Portrait von Karl Theodor von und zu Guttenberg
Karl Theodor von und zu Guttenberg
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Karl Theodor von und zu Guttenberg zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stephan K. •

Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Stephan K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Guttenberg,

sicherlich ist Ihnen der Artikel von Altbundeskanzler Schmidt im Spiegel 44/2007 geläufig. Aus diesem haben sich für mich einige Fragen ergeben, von denen ich hoffe, dass Sie als kompetenter Fachpolitiker (Ausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung) und Oberfränkischer Abgeordneter sich gerne kurz, aber möglichst konkret zu äußern können.

1. Teilen Sie die Ansicht von Herrn Schmidt, dass die fünf ersten Atommächte USA, Russland, Frankreich, England und China fortlaufend gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen, indem sie nicht gemäß des Vertrags eine vollständige Abrüstung ihrer Atomwaffen unter internationaler Aufsicht verbindlich vereinbaren, sondern vielmehr ihre Atomwaffenarsenale modernisieren? Und wenn ja, was unternimmt die Bundesrepublik hiergegen?

2. Ist es korrekt, dass es dem Iran völkerrechtlich frei steht, Atomkraft für die friedliche Nutzung zu entwickeln?

3. Meines Wissens kann jeder Staat mit Frist von 3 Monaten aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten. Würde der Iran dies tun, wäre er doch völkerrechtlich ebenso wenig an der Entwicklung von Atomwaffen gebunden wie die Nichtunterzeichnerländer Indien, Pakistan und Israel. Würde die Bundesregierung dann aktiv gegen die Entwicklung von Atomwaffen im Iran vorgehen und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

Ich danke Ihnen im Voraus für die Beantwortung der Fragen.

Mit freundlichen Grüßen aus Bamberg

Portrait von Karl Theodor von und zu Guttenberg
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Klock,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, auf die ich hiermit gerne etwas ausführlicher eingehen möchte.

Tatsächlich könnten die im Atomwaffensperrvertrag versammelten fünf atomaren Mächte deutlich mehr tun, um ihre Arsenale zu verringern. Das abrüstungspolitische Umfeld ist zur Zeit allerdings enorm schwierig. Im Bereich der Atomwaffen findet dies derzeit seinen Niederschlag in den stockenden Verhandlungen über atomare Kurz- und Mittelstreckenwaffen (INF) sowie über einen Nachfolgevertrag für das Ende 2009 auslaufende Abrüstungsabkommen Start I über strategische Nuklearsprengköpfe und der Interkontinentalraketen.
Die atomare Aufrüstungsbestrebungen anderer Staaten jedoch allein auf die mangelnde Abrüstungsbereitschaft der etablierten Atommächte zurückzuführen, wie Altbundeskanzler Schmidt dies tut, ist meines Erachtens nach nicht zutreffend. Die etwas pauschale Argumentation von Herrn Schmidt lässt insbesondere ein tieferes Eingehen auf regionale Besonderheiten und Bedrohungshypothesen vermissen.
Gleichwohl muss die internationale Staatengemeinschaft ihre Anstrengungen deutlich erhöhen, um die Abrüstung im gesamten Bereich der ABC-Waffen voranzutreiben. Deutschland, welches auf den Besitz eigener Atomwaffen verzichtet, kann und sollte hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Die Feststellung, dass es dem Iran wie auch jedem anderen Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages freisteht, die Atomenergie friedlich zu nutzen, ist völlig zutreffend. Letztlich beruhen auf dieser vertraglichen Grundlage auch mehrere Angebote einzelner Staaten sowie der internationalen Staatengemeinschaft, Iran beim Aufbau eines zivilen Atomprogramms zu unterstützen. Auch im laufenden Atomstreit besteht ein möglicher Lösungsvorschlag darin, den Brennstoffkreislauf zu multilateralisieren und Iran mit nuklearem Brennstoff zu beliefern, um dem Land den Aufbau eines rein zivilen Atomprogramms zu ermöglichen.

Iran hat bisher alle diese Angebote zurückgewiesen. Teheran besteht vielmehr darauf, den kompletten nuklearen Brennstoffkreislauf aus eigener Kraft zu beherrschen. Zu diesem Zweck hat Iran zudem hinter dem Rücken der internationalen Staatengemeinschaft nukleares Know-How auf den Schwarzmarkt erworben. Die internationale Staatengemeinschaft und die zuständige Atomenergiebehörde IAEA wurden im Hinblick auf das iranische Atomprogramm jahrelang getäuscht. Seit den 80er Jahren hat der Iran seine Nuklearaktivitäten verheimlicht und bis ins Jahr 2002 erfolgreich den Bau und Betrieb mehrere Nukleareinrichtungen verschleiert.

Mit der Aufdeckung der Pläne für die unterirdische Urananreicherungsanlage in Natanz und des Schwerwasserreaktors in Arak sowie den Äußerungen Teherans, seine Energieversorgung durch den Bau zahlreicher Kernkraftwerke sichern zu wollen, geriet das Atomprogramm Irans 2002 erstmals in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Diese Praxis der Defektion seitens Irans zeigte sich fortan an der mangelnden Zusammenarbeit mit der IAEA und ihren Inspektoren. So wurden Inspektionsreisen verzögert oder eingeschränkt, des Weiteren verstieß Iran gegen die Verpflichtungen aus dem Sicherheitsabkommen von 1974, indem er Import, Verbrauch und Weiterverarbeitung von Nuklearmaterial nicht deklarierte. Während diverser Inspektionen durch die IAEA wurde Iran wiederholt durch den Nachweis von Spuren hoch angereichten Urans auffällig, welches nicht dem der IAEO bekannten Bestand an spaltbarem Material entsprach.

Zeichen des Kooperationswillens seitens Irans erwiesen sich regelmäßig als Täuschungsmanöver. Mit dem Fund zahlreicher zurückgehaltener Dokumente ließ sich zweifelsfrei nachweisen, dass Iran mit seinen Bemühungen zur Urananreicherung fortgefahren war. Diese Erkenntnisse führten schließlich im November 2005 zu der Feststellung durch den Gouverneursrat der IAEA, dass die zahlreichen Übertretungen und Verschleierungsversuche des Irans einen Bruch des Atomwaffensperrvertrages darstellten und weiter zu der Überweisung der iranischen Atomproblematik an den VN-Sicherheitsrat im Februar 2006. In bisher zwei Resolutionsrunden hat die internationale Staatengemeinschaft versucht, Iran zu einer vollständigen Offenlegung seiner Atomprogramme und zu einer Aussetzung der Urananreicherung zu bewegen. Bisher leider ohne Erfolg.
Die Historie des Atomkonflikts zeigt, dass Iran ohne Druck seitens der internationalen Gemeinschaft nicht dazu bereit ist, substanzielle Konzessionen in der Nuklearfrage zu machen. Die Staatengemeinschaft darf sich nicht weiter durch vermeintliche Zugeständnisse täuschen lassen und muss einer weiteren Verzögerungstaktik durch Iran vorbeugen. Dies gilt umso mehr, nachdem die jüngsten Äußerungen Ahmadinedschads nicht dazu beigetragen haben, Zweifel an einer rein friedlichen Ausrichtung des iranischen Nuklearprogramms und an der grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft Teherans zu zerstreuen. Eine atomare Bewaffnung des Irans muss unbedingt vermieden werden.

Mit den jüngst Bemühungen um einen neuen nunmehr dritten Resolutionsentwurf wird eine weitere Konsequenz aus der jahrelangen, von fehlender Transparenz und dem Unwillen zur Kooperation geprägten Verzögerungstaktik Teherans gezogen. Die bisher beschlossenen Sanktionen zeigen bereits gewisse Wirkung und verstärken den ohnehin anwachsenden innenpolitischen Druck auf die Regierung in Teheran. Als grundlegend wichtig erscheint es hierbei, dass die Reihen der internationalen Gemeinschaft bei den weiteren Verhandlungen geschlossen bleiben. Das gemeinsame Vorgehen unter dem Dach der Vereinten Nationen stellt die richtige Strategie dar, um Iran zu einem Einlenken zu bewegen und eine militärische Eskalation zu vermeiden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass die beiden bereits verabschiedeten Resolutionen der Vereinten Nationen eine zusätzliche völkerrechtliche Grundlage darstellen, um den Iran von seinen nuklearen Ambitionen abzubringen. Selbst wenn der Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten sollte, so wäre er noch immer an die Erfüllung der Auflagen aus den VN-Resolutionen gebunden, die eine vollständige und umgehende Aussetzung der Urananreicherung fordern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg