Frage an Karl Theodor von und zu Guttenberg von Jürgen Ö. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr von Guttenberg,
wie stellen Sie sich eigentlich die politische Arbeit vor Ort vor: Sie sind zwar Mitglied im Kreistag Kulmbach, aber meist bei Sitzungen entschuldigt oder bei Sitzungen, an denen Sie teilnehmen, völlig still. Wäre es nicht sinnvoll, dieses Kreistagsmandat aufzugeben oder zumindest in den Sitzungen anhand von eigenen Redebeiträge zu zeigen, dass die Wähler nicht den Namen VON GUTTENBERG, sondern eine Persönlichkeit gewählt haben, die auch aus Berlin zeitnah berichten kann. Alle Probleme der örtlichen Kommunalpolitik, die in Berlin verursacht werden, sollten doch von Ihnen zumindest in den Sitzungen erklärt werden. Oder verlange ich zuviel von Ihnen?
Ich wünsche eine frohes erholsames Fest und freue mich schon heute auf eine Antwort im Jahr 2007.
Jürgen Öhrlein
Sehr geehrter Herr Öhrlein,
herzlichen Dank für Ihr so liebenswürdiges Schreiben vom 21. Dezember, das die hohe Kunstfertigkeit abgewogener Beurteilungen unterstreicht.
Zu den einzelnen Punkten:
Ihre Beobachtung, dass ich Mitglied im Kreistag Kulmbach bin, ist zutreffend. Es ist Ihnen sicherlich lediglich aufgrund einer kleinen Unachtsamkeit entgangen, dass nach den Kommunalwahlen im Jahre 2002 im Herbst Bundestagswahlen anstanden, in dessen Folge ich bis heute den Bundeswahlkreis Kulmbach vertreten darf. Dies führt bedauerlicherweise gelegentlich zu Terminüberschneidungen, wenn gleichzeitig Kreistagssitzungen und Bundestagssitzungswochen angesetzt sind. Meiner wiederholt vorgetragenen Bitte, Kreistagssitzungen außerhalb der Sitzungswochen zu terminieren, konnte aus Gründen, die Sie bitte nicht bei mir erfragen wollen, bislang nicht im erwünschten Umfang nachgekommen werden.
Dem intellektuellen Grundgehalt Ihres Schreibens folgend, nehme ich an, dass Sie mich in vergleichbaren Kollisionsfällen, in denen ich mich zur Teilnahme an der Kreistagssitzung entscheiden würde, zur Aufgabe meines Bundestagsmandates bewegen würden. Es ist sicher nur kurzen und völlig verständlichen Unkonzentriertheiten geschuldet, dass Sie meine Äußerungen etwa zu Hartz IV bzw. zur BfEL in den jeweiligen Kreistagssitzungen überhört haben. Stille kann im übrigen auch Ausdruck konzentrierten Zuhörens sein – eine Empfehlung, die ich gerade jenen geben will, deren wahre Qualifikation sich erst bei ihren Wortmeldungen offenbart. Im übrigen neige ich dazu, den Umstand zu akzeptieren, dass es Fraktionsvorsitzende bzw. –sprecher gibt, die den vorher gebildeten Willen einer Fraktion entsprechend fundiert zum Ausdruck bringen. Das mag für Sie ungewöhnlich erscheinen, ist aber durchaus bewährter Usus und schließt die Äußerung abweichender Ansichten freilich nicht aus.
Sollten Sie das Verlangen haben, einen Bericht aus Berlin zu den kommunalen Gegebenheiten seitens Ihres Abgeordneten zu erhalten, so gibt es hier unterschiedliche Möglichkeiten:
Zum Einen wird es einem so aufmerksamen Zeitungsleser wie Ihnen nicht entgangen sein, dass ich auch im fünften Jahr meines Mandates jede politische Gemeinde meines Wahlkreises mindestens einmal im Jahr besuche, um mit den Verantwortungsträgern vor Ort gerade über die kommunalpolitischen Auswirkungen der Bundespolitik zu diskutieren (ein Vorgehen, dass gänzlich überparteilich ist und nach meiner Kenntnis von anderen Bundestagsabgeordneten nicht in dieser Form praktiziert wird – insbesondere nicht von den geschätzten Kollegen der Grünen). Ich bin mir sicher, dass etwa die Marktgemeinde Mainleus auf Ihren Antrag hin nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn Sie gelegentlich an einer dieser Sitzungen teilnehmen würden.
Zum Zweiten müsste Ihre langjährige kommunalpolitische Erfahrung dazu geführt haben, dass Ihnen das Procedere, um gewisse Anliegen im Kreistag behandelt zu wissen, bekannt sein dürfte. Bitte korrigieren Sie mich, aber ich glaube, dass dies üblicherweise über Anträge geschieht.
Zuletzt und Drittens gibt es einen noch einfachereren Weg: Nämlich den direkten. Auch hier ist es wohl nur ein zufälliges Versäumnis, dass sich Ihnen die Möglichkeit, das direkte Gespräch mit den Abgeordneten zu suchen, noch nicht aufgedrängt hat.
Sehr geehrter Herr Öhrlein, von mir verlangen Sie demnach definitiv nicht zuviel – möglicherweise ich aber von Ihnen.
Auch Ihnen ein gesegnetes und frohes Weihnachten und alles Gute für das Jahr 2007
Mit freundlichen Grüßen
Karl- Theodor zu Guttenberg