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Karl Theodor von und zu Guttenberg
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Frage von Jürgen Ö. •

Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Jürgen Ö. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Freiherr zu Guttenberg,
zum Komplex der Bahnprivatisierung, die 2007 beschlossen werden soll, bitte ich um die Beantwortung einiger Fragen:

1. Heute gehört das Schienennetz dem Bund. Zukünftig soll die privatisierte DB AG 15 Jahre lang über Netz und Bahnhöfe bestimmen. Danach geht die Infrastruktur auch formal in das Eigentum der privatisierten DB AG über - es sei denn, der Bund bezahlt an die DB AG und ihre privaten Eigentümer einen zwei- bis dreistelligen Milliarden Euro-Betrag.
Mich interessiert, ob und wie Sie diesen volkswirtschaftlichen Wahnsinn verhindern wollen?

2) Monopole setzen ihre Macht rücksichtslos ein, sie sind kaum kontrollierbar. Dieselbe Entwicklung wie im Energiemarkt zeichnet
sich bei der DB AG ab.
Wie wollen Sie das verhindern?

Die Bahn hat einen Gesamtwert von ca. 250 Milliarden €. Der Verkauf wird aber nur fünf bis zehn Milliarden € einbringen. Gleichzeitig soll die teilprivatisierte DB AG in den kommenden zehn Jahren rund 100 Milliarden € aus Steuermitteln erhalten.
Sind Ihnen diese Fakten bekannt? Wie wollen Sie diese Enteignung der Allgemeinheit verantworten?

3) Fast 2/3 der Bevölkerung (Emnid-Umfrage vom November 2006) sind gegen den Verkauf der DB AG an private Investoren.
Wollen Sie sich über dieses Votum Ihrer Wäühler hinwegsetzen?

4) Der Klimawandel ist Realität. Das ökologischste Verkehrsmittel ist die Bahn. Potentielle Investoren für die Bahn z. B. Gazprom verdienen ihr Geld damit, dass unser CO2-Ausstoß weiter steigt. Es ist nicht anzunehmen, dass diese Investoren sich bei der Bahn anders verhalten werden.

Halten Sie es für richtig, dass der Bundesverkehrsminister Bahnbetrieb und Bahnnetz diesen privaten Investoren praktisch übereignen will?

Ich bin auf Ihre Antworten sehr gespannt.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Öhrlein

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Öhrlein,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass über die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG im Bundestag noch nicht abschließend beraten wurde. Diese Ausführungen stellen folglich erst einen Entwurf dar. Gemäß der Geschäftsordnung der Bundesregierung folgen noch die Ressortabstimmungen, die Anhörung der Länder und Verbände sowie die Beteiligung der Europäischen Kommission, bevor es zu einer Beschlussfassung des Kabinetts kommen kann. Daher ist es mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, eine abschließende Stellungnahme zu diesem Thema vorzunehmen. Ich erlaube mir demzufolge, Ihre Ausführungen in einer allgemeineren Darstellung zu beantworten. Ich erlaube mir weiterhin, Ihnen einige Positionen und Standpunkte der CDU/CSU Fraktion darzulegen, die meinen Auswägungsprozess begleiten aber nicht zwingend mit meiner letztlichen Entscheidung übereinstimmen müssen:

„Die Privatisierung der Bahn birgt grundsätzlich Zukunftsmöglichkeiten für Investitionen und Wettbewerb. Für uns war schon immer klar, dass Deutschland eine starke Bahn und ein erfolgreiches Unternehmen Deutsche Bahn AG braucht. Die Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Gerade in einer Zeit in der Europa immer weiter zusammenwächst, wird Bahnpolitik auch ein Stück weit Europapolitik. So haben wir bereits jetzt in Europa einen gemeinsamen Schienengütermarkt und in knapp drei Jahren werden wir auch einen freien europäischen Personenfernverkehrsmarkt haben. Auf diese Veränderungen muss die Bahn reagieren, um in Europa weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Privatisierungsgesetz muss daher einerseits sichern, dass der Bund seiner verfassungsrechtlichen Gemeindewohlverpflichtung nachkommen kann, andererseits aber auch die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus der Bewirtschaftung der Infrastruktur bei der DB AG belassen, damit die Wettbewerbsfähigkeit des integrierten Unternehmens Deutsche Bahn AG gestärkt wird und ihm insbesondere die Bilanzierungsfähigkeit der Eisenbahnstrukturunternehmen erhalten bleibt.
Aus diesem Grund hat sich CDU/CSU-Bundestagsfraktion eindeutig dafür ausgesprochen, dass das Netzeigentum beim Bund verbleibt und die Holding mit ihren Töchtern ansonsten an den Kapitalmarkt gebracht werden kann. Für einen gewissen Zeitraum soll allerdings die Bewirtschaftung und die Betriebsführung des Netzes durch das Unternehmen Deutsche Bahn AG weiterhin wahrgenommen werden. Für diese Entscheidung sprechen aus unserer Sicht aber noch weitere Gründe:

Erstens muss der staatlichen Infrastrukturverantwortung Rechnung getragen werden. Das ergibt sich nicht nur aus dem Grundgesetz, sondern auch aus der Tatsache, dass der Bundeshaushalt langfristig zu erheblichen Zahlungen für Unterhalt und Ausbau des Netzes verpflichtet ist.
In Artikel 87e Abs. 3 GG wurde die Mehrheitsbeteiligung des Bundes am Netz verankert - diese Regelung dient der Sicherung der Investitionen durch den Bund. Die hohen Zuschüsse - seit der Bahnreform über 50 Mrd. Euro und zukünftig 3 bis 4 Mrd. Euro pro Jahr - sind Ausdruck der staatlichen Infrastrukturverantwortung. Mit diesen hohen Netzinvestitionen verfolgt der Bund verkehrs- und strukturpolitische Ziele. Da der Bund dauerhaft zur Daseinsvorsorge, also zur dauerhaften Bereitstellung und Unterhaltung von Verkehrswegen gem. Art. 20 Abs. 1 GG, 28 Abs. 1 GG und Art. 87e Abs. 4 GG, verpflichtet ist, muss zur Sicherung staatlicher Interessen mindestens an dieser Mehrheitsbeteiligung des Bundes am Netz auf Dauer festgehalten werden.

Zweitens beläuft sich der Bruttoanlagenwert (Substanzwert) des Netzes auf rund 130 Mrd. Euro. Es darf nicht sein, dass der Bund diesen Wert für 5 bis 8,7 Mrd. Euro im Gesamtpaket „verschleudert“ (Wertfeststellung gem. PRIMON-Gutachten), und damit das Eigentum der Bürger und Steuerzahler an der Infrastruktur aus der Hand gibt. Im Ausland hat eine Privatisierung des Netzes übrigens dazu geführt, dass die Netze später zu einem wesentlich teureren Preis zurückgekauft werden mussten, um Schieneninfrastrukturpolitik für den Staat überhaupt wieder möglich zu machen.

Drittens darf sich die künftige Verkehrspolitik des Bundes auf keinen Fall darin erschöpfen, jährlich Milliarden für den Unterhalt und den Ausbau des Eisenbahnnetzes auszugeben, während die Infrastruktur aber im Miteigentum eines internationalen Konzerns steht, der seine operativen Entscheidungen ausschließlich an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Renditeinteressen ausrichtet. Vielmehr muss der Bund auch zukünftig für die Erfüllung seines Infrastrukturauftrages und seiner verkehrspolitischen Ziele den Substanzwert des deutschen Schienennetzes im Eigentum behalten. Nur so behält der Bund unabhängig von der langfristigen Entwicklung des Logistik-Konzerns Deutsche Bahn AG die erforderlichen Steuerungsmöglichkeiten.

Um diese Punkte auch in den weiteren Privatisierungsüberlegungen einfließen zu lassen, wurde im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 21.11.2006 (BT-Drs. 16/3493) festgehalten, dass die Infrastrukturverantwortung gem. Artikel 87e Abs. 4 GG umfassend gesichert werden muss und dass die Infrastrukturgesellschaften vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt werden. Juristische Risiken für die eigentümerrechtliche Position des Bundes müssen ausgeschlossen werden. An diesen Forderungen werden wir den überarbeiteten Gesetzentwurf, den die Bundesregierung in den nächsten Wochen vorlegen wird, messen. Bereits die Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 23.05.2007 hat sowohl Verfassungs- als auch Bilanzprobleme aufgezeigt. Auch diese Aspekte werden seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in die weitere Bewertung mit einfließen.“

Wie eingangs bereits erwähnt, ist dieses Thema noch nicht abschließend beraten worden, es gilt also bei der Privatisierung eben jene Punkte zu berücksichtigen und sinnvoll in einen Entwurf einzugliedern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Karl- Theodor zu Guttenberg