der letzte verzweifelte Versuch, das damalige westliche System, was durch den großen Börsenkrach von 1987 selbst erschüttert und bankrott war, durch eine pure Ausplünderung des Ostens zumindest temporär zu retten. Dieser Versuch ist jetzt für alle offensichtlich gescheitert. Wir müssen jetzt die Lehren aus dieser Geschichte ziehen und alle Fantasien der letzten 20 Jahre, sei es die Leuchtturmpolitik oder „Silicon Saxony“ auf den Müllhaufen werfen und zurückkehren zum bodenständigen Wirtschaften. Wir müssen uns fragen, was Sachsen tatsächlich braucht! Und wir Sachsen brauchen das, was alle anderen auch brauchen: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Energie, Arbeit, etc.

Haben wir doch alles, sagen Sie? Vielleicht ja (von der Arbeit mal abgesehen), aber wo werden die Produkte denn produziert bzw. wer kontrolliert die Versorgung und Verwaltung (Stichwort Cross-Border-Leasing)? Da liegt doch der Hase im Pfeffer: wir müssen die Irrlehren der Globalisierung aufgeben und zurückkehren zur dezentralen Versorgung, d.h.:
- bäuerliche Familienbetriebe für Ackerbau und Viehzucht
- eigene Textilindustrie
- für die dann kurzen und intensiv benutzten Transportwege braucht es ein effizientes Verkehrsnetz, d.h. Wiederaufbau und Erneuerung des Schienennetzes einschließlich Magnetbahnen
- u.v.a.m.

In den Rathäusern Sachsens liegen Projekte zuhauf, bei denen einzig die Finanzierung fehlt. Diese würde Arbeit schaffen, damit die Steuereinnahmen wieder heben und dem Geld wieder einen realen Gegenwert geben. Die Schuldenbremse ist hier also der komplett falsche Weg, wir müssen ganz im Gegenteil vor allem produktive Schulden machen, um uns aus der Krise herausproduzieren! Dafür ist der Bund zuständig, der wie von der BüSo bereits 2004 vorgeschlagen jährlich mindestens 200 Milliarden Euro in die öffentliche Infrastruktur investieren muß, um der Realwirtschaft einen Kickstart zu verleihen. Das Summen in dieser Größenordnung auch schnell vergeben werden können, wissen wir spätestens seit Beschließung des Rettungspaketes für die maroden Banken. Deren Spielschulden müssen gestrichen werden, um weder Bürger noch Staatshaushalt damit belasten zu müssen. Dann kann in Sachsen Vollbeschäftigung geschaffen und die Massenabwanderung verhindert werden. Kurzum: In Sachsen muß die Wirtschaft wachsen!

Ihr Karsten Werner