Frage an Karl A. Lamers von Philipp F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Hr. Dr. Lamers,
es würde mich sehr freuen einige Antworten und Meinungen von Ihnen zu erfahren.
Im Bezug auf die immer noch andauernde Finanzkrise, stechen mir persönlich viel wichtigere Fragen auf.
1- Derzeit hungern 900.000.000 Menschen Weltweit. Über Jahre hinweg wurde ein Großteil der dritten Welt benachteiligt, übervorteilt und im großen und ganzen im Stich gelassen. Die Argumentation vieler Politiker, weltweit, beruhen immer auf der Aussage, es sei nicht genug Geld vorhanden um ein effizientes System für die dritte Welt zu entwickeln.
Jetzt schüttelte sich die Bundesregierung ein 500.000.000.000€ Paket aus dem Ärmel und das innerhalb weniger Wochen!?
Ich weiß ein Teil sind Bürgschaften und andere Kredite etc.
Meine Frage zu diesem Punkt lautet: Widerspricht es nicht jeder menschlichen Moral, Geld verzockenden und selbst bereicherten Banken unter die Arme zu zu greifen und es dann von den Völkern dieser Welt bezahlen zu lasse? In Anbetracht der verhungernden Menschen Weltweit.
2. Desweiteren frage ich mich wieso die Bundesregierung Geld ausgibt um Kriegsgerät in aller Welt zu verteilen und sich andererseits so schwer damit tut, unsere wichtigsten Themen ordentlich auf den Weg zu bringen? (Schulsystem, Gesundheit, Bekämpfung der Armut im In- und Ausland.)
3. Ein Fall der mich in der Vergangenheit sehr beschäftigt hat, war die Entführung eines Bundesbürgers, in Deutschland, durch die C.I.A..
Erst nachdem er gefoltert, verhört und ohne Rechte, kam der Fall an die Öffentlichkeit. Ich frage mich bis heute was würde die Bundesregierung tun wenn ich von C.I.A. entführt würde? Und fragen sich sich mal was das Oval Office tun würde?
Meine vorerst letzte Frage an sie- Werden sie sich und die Bundesregierung dafür stark machen das die Verantwortlichen im Oval Office zur Rechenschaft gezogen werden?
Ich meine damit, werden die zwei Angriffskriege(2Irakkrieg-Afghanistan) und die Verbrechen an der Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt und aufgeklärt?
mfG Ph. Faller
Sehr geehrter Herr Faller,
recht herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Thema "Internationales".
Sie gehen dabei schwerpunktmäßig auf die aktuelle Finanzmarktkrise ein.
Lassen Sie mich hierzu zunächst wie folgt Stellung nehmen:
Der Bundestag hat am 15. Oktober 2008 ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Finanzmarktes auf den Weg gebracht. Die Große Koalition hat in einer in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmaligen Situation die Fähigkeit zu entschlossenem gemeinsamen Handeln gezeigt.
*Die wichtigsten Ziele dieses Paketes waren für uns:*
- Spareinlagen der Bürger sichern
- Geldversorgung der Wirtschaft sicherstellen
- Arbeitsplätze sichern, Wachstum stabilisieren, soziale Marktwirtschaft schützen
- Konsolidierungskurs bei öffentlichen Finanzen halten
- Zukünftige Krisen vermeiden
Die Lage an den Finanzmärkten war brandgefährlich. Ein explosives Gemisch aus langjähriger Politik des billigen Geldes in den USA und leichtsinniger, unverantwortlicher Hausfinanzierungen dort hat zu einer massenhaften Überschuldung privater Hauseigentümer geführt. Die schlechten Hypotheken wurden, in Paketen zusammengefasst, unter den Banken weiter verkauft. Die Leistungsfähigkeit der Schuldner und die Werthaltigkeit der besicherten Immobilien wurde dabei durch Bewertungsagenturen maßlos überschätzt.
Leichtgläubigkeit, mangelndes Risikobewusstsein und ein übersteigertes Streben nach schnellem Gewinn haben diese Entwicklung ermöglicht und bis zum Kollaps beschleunigt. Durch die internationale Vernetzung der Finanzinstitute waren davon Banken weltweit betroffen. Einzelne Institute, auch in Deutschland, hatten sich mit nicht werthaltigen Papieren übernommen und standen vor dem finanziellen Aus. Die Verunsicherung unter den Banken selbst wurde so groß, dass diese untereinander kein Geld mehr verliehen, was den Geldkreislauf unter den Banken zum Erliegen brachte. Damit war nicht nur das Bankwesen insgesamt gefährdet, sondern die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft.
Dadurch drohte eine massive Gefahr für Wachstum und Arbeitsplätze.
*Das Stabilisierungsprogramm nützt den Bürgern.*
Das Funktionieren des Geldkreislaufes und das Vertrauen in die Sicherheit unseres Bankensystems sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Ein Zusammenbruch der Finanzmärkte hätte viele Menschen in große Not gestürzt. Der Staat hat nicht gehandelt, um das Finanzvermögen der Banken zu retten. Er hat auch nicht gehandelt, um schlechten Bankmanagern zu helfen. Die Bundesregierung musste aktiv werden, um einen Schaden in nicht absehbarer Größe von der Allgemeinheit abzuwenden. Im Interesse der Sicherung von Arbeitsplätzen, der Stabilisierung des Wachstums und des Schutzes unseres freiheitlichen Wirtschaftssystems musste schnell, entschlossen und international abgestimmt gehandelt werden. Zum Rettungspaket gab es keine sinnvolle Alternative. Nicht zu handeln, wäre für uns alle die teuerste Reaktion gewesen. Die betroffenen Finanzinstitute, die sich unter den Schutz des Paketes stellen, werden in größtmöglichem Umfang in die Pflicht genommen. Wichtig ist, dass jede betroffene Bank mit ihrem gesamten Vermögen vollständig haftet, bevor der Steuerzahler auch nur einen Euro zuschießt.
*Die Bundesregierung hat schnell, entschlossen und angemessen reagiert.*
Die Bundeskanzlerin hat erklärt, dass alle Einlagen privater Sparer bei allen Instituten in Deutschland sicher sind. Wir haben schon die besten Einlagensicherungs- und Entschädigungssysteme weltweit. Im Zweifel und bei Überforderung der Systeme wird jetzt auf jeden Fall der Bund einspringen. Damit sind größtmögliches Vertrauen in die Sicherheit aller privaten Einlagen bei Kreditinstituten in Deutschland geschaffen und Panikreaktionen verhindert worden. Sparerinnen und Sparer in Deutschland können vollständig auf die Sicherheit ihrer Spareinlagen vertrauen.
Die Bundesregierung und der Bundestag haben in dem Gesetz zur Stabilisierung des Finanzmarktes im Wesentlichen folgende Maßnahmen ergriffen:
- Der Bund richtet als Bundessondervermögen einen Finanzmarktstabilisierungsfonds ein, über den Hilfen für angeschlagene Finanzinstitute durchgeführt werden sollen. Der Fonds dient der Stabilisierung des Finanzmarktes durch Überwindung von Liquiditätsengpässen. Weiterhin werden durch den Fonds die notwendigen Voraussetzungen für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis für angeschlagene Institute geschaffen.
- Der Bund gewährt durch den Fonds Staatsgarantien für Forderungen gegenüber Banken in Höhe von bis zu 400 Milliarden Euro. Dies ist eine vertrauensbildende Maßnahme, die den Geldkreislauf unter den Banken wieder in Schwung bringen soll. Die Bundesregierung kalkuliert ein fünfprozentiges Ausfallrisiko und wird zur Deckung dieses Risikos Kredite in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen. Die Staatsgarantien werden befristet bis Ende 2009 gewährt und mit einer risikoabhängigen Gebühr von mindestens 2 Prozent belastet.
- Der Bund wird darüber hinaus bis zu 80 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und durch den Fonds bereitstellen, um sich im Bedarfsfall am Eigenkapital angeschlagener Banken zu beteiligen und um von den Banken risikobehaftete Forderungen zu übernehmen. Mit Beteiligungen am Eigenkapital werden keine dauerhaften (Teil-) Verstaatlichungen angestrebt, sondern vorübergehende Engagements zur Rettung der Institute.
- Die Rechnungslegungsvorschriften für Finanzinstitute werden so verändert, dass krisenbedingte und vorübergehende Risikoabschläge in der Bewertung von Forderungen nicht zu unrealistischen Verzerrungen in den Bankbilanzen führen. Dies wird dazu beitragen, dass Banken weniger schnell in Schieflagen geraten.
Die eingeleiteten Maßnahmen werden international koordiniert und aufeinander abgestimmt.
Die Bundesregierung wird weitere Rechtsänderungen zur Regulierung der Finanzmärkte auf den Weg bringen, um eine Wiederholung des Geschehenen zu vermeiden. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass diese Regeln international übernommen und akzeptiert werden.
*Keine Leistung ohne Gegenleistung.*
Die Hilfen des Bundes wird es allerdings nur geben, wenn die Banken zu ihrer Verantwortung stehen und sich an bestimmte Regeln halten. Das heißt ganz konkret: Auflagen zur Begrenzung der Managergehälter und der Bonuszahlungen, Auflagen hinsichtlich der geschäftspolitischen Ausrichtung des Instituts, Auflagen hinsichtlich der Kreditvergabe, insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen, und natürlich Teilhabe des Bundes an den Erträgen der Finanzinstitute.
*Haushaltskonsolidierung bleibt unser ehrgeiziges Ziel.*
Mit dem Stabilisierungspaket schultert der Bund eine große Verantwortung. Niemand kann schon jetzt sagen, wie hoch die Haushaltsmittel sind, die am Ende eingesetzt werden müssen. Wird das Vertrauen auf den Finanzmärkten stabilisiert, dann werden sich die
Ausfälle in Grenzen halten.
Der grundsätzliche Kurs der Haushaltskonsolidierung der Großen Koalition wird nicht in Frage gestellt. Das Stabilisierungspaket ermöglicht, dass Wachstum und Beschäftigung stabil bleiben. Das ist die wichtigste Voraussetzung für konstante Staatseinnahmen und wird dazu beitragen, dass ein ausgeglichener Bundeshaushalt nicht in weite Ferne rückt. Allerdings lässt sich jetzt noch nicht absehen, wie die Krise auf die Realwirtschaft und damit auch auf die mittelfristig zu erwartenden Steuereinnahmen durchschlagen wird.
*Beschlossene Entlastungen für die Bürger werden nach wie vor umgesetzt:*
- Die bereits beschlossene Wohngelderhöhung wird vorgezogen und schon zum 01.10.2008 wirksam.
- Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag wird zum 1.1.2009 auf 2,8% abgesenkt.
- Der Kinderfreibetrag wird um rund 200 EUR auf 6.000 EUR jährlich angehoben. Das Kindergeld steigt für erste und zweite Kinder um 10 EUR monatlich, ab dem dritten Kind um 16 EUR monatlich.
- Die steuerliche Förderung des privaten Haushalts als Arbeitgeber wird vereinfacht und ausgeweitet.
- Das Urteil des Verfassungsgerichts zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen wird umgesetzt. Die Bürger werden dabei in der Summe um knapp 9 Milliarden Euro entlastet.
*Was wird getan, um eine solche Krise künftig zu vermeiden?*
Das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmepakets zur Stabilisierung des Finanzmarkts ist der erste Baustein für eine neue Finanzmarktverfassung, dem als zweiter Schritt eine Veränderung der internationalen Regeln des Finanzmarkts folgen muss. Die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zu Eigenkapitalregeln ("Basel II") sehen neben einem verbesserten Risikomanagement der Banken eine Pflicht zur Unterlegung von Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanzen mit Eigenkapital vor. Diese Empfehlungen wurden aber noch nicht überall (etwa in den USA) umgesetzt. Sie müssen nun vollständig umgesetzt und rasch zu einem international fest vereinbarten Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte ausgebaut werden. Dazu gehören:
- eine Stärkung der Rolle des Internationalen Währungsfonds bei der Überwachung von Finanzinstituten, denn global operierende Banken brauchen global kooperierende Aufsichtsbehörden,
- eine Verbesserung der Arbeit der Ratingagenturen durch verbindliche Standards -- etwa durch eine internationale Stelle, die die Einhaltung des Verhaltenskodexes für Rating-Agenturen überwacht,
- mehr Absicherung von Risikoprodukten der Finanzwirtschaft durch Risikounterlegung.
- mehr Transparenz bei den gehandelten Produkten der Finanzwirtschaft.
*Die Krise ist eine Chance für die soziale Marktwirtschaft.*
Die Finanzmarktkrise ist weder Staatsversagen noch ein Versagen unserer Sozialen Marktwirtschaft. Die Krise ist vielmehr die Folge der Verletzung der Spielregeln und der ethischen Grundlagen, ohne die eine soziale Marktwirtschaft nicht auskommt. Die soziale Marktwirtschaft bietet geordnete Märkte. Die soziale Marktwirtschaft ist mehr denn je die Ordnung der Zukunft -- denn sie wird dem Freiheitsrecht und der Verantwortungspflicht der Menschen am besten gerecht. Der Staat ist in der Sozialen Marktwirtschaft Hüter der Ordnung. Er muss ein klares und kalkulierbares Rahmenwerk setzen und über die Einhaltung der für alle gültigen Spielregeln wachen.
Wer immer Verantwortung trägt -- sei es in Gesellschaft, Wirtschaft oder Staat -- der muss sich bewusst sein: Vertrauen kann man nur in Menschen setzen, nicht in Geld und nicht in Macht. Solches Vertrauen muss beständig gepflegt werden. Von allen.
Angesichts dieses Hintergrunds möchte ich insbesondere auf Ihre konkrete Frage zum Hunger auf der Welt Folgendes sagen: die durch das Rettungspaket zur Verfügung gestellte Summe ist nicht mit einer tatsächlichen Ausgabe gleichzusetzen.
Deshalb werden Hilfen oder Vergünstigungen, die solche Ausgaben beinhalten -- wie oben beschrieben -- auch die von Ihnen angesprochenen Welthungerhilfen davon nicht betroffen. Zu Ihren moralischen Bedenken hinsichtlich der Unterstützung von verzockenden, sich selbst bereichernden Banken möchte ich noch einmal ganz klar sagen, dass das verabschiedete Rettungspaket eben nicht hierzu gedacht war und so auch nicht wirkt -- im Gegenteil, es soll, wie bereits festgestellt, den Bürgern nützen.
Sie sprachen dann noch deutsche Exporte von Rüstungsgütern an. Die deutsche Rüstungsexportpolitik ist äußerst restriktiv angelegt. Wir erlauben Rüstungsexporte eigentlich nur in verbündete oder befreundete Länder (in NATO und EU). Aber selbst hier gibt es Einschränkungen: So wurden Kaufwünsche des NATO-Mitgliedslandes Türkei in der Vergangenheit in verschiedenen Fällen negativ entschieden. Ein Export in Krisen- und Konfliktgebiete ist vollständig untersagt. Die übrigen Regionen der Welt werden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens äußerst kritisch betrachtet. Die Bundesrepublik Deutschland leistet wichtige Beiträge zur Nichtverbreitung in den Rüstungskontrollgremien der Weltgemeinschaft.
Nur noch in Kürze zu Ihren Anmerkungen hinsichtlich der Entführung eines Bundesbürgers durch die CIA -- ich muss hier mangels einer Namennennung davon ausgehen, dass Sie sich auf den Fall al-Masri beziehen. Natürlich kann eine solche Entführung -- auch politisch -- nicht einfach hingenommen werden. Deshalb ist dieser Fall auch Gegenstand im Verfahren des sogenannten BND-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Karl A. Lamers MdB