Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
mit Interesse habe ich die Asienstrategie der CDU/CSU -Bundestagsfraktion gelesen, welches Merkel akzeptierte.
Meiner Ansicht nach, hat die deutsche Chinapolitik
noch nicht ihre Mitte gefunden.Kotaus ala Siegfried Lengl, der sich Li Peng um den Hals schmiss, ala Kohl, der die Volksbefreiungsarmee besuchte oder ala Schröder, der sich als Vorlämpfer der Aufhebung des EU-Waffenembargos gerierte, steht nun das andere Extrem gegenüber:
Eine werteorientierte Außenpolitik, die selbst die der Grünen in den Schatten stellt.In dem Asienpapier wird die Notwendigkeit ausgesprochen, die transatlantische und europäische Säule um eine dritte euro-asiatische Säule zu ergänzen.Bedeutungsvoll wie Adenauers Westbindung.Gesucht werden "verläßliche Partner".Bis dahin nachvollziehbar.Gleichzeitig wird China aber als "Systemfrage" und zum ordungspolitischen Alternativmodell in
Konkurrenz zum liberalen Westen deklariert.Ist dies nicht eine etwas zu weitgehende Formulierung, die China nun als Feinderklärung aufgenommen hat, wie es sich nun bei dem Deutschlandboykott wegen des Dalai Lama-Besuchs(der ja menschlich sympathisch ist) andeutet?
Die gegenwärtigen Beziehungen sind nun in eine Sackgasse geraten.Keine der beiden Seiten möchte das Gesicht verlieren. Man kann hoffen, daß sich die Mißstimmung mit der Olympiadejahr 2008 verflüchtigt oder aber man sendet ein aktives Signal an Peking: Speziell, daß Deutschland und die EU Taiwans Referendum zur Aufnahme in die UNO nicht unterstützt , öffentlich abrät und an der Ein-China-Politik festhält.Somit könnte China Deutschlands Verläßlichkeit in Fragen der territorialen Integrität und nationalen Souveränität sehen und wäre dies ein Anknüpfungspunkt, um den Dialog wieder aufzunehmen.Was halten Sie von dieser Variante?
Mit freundlichen Grüssen
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
tatsächlich muss die deutsche Asienpolitik ihre Mitte noch finden. Die Politik der Kanzlerin konnte hierfür einige wichtige Impulse setzen.
Deutsche und europäische Außenpolitik werden lernen müssen, mit Konflikten und Meinungsverschiedenheiten zu leben. Interessen und Werte dürfen hierbei kein Dilemma bilden, keinen schmerzhaften Spagat. Deutschlands Interessen in der Welt und seine demokratischen und rechtsstaatlichen Werte stellen nur dann einen Gegensatz dar, wenn wir einen solchen konstruieren.
Lassen Sie es mich offen aussprechen: Gerade diejenigen strategischen Partner Deutschlands in der Welt, mit denen wir in gewissen sensiblen, aber sehr grundsätzlichen Punkten nicht nur Übereinstimmungen haben, akzeptieren einen stringenten und konsistent vorgebrachten Standpunkt mehr, als peinliche Verrenkungen oder auch ein sich allzu williges Ergeben an die verlockenden Sirenengesänge von privilegierten, aber exklusiven Partnerschaften.
Man sollte nie vergessen: Gerade unsere großen, teils außereuropäischen Partner in der Welt besitzen zudem ein überaus feines Gespür und Verständnis dafür, welche Staaten in der Sache einen glaubhaften und konsequenten Standpunkt vertreten. Sie wissen aber auch, wo feine Bruchlinien liegen und werden im Zweifel von Fall zu Fall versuchen, sich dieser zu bedienen, um die Grenzen der Belastbarkeit der europäischen und transatlantischen Solidarität zu überprüfen, aber die auch die Festigkeit unserer Prinzipien und Leitsätze.
Jeder Eindruck von Schwäche, Uneinigkeit und Willfährigkeit sollten von Deutschland und seinen Partnern daher vermieden werden. Sei es bei schrittweisen Vermittlung von Werten als auch bei der Wahrnehmung von Interessen werden wir mit einer Position der Glaubwürdigkeit und Einigkeit mehr erreichen als mit Kotaus und einem Ausscheren aus der Formation; dies übrigens auch und gerade bei Partnern, deren auswärtige Politik eher von Interessen als von Werten determiniert wird.
Deutschland ist und bleibt für China ein verlässlicher Partner. Ganz in diesem Sinne darf ich Sie darauf hinweisen, dass Deutschland nicht in der Pflicht steht, gegenüber China in irgendeinem Punkt seine Verlässlichkeit unter Beweis stellen zu müssen. Dem Versuch dies gar auf Kosten Dritter zu tun, würde ein etwas schäbiger Ruch anhaften.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg