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Karl Theodor von und zu Guttenberg
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Frage von Thomas W. •

Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Thomas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Freiherr von und zu Guttenberg,

1) Ist es nicht schizophren, wenn sie auf der einen Seite den Raketenabwehrschild der USA gegen den Iran befürworten oder zumindestens billigend in Kauf nehmen, sich dann aber wegen des 20-Mrd.-Rüstungspakets für den Golf zur Eingrenzung des Irans so aufregen?Inzwischen haben die USA auch leise ihre Finanzsanktionen so verschärft, daß u.a. die Deutsche Bank ihre Irangeschäfte weitgehend eingestellt hat und werden sicherlich an der UNO-Sicherheitsratsfront für schärfere Sanktionen arbeiten.Wieweit geht ihre Sanktionsbereitschaft gegenüber dem Iran?Wie würden Sie zu einer Beteiligung deutscher Marine im Persischen Golf bei einer Blockade durch den Iran stehen?

2) In den USA werden die Stimmen immer lauter, daß man auch von Afghanistan aus pakistanisches Gebiet (FATA und NorthWestFrontiersTerritories) bombadieren und angreifen sollte.Inwieweit würden sie hier eine deutsche Beteiligung befürworten, bzw. inwieweit hätte dies Auswirkungen auf das deutsche Enagement in Afgfhanistan aus Ihrer Sicht, bzw. derer Ihrer Partei und welche?

3)Wie beurteilen Sie Frankreichs Außenpolitik unter Sarkozy bezüglich Afrikas und des Nahen Ostens (Sudankonferenz und Lybiengeschäfte).Sollte dies EU-Außenpolitik GASP werden?

MfG

Thomas Wagner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wagner,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

In Ihrem Brief äußern Sie ein gewisses Unverständnis über meine Kritik an den geplanten US-amerikanischen Waffenlieferungen in den Nahen Osten und vermengen diese Thematik mit dem Aufbau einer Raketenabwehr gegen potentielle Bedrohungen aus Iran und anderen Staaten. Vor solch einer Vermengung von Themenkomplexen möchte ich ausdrücklich warnen: Es ist durchaus ein Unterschied, ob – wünschenswerterweise im Rahmen des atlantischen Bündnisses - bestimmte Verteidigungsfähigkeiten entwickelt werden oder man teilweise instabilen autokratischen Staaten in einer krisengeschüttelten Weltregion mit milliardenschwerer Waffenhilfe unterstützt.
Der Wunsch der Vereinigten Staaten nach Verteidigung des eigenen Territoriums ist ebenso evident wie die potentielle Bedrohung Europas durch unkonventionelle Waffensysteme. Ein Bedrohungspotential, welches inzwischen auch von russischer Seite eingeräumt wurde.

Was die Sanktionsbereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft angeht, so befinden sich die USA hier in keinem Widerspruch zu den anderen westlichen Mitgliedern des Sicherheitsrates und zu Deutschland. Auch China und Russland haben die iranische Gefahr durchaus benannte und sind bereit, daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Wenn nun gewisse vorsichtige Kooperationsbereitschaft seitens Teheran möglich erscheint, so ist dies letztlich auf die entschlossene Haltung der Sicherheitsrats zurückzuführen. Gleichwohl stellen die nuklearen Ambitionen Teherans eine Bedrohung dar, auf die weiterhin mittels Verhandlungen reagiert werden muss. Die Frage militärischer Operationen stellt sich nicht. Ein diesbezügliches Spekulieren ist verantwortungslos und würde die Verhandlungen mit Iran erschweren.

Ebensolches gilt für eventuelle Operation der USA in Pakistan. Die in den vergangenen Tagen von Sen. Obama von Seiten der demokratischen Opposition geäußerte Vorschlag, militärische Operationen in den Stammesgebieten durchzuführen, ist rundweg abzulehnen. Tatsächlich ist aber eine kohärente Politik der NATO gegenüber Pakistan einer der wesentlichen Schlüssel für den Erfolg des Bündnisses in Afghanistan. Islamabad muss die terroristischen Aktivitäten auf seinem Territorium effektiv unterbinden.

Was schließlich die Afrikapolitik unseres Nachbarn Frankreich angeht, so muss eingangs festgestellt werden, dass Paris traditionelle Kontakte und auch Interessen in Afrika hat. Daran hat offensichtlich auch die Einbindung Frankreichs in die Europäische Union nichts geändert. Die europäischen Partner nehmen durchaus Rückgriff auf die Expertise französischer Afrikapolitik und würdigen das hohe Engagement in dieser schwierigen und Krisen durchzogenen Weltregion. Die französische Entscheidung, die Lieferung eines Atomreaktors nach Libyen zu prüfen, stellt meiner Auffassung nach einen etwas voreiligen Schritt innerhalb eines insgesamt doch richtigen Prozesses dar.

Libyen hat durch sein Einlenken in der Affäre um die bulgarischen Krankenschwestern die Voraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit der EU mit dem nordafrikanischen Staat gewahrt. Eine weitere Entspannung der Beziehungen mit dem Mittelmeeranrainer Libyen ist grundsätzlich zu begrüßen. Libyen kann für Europa eine wichtige Rolle als Handelspartner und in der Rohstoffversorgung übernehmen. Auch im Bereich der illegalen Migration ist eine engere Kooperation der EU mit Libyen wünschenswert.
Die Regierung Gaddafi sollte nun zu weiteren vertrauenbildenden Maßnahmen und inneren Reformschritten aufgefordert werden, um von sich aus eine vertiefte Zusammenarbeit mit den Mitgliedssaaten der EU zu befördern.

Allerdings sollte eine solche Annäherungspolitik gesamteuropäisch abgestimmt und koordiniert werden. Nationale Alleingänge gilt es zu vermeiden. Die Libyenpolitik der Mitgliedsstaaten der EU darf nicht allein auf wirtschaftlichen Interessen beruhen, sondern muss Ergebnis einer umfassenden Analyse der Chancen und Risiken einer solchen Zusammenarbeit sein. Das mögliche Entstehen doppelter Standards in der Außenpolitik der EU gilt es unbedingt zu vermeiden.

Dementsprechend muss sorgfältig erwogen werden, welche Zeichen durch die Aufnahme einzelner Kooperationsschritte ausgesendet werden. Dies gilt sowohl für eventuelle Auswirkungen auf bestehende internationale Verträge und Abkommen als auch auf laufende Verhandlungen.

Besonders mit Blick auf die EU 3 plus 3-Gespräche mit Iran muss eine vertiefte Zusammenarbeit mit Libyen im Nuklearsektor sorgfältig abgewogen werden. Eine solche Zusammenarbeit kann nur in Übereinstimmung mit den geltenden Vereinbarungen und Regelungen der IAEA erfolgen.
Libyen gehört der IAEA seit 1963 an, hat aber erst im Jahr 2004 das Safe-Guard-Agreement unterzeichnet und seine Atomwaffenprogramme aufgegeben. Tripolis ist daher aufgefordert, den entsprechenden Regelungen weiter zu entsprechen und die Transparenz seiner Aktivitäten zu erhöhen. Da Libyen erst seit kurzer Zeit seinen Verpflichtungen im Nuklearbereich im vollen Umfang nachkommt, sollte Paris entsprechenden Sorgen und Bedenken Rechnung tragen.

Frankreichs Regierung sollte daher darum bemüht sein, das angestrebte Partnerschaftsabkommen im Rüstungsbereich wie auch eine Übereinkunft für die Kooperation bei der zivilen Atomkraft-Nutzung nur in enger Abstimmung mit der EU zu implementieren.

Mir freundlichen Grüßen

Dr. Karl- Theodor zu Guttenberg