Frage an Karl A. Lamers von Heiner S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Lamers,
mich würde interessieren, welche Haltung sie zur embryonenverbrauchende Forschung haben.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Heiner Steinberg
Sehr geehrter Herr Steinberg,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu einer eventuellen Novellierung des Stammzellengesetzes.
Am 11. Dezember 2007 hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einer zweistündigen, sehr ernsthaft geführten Debatte mit einer möglichen Novellierung des Stammzellengesetzes befasst. Dabei wurden – neben dem wissenschaftlichen Sachverhalt – insbesondere die ethischen Probleme, die sich aus einer Änderung oder der Beibehaltung des geltenden Gesetzes ergeben würden, ausführlich und in gegenseitigem Respekt diskutiert. Ausgelöst wurde die Debatte durch eine Stellungnahme, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bereits im Herbst 2006 abgegeben hat. Darin wird insbesondere die Streichung der sogenannten Stichtagsregelung gefordert.
Das Stammzellgesetz verbietet den Import und die Verwendung im Ausland gewonnener menschlichen Stammzellen. Es erlaubt ausnahmsweise die Forschung in engen Grenzen. So müssen z. B die Stammzellen von Embryonen stammen, die ursprünglich für die Herbeiführung einer Schwangerschaft hergestellt wurden (in-vitro-Fertilisation), für die aber keine Chance mehr auf Implantation besteht. Es dürfen nur Stammzellen verwendet werden, die vor dem 01.01.2002 (Stichtag) hergestellt wurden. Nach dem Stichtag durfte die Forschung in Deutschland nicht mehr die Herstellung neuer Stammzelllinien veranlassen.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft argumentiert nun, dass ein großer Teil der vor 2002 hergestellten Stammzelllinien nicht verfügbar oder nur noch eingeschränkt nutzbar sei. Außerdem möchten die Forscher nur solche Zelllinien für Therapien bei Menschen einsetzen, die frei von tierischen Verunreinigungen sind. Derartige Zelllinien wurden aber erstmals 2006 erzeugt. Deshalb möchte die Deutsche Forschungsgemeinschaft den oben erwähnten Stichtag streichen.
Die politische Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen embryonale Zelllinien zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen, berührt tief das Verständnis vom Menschen und seiner unteilbaren Würde. Es handelt sich folglich nicht um eine reine Sachentscheidung, sondern um eine Entscheidung, in die ethische Positionen einzubeziehen sind. Diese sind in einer offenen Gesellschaft naturgemäß nicht einheitlich.
Auch unter den Bundestagsabgeordneten ist das Thema strittig, auch in der CDU/CSU-Fraktion. Fraktionsübergreifend gibt es sowohl Befürworter für eine Beibehaltung der alten Regelung wie auch für eine Verschiebung oder gar komplette Aufhebung des Stichtages. Der Deutsche Bundestag muss eine Entscheidung finden, die sowohl dem Anliegen der deutschen Forscher gerecht wird, als auch mit den ethischen Positionen einer Mehrheit in unserer Gesellschaft vereinbar ist. Das ist eine Gewissensentscheidung, die jede Abgeordnete und jeder Abgeordneter nach seinen eigenen ethischen Maßstäben treffen muss.
Zur Abstimmung im Deutschen Bundestag kommen deshalb fraktionsübergreifende Gruppenanträge, die von Vertretern der unterschiedlichen Positionen in allen Fraktionen formuliert werden und denen sich die Abgeordneten jeweils anschließen können. Die Abstimmung wird am 11. April 2008 im Deutschen Bundestag stattfinden.
Eine eventuelle Novellierung des Stammzellgesetzes wurde auch am 4. Dezember 2007 auf dem CDU-Bundesparteitag erörtert. Der Beschluss des CDU-Parteitags lässt die Frage des Stichtags offen. Er betont, „dass die Achtung der unantastbaren Würde des Menschen der oberste Wert unserer Verfassung ist.“ Die CDU bekräftigt, dass sie sich „weiterhin für einen konsequenten Embryonenschutz einsetzen“ wird.
Ich halte die Forschung mit embryonalen Stammzellen grundsätzlich für ethisch bedenklich. Bei der ersten Abstimmung im Deutschen Bundestag 2002 habe ich für den Antrag zum „Schutz der Menschenwürde angesichts der biomedizinischen Möglichkeiten –Kein Import embryonaler Stammzellen“ gestimmt.
Diese wichtigen ethischen Fragen dürfen nur am Maßstab einer grundsätzlichen Werteorientierung im Sinne des Grundgesetzes sowie des christlichen Menschenbilds beantwortet werden. Der Respekt vor dem Leben eines anderen Menschen ist die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Solange wir nicht mit Gewissheit sagen können, wann menschliches Leben beginnt und dies eine Frage der Definition bleibt, müssen wir den Termin zum frühestmöglichen Zeitpunkt ansetzen.
Ich bin der Ansicht, dass man den Inhalt des 2002 beschlossenen Bundesgesetzes, der das Ergebnis eines Kompromisses war und eine sehr konfliktreiche öffentliche Diskussion beendet hat, nicht unberücksichtigt lassen sollte. Deswegen vertrete ich die Auffassung, dass der 2002 mit dem Stammzellengesetz (StZG) eingeführte Stichtag für die Forschung mit embryonalen Stammzellen beibehalten werden sollte.
Ich unterstütze daher den Antrag, der sich gegen eine weitere Verschiebung des Stichtages und für eine verstärkte Förderung von adulten Stammzellen ausspricht.
Sollte es zu einer zweiten entscheidenden Abstimmung im Deutschen Bundestag zwischen zwei anderen Anträgen kommen, werde ich den Antrag unterstützen, der meiner Position dann am ehesten entspricht, um den Beschluss noch weitergehender Anträge zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Karl A. Lamers MdB