Portrait von Julia Schramm
Julia Schramm
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Julia Schramm zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Florian L. •

Frage an Julia Schramm von Florian L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Hallo Frau Schramm

wäre es nicht günstig, die Freibeträge für Eltern zu erhöhen und stattdessen das Elterngeld zu senken oder gar abzuschaffen?
Würde somit nicht ein kinderreicher Haushalt mit arbeitendenen Eltern gestärkt?

Würden die Piraten weiter an den 400 € Jobs festhalten?
Sollten diese Stellen nicht erheblich eingedämmt werden?

Wie stehen Sie zur Personalvermittlung/Zeitarbeit?

Wissen Sie, dass es auf dem Brüser Berg Firmen gibt die sich zu 75 % mit solchen Kräften am laufen halten und das seit 4 - 5 Jahren? Es soll dort auch Arbeitskräfte geben die seit 4 - 5 JAhren nicht fest eingestellt werden. Gleiches gilt für eine "soziale Bank" auf der Ministeriumsmeile und einigen größeren Firmen in Richtung Bonner Innenstadt.

Sehen Sie die Zeitarbeit eigentlich als NAchteil für den Wirtschaftsfaktor?

Wie stehen Sie zu dem Verfassungsschutzbericht NRW und der Beobachtung von Zeitungen/Zeitschriften?
Ist hier nicht eine parteiische Tendenz der ehemaligen u. aktuellen Regierungsparteien erkennbar, die darauf abzielt andere politische Schriftstücke auszumerzen?

Würden die Piraten den VBericht beibehalten?

Viele Grüße...

Portrait von Julia Schramm
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Lessel,

entschuldigen sie bitte zunächst die späte Antworten. Sie haben da einen Fragensturm abgefeuert, den ich erstmal reflektieren musste. Gut so! Bitte seien sie mir aber deswegen auch nicht böse, wenn ich ihnen die Fragen überwiegend mit meiner persönlichen Meinung beantworte, da wir als junge Partei zu vielen, gerade wirtschaftsrelevanten Themen, noch keine eindeutigen Positionen haben!

Ich bin generell der Meinung, dass die Freibeträge für Geringverdiener erhöht werden müssen bzw. die Steuern gesenkt. Die Steuerlast ist unverhältnismäßig auf dem Mittelstand und den Haushalten mit geringen Einkommen konzentriert. Auch wenn es ihnen populistisch erscheinen mag, finde ich es doch ein Unding ist, dass sich gut verdienende und gar reiche Bürger dank eines Steuerberaters um ihren Beitrag zum Gemeinwesen drücken können! Natürlich muss man sehen, dass sich jeder so verhalten würde, schließlich sind viele der Schlupflöcher im Steuersystem eine willkommene Einladung. Dennoch braucht ein Sozialstaat, der sich der "sozialen Marktwirtschaft" verschrieben sehen will, ein ordentliches Steueraufkommen.

Die Zeitarbeit ist in der Tat ein schwieriges und komplexes Thema, zu dem ich mich, da ich meine Schwerpunkte in der Bildungspolitik und Demokratietheorie habe, nur bedingt qualifiziert äußern kann bzw. sehr weit ausholen muss, so dass ihre Fragen wohl in einem Wust allgemeiner Floskeln untergehen. Ich denke, dass befristete Arbeitsverträge, "Endlos-Praktikanten" und Zeitarbeit bzw. Leiharbeit das Resultat einer Verschiebung der Prioritäten darstellen. Die Globalisierung (sie sehen, die Floskeln beginnen bereits!) hat die Koordinaten der Arbeitswelt fundamental verändert. Dem können wir nur mit Solidarität begegnen, denn während die sozialen Bedingungen für die Normalbürger beständig prekärer werden, werden die Reichen immer vermögender. (Die berühmte Schere zwischen arm und reich geht nunmal immer weiter auseinander!) Wir Piraten haben zu all diesen Themen noch keine Stellung bezogen, da es sich um derart komplexe Vorgänge handelt, dass wir erstmal unsere Kernthemen ordentlich gestalten wollen, bevor wir uns zu unfundierten Forderungen hinreißen lassen, um der Masse eventuell zu gefallen.

Zum Thema Wirtschaftsfaktor möchte ich an dieser Stelle noch das Beispiel Götz Werner anführen, der mit DM eine der erfolgreichsten Firmengeschichten Deutschlands verbuchen kann. Werner setzt hierbei auf eine kooperative und faire Behandlung seiner Mitarbeiter, versucht ihnen Sicherheit zu geben und die Möglichkeit sich zu entfalten - ich behaupte, dass der Erfolg ihm Recht gibt. Mehr und mehr Studien zeigen, dass es wichtig und erfolgsfördernd ist Mitarbeiter zu motivieren, sie fair zu behandeln, sie Teil haben zu lassen an der Firma und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie gebraucht werden und gewollt sind. An dieser Stelle muss es in meinen Augen einen Mentalitätswechsel geben - denn unmotivierte und ängstliche Mitarbeiter können auf Dauer keinen Erfolg bringen. Nachhaltigkeit muss hier vor Profit gehen. Deswegen: Ja, ich halte Ausbeute für einen wirtschaftlichen Nachteil!

Sie sehen, ich selbst bringe hier eine gehörige Portion Idealismus mit und bin mir absolut bewusst, dass unser Wirtschafts- und Finanzsystem grundlegend erkrankt ist. Man betrachte nur die Finanzkollapse von diversen Banken und nun auch Staaten.

Zum Thema Verfassungsschutz - Piraten wollen Transparenz, deswegen fordern wir die Offenlegung von den Vorgängen innerhalb des Verfassungsschutzes. Durchaus ist der Verfassungsschutzbericht ein Instrument um politische Aktivisten aller Couleur zu brandmarken, bei gleichzeitigem "Engagement" des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD - auf Steuerkosten. Wen beobachtet der Verfassungsschutz noch? Wie tut er das? Wen hat er infiltriert? Und wie kommt er zu seinen Ergebnissen? Ich weiß, dass diese Forderung nach Transparenz radikal erscheinen mag, aber ich denke nicht, dass diese Vorgänge weiter unbekannt stattfinden dürfen. Staatsschutz hin oder her.

Ich hoffe, dass ich ihnen einen Eindruck meiner Positionen vermitteln konnte. Als Abgeordnete im Landtag hat man immer beschränkte Möglichkeiten, aber mein Weltbild, und das der Piraten, ist von Solidarität und Freiheit geprägt, von der Überzeugung, dass größtmögliche Freiheit und größtmögliche Chancengleichheit machbar und notwendig sind!

Mit freundlichen Grüßen,

Julia Schramm