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Kai Wegner
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Frage von Peter S. •

Frage an Kai Wegner von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Wegner,

auf Ihrer Homepage fand ich zufaellig folgendes Zitat von Ihnen: "Als Jurist sollte Herr Gysi wissen, dass Gewaltenteilung und unabhängige Justiz zu den fundamentalen Rechtsstaatsprinzipien zählen".
Was Herr Gysi wissen muesste ist dabei zunaechst irrelevant, was mich viel mehr interessiert ist, warum diesen Prinzipien im heutigen Deutschland nicht Folge geleistet wird.
Denn es ist doch so, dass soweit ich es ueberblicke alle MItglieder der Exekutive (unsere Regierung) auch Mitglied der Legislative (Bundestag) sind. Inwiefern sehen Sie da eine Teilung dieser beiden Gewalten? Desweiteren ist es doch auch so, dass die Mitglieder des Bundesverfassungsgericht (Judikative) wiederum von der Legislative bestimmt werden, oder Abgeordnete gleich juristisch unerfahrene Politiker wie Peter Mueller zu Verfassungsrichtern machen. Und was meines Erachtens wirklich problematisch ist, dass Staatsanwaelte weisungsgebunden sind, also eben nicht unabhaengig in der Entscheidung sind gegen wen sie ermitteln und wen sie anklagen. Wo bitte ist da eine Gewaltenteilung zu erkennen? Da ist doch alles mit allem verwoben und eine Teilung nicht zu erkennen. Oder was verstehe ich jetzt falsch?
Ich bedanke mich schon an dieser Stelle fuer eine Antwort.

MfG

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Stauvermann,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 22. Oktober 2014 zum Grundprinzip der Gewaltenteilung in Deutschland. Gerne nehme ich zu Ihren Ausführungen Stellung.

Gewaltenteilung ist ein Erkennungszeichen jeder wirklichen Demokratie. In erster Linie müssen die Gerichte von der Regierung unabhängig sein und sich nur nach den Gesetzen richten. Zwar trifft es zu, dass Staatsanwälte der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte unterliegen. Das Weisungsrecht der vorgesetzten Stellen wird jedoch durch das Legalitätsprinzip und die Bindung an geltendes Recht beschränkt. Insbesondere die Strafbarkeit der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 Strafgesetzbuch) und der Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) begrenzen das Weisungsrecht. Entscheidend für die Unabhängigkeit der Justiz ist aber ohnehin die Unabhängigkeit des Richters. Durch sie wird die für den Rechtsstaat unerlässliche Gewaltenteilung garantiert und sichergestellt, dass der rechtsunterworfene Bürger sich einem neutralen Richter gegenübersieht. Die richterliche Unabhängigkeit ist das grundlegende Merkmal einer rechtsstaatlichen Rechtspflege.

Exekutive und Legislative sind in einem parlamentarischen Regierungssystem wie der Bundesrepublik Deutschland keine strikten Gegenspieler. Die Gewaltenverschränkung liegt darin begründet, dass laut Grundgesetz der Bundeskanzler vom Bundestag gewählt wird und von ihm über das konstruktive Misstrauensvotum auch wieder abberufen werden kann. Auf der anderen Seite kann der Bundeskanzler über die Vertrauensfrage eine Auflösung des Bundestages herbeiführen. Deshalb sind die Bundesregierung und die Parlamentsmehrheit, die die Regierung trägt, wechselseitig aufeinander angewiesen. Nur wenn beide Seiten zusammenarbeiten, kann in einem parlamentarischen Regierungssystem stabil regiert werden.

In der Praxis bilden die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung einen gemeinsamen Entscheidungskörper, der in der Politikwissenschaft als Regierungsmehrheit bezeichnet wird. Doch auch innerhalb der Regierungsmehrheit kontrollieren die Abgeordneten der Regierungsfraktionen die Regierung. Diese Kontrolle erfolgt jedoch eher intern. Der Regierungsmehrheit steht aber auch die parlamentarische Opposition entgegen. Die Opposition kontrolliert die Regierung öffentlichkeitswirksam. Ihr stehen wichtige Instrumente zur Verfügung, um ihre Kontrollfunktion effektiv auszuüben, etwa Anfragen und Untersuchungsausschüsse. Hier genießt die Opposition spezielle Minderheitenrechte. Weil Pressefreiheit herrscht, können außerdem die Massenmedien auf Machtmissbrauch im Staat oder in der Gesellschaft aufmerksam machen - oft mit durchschlagendem Erfolg.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu der Wahl der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht. Deren Wahl erfolgt nicht durch den Bundestag, sondern je zur Hälfte vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestags und zur anderen Hälfte vom Bundesrat. Entscheidend ist jedoch, dass die Wahl auf 12 Jahre erfolgt und eine Wiederwahl nicht möglich ist. Dies stärkt die Unabhängigkeit der Richter, weil es keine Motivation gibt, sich durch Entscheidungen, die den Mitgliedern des Wahlausschusses genehm sein könnten, für eine Wiederwahl zu empfehlen.

Auch wenn ich die Praxis der Gewaltenteilung in Deutschland als legitim und bewährt betrachte, nehme ich ihre Kritik und ihre Hinweise trotzdem ernst. Es muss immer darum gehen, den Prinzipien der Transparenz, der Verantwortlichkeit und der guten Ordnung des Gemeinwesens zu größtmöglicher Geltungskraft zu verhelfen. Hierfür setze ich mich mit Nachdruck ein.

Mit den besten Grüßen

Kai Wegner

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