Frage an Karl A. Lamers von Ralf O. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Dr. Lamers,
1) nachdem Georgien beinahe einen Krieg mit Rußland ausgelöst hätte:inwieweit ist die Bundeswehr nach 1 1/2 Jahrzehnten Umbau zu einer internationalen Interventionsarmee eigentlich noch für den Fall eines solchen"ganz normalen" Krieges mit Rußland gerüstet?Existieren Militärhilfeprogramme von Seiten Deutschlands für Georgien,bzw. von NATO und EU?
2)in den USA beschäftigen sich Experten angesichts fortschreitender Aktivitäten chinesischerseits mit dem Szenario eines Kriegs im Weltraum.Fachleute wie Noah Schachtmann gehen von der Gewinnbarkeit eines solchen Weltraumkrieges (space war) für die USA aus, andere Experten, wie Brian Weeden weisen jedoch auf die Gefahr einer totalen Paralysierung und Zerstörung der kommerziellen Nachrichtensatelitten und eines möglichen Kollapses des Welthandels hin,d.h halten die Auswirkungen für desaströs und halten in einem solchen Konflikt per se alle Seiten nur für Verlierer.Inwieweit ist die Bundeswehr, die EU und die NATO für einen solchen Weltraumkrieg gerüstet und materiell sowie geistig vorbereitet?Sind Weltraumkriege Bestandteile der Szenarien von Bundeswehr- und NATO-Manövern?Die Kangoroo-Gruppe im EU-Parlament unter der Leitung des CDU-Abgeordneten Wolgau befürwortet die militärische Nutzung des Gallileoprogramms(Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/110727 ) Existiert bereits eine europäische oder deutsche Sicherheitsarchitektur für das Weltall?Wäre eine solche nicht im Rahmen der NATO anzustreben oder soll Europa hier seine eigenen Kapazitäten ausbauen?
3)Der Traum nuklearer Abrüstung scheint unter Obama näher gerückt zu sein, vor allem nachdem auch Realisten wie Kissinger, George Shultz und Sam Nunn öffentlich, z.B. in der Washington Post für eine weltweite nukleare Abrüstung eintraten.Inwieweit werden diese Bemühungen aber durch die Raketenabwehrpläne der USA unterminiert?Atomwaffenstaaten könnten ja dann eher zur nuklearen Aufrüstung neigen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
zu 1)
Die Frage eines Krieges mit Rußland stellt sich nicht. Der von Ihnen beschriebene Georgien-Konflikt hat zwar zu politischen Verwicklungen geführt; es ging jedoch nie um einen Krieg Rußlands gegen die NATO oder den Westen. Umgekehrt ging es auch nicht um einen Krieg der NATO gegen Rußland, etwa um die Georgien-Frage zu lösen.
Wir gehen weiterhin davon aus, dass politische Meinungsverschiedenheiten zwischen der NATO und Rußland sich auf dem Wege des Dialogs lösen lassen und dass es für uns keinen Anlass gibt, dass die NATO sich auf einen großen kontinentalen Landkrieg vorbereitet.
Die Bundeswehr war in ihrer Verteidigungsplanung nie - auch im "Kalten Krieg" nicht - darauf ausgerichtet, allein einen konventionellen Krieg zu führen. Unsere eigenen Verteidigungsvorbereitungen fußten stets auf der Grundtatsache, dass Verteidigung immer im Verbund mit der NATO stattfinden wird und muss. Wir sprachen und sprechen daher nie von "nationaler Verteidigung", sondern stets von Bündnisverteidigung. Diese Planung zur Verteidigung des NATO-Vertragsgebiets gibt es nach wie vor, und Deutschland ist selbstverständlich bereit, dafür seinen Beitrag zu leisten.
zu 2)
Ein Krieg im Weltraum ist zwar theoretisch möglich, oft eilen aber die Phantasien vieler "Experten" den realen Möglichkeiten weit voraus. Allein die USA haben zur Zeit ein Unified Combatant Command für Operationen im Weltraum (U.S.Space Command), wobei dieses Kommando auch für die nukleare Abschreckung zuständig ist. Dieses Kommando plant jedoch weniger offensive Kriegshandlungen im Weltraum als vielmehr Operationen im Rahmen von "Network Centrice Warfare" (NCW). In vielen mehr oder weniger ernst zu nehmenden Publikationen und Quellen wird NCW sehr schnell mit "Cyber war" gleichgesetzt, was nicht richtig ist.
Für die NATO und Deutschland geht es bei NCW eher darum, die Möglichkeiten der weltweiten Aufklärung zu bündeln und so ein möglichst wirklichkeitsnahes Lagebild für politische und militärische Entscheidungen zu bekommen. Weiterhin geht es darum, die vorhandenen Netze und Datenquellen zusammenzuschließen und effizient zu nutzen ("Command, Control and Communication Intelligence" - C^3 I).
Im übrigen gilt der Vertrag von 1967, der militärische Operationen im Weltraum verbietet, nach wie vor.
zu 3)
Die nukleare Abrüstung ist ja schon in der Ära der US-Präsidenten Clinton und Bush-II deutlich vorangebracht worden. Insofern bedarf es nicht erst neuer Aktivitäten außenpolitischer Größen der Vergangenheit wie Kissinger, Shultz und Nunn.
Ich darf daran erinnern, dass die NATO und vor allem die USA den Abbau der ABC-Waffen-Arsenale der ehemaligen Sowjetunion seit 1991 finanziell erst möglich gemacht haben. Der künftige US-Präsident wird auf diesem Gebiet von den Aktivitäten und Vereinbarungen seiner Amtsvorgänger profitieren.
Das Ziel, Nuklearwaffen weltweit abzurüsten, bleibt weiterhin das Hauptziel vieler Staaten, vor allem auch der Bündnispartner der NATO. Für uns Deutsche, die wir während der Phase des "Kalten Krieges" eines der Hauptziele sowjetischer Nuklearwaffen gewesen wären, wenn es zum nuklearen Schlagabtausch gekommen wäre, ist dieses Engagement zur nuklearen Abrüstung selbstverständlich.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karl A. Lamers MdB