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Frage von Karim H. •

Frage an Julia Schramm von Karim H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Julia,

sehr interessiert habe ich die Debatte um die Kreuze in niedersächsischen Schulen verfolgt. Mich würde interessieren, wie die Piratenpartei zu der Trennung zwischen Staat und Kirche im Allgemeinen und speziell in diesem Beispiel steht.

Gruß,
Karim

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Antwort von
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Lieber Karim,

danke für deine Frage. Bisher haben wir in keinem Wahl- oder unserem Parteiprogramm diesbezüglich klare Aussagen getroffen, so dass ich meine persönliche Meinung in den Vordergrund stellen werde. Das Thema wird jedoch auch in unseren Reihen rege diskutiert, so dass auf dem kommenden Bundesparteitag in Bingen (15.5-16.5) ein Antrag zum Thema "Laizismus" diskutiert und abgestimmt wird.

Ich persönlich bin kein Anhänger einer bestimmten Religion, so dass mich die Debatte um religiöse Symbole in Schulen emotional nicht berührt oder gar angreift. Ich vertrete allerdings den Standpunkt, dass der Staat sich keiner Ideologie (wozu ich Religionen zähle) verpflichten darf und weltanschaulich neutral sein MUSS. Dies entspricht auch der Meinung der Piratenpartei, die sich generell post- ideologisch positionieren will und dies bisher auch ganz gut schafft, wie ich finde.

Ein säkularer Staat muss somit das Ziel und eine Selbstverständlichkeit sein, was jedoch nicht bedeutet, dass Religion keinen Platz in der Gesellschaft haben soll. Ganz im Gegenteil erkenne ich an, dass der Mensch ein metaphysisches Bedürfnis hat sich seine eigene Existenz in einem höheren Ordnungsrahmen zu erklären - Religion leistet dies auf intellektuell anspruchsloser und emotional hoch wirksamer Ebene. Darüber hinaus geht die Zahl der Gläubigen zwar zurück, doch sieht sich die Mehrheit der Bevölkerung immer noch einer religiösen Gruppe oder Religion zugehörig. Dies gilt es zu akzeptieren. Darüber hinaus leistet die Kirche einen wichtigen sozialen Beitrag, tritt dort zu Tage, wo sich der Staat verabschiedet hat oder gar nicht engagiert. Ich selbst habe jahrelang in der evangelischen Kirchengemeinde meiner Heimatstadt ehrenamtlich gearbeitet, so dass ich das Recht der Religionsgemeinschaften Steuern einzuziehen nicht antasten wollen würde.

Nichtsdestotrotz vertrete ich den Standpunkt, dass Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen (so genannte Kruzifix-Urteil von 1995) anerkannt und implementiert werden müssen. Ich persönlich finde, dass religiöse Symbole keinen Platz in der Schule haben dürfen, denn eine weltanschaulich neutrale Schule muss der bildungspolitische Standard sein. Deswegen halte ich es auch für sinnvoll den spezifischen Religionsunterricht abzuschaffen und ein Fach "Ethik" einzuführen, in dem grundlegend über Religion, Philosophie, Glaube und Moral reflektiert und gelernt wird.

Auf der anderen Seite versteht sich die Piratenpartei auch als pragmatisch und volksnah, so dass eine staatliche Regelung "von oben herab" nicht radikal gegen den Willen der Bürger erzwungen werden darf. Gerade in stark christlich geprägten Gebieten kann eine radikale Entfernung christlicher Symbole zu Problemen und Protesten führen. Dies gilt es ebenfalls zu berücksichtigen, so dass eine sanfte "Entreligiösisierung" der Schulen das Ziel sein sollte.

Das Problem ist vielfältig und komplex. Grundsätzlich ist die Dichte der religiösen Piraten gering, die Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz hoch und somit die Forderung nach einer deutlichen Trennung von Kirche und Staat tief verankert. Aber Piraten sind auch tolerant - was man von vielen religiös motivierten Menschen und Politikern nicht immer behaupten kann!

Ich hoffe, dass ich deine Frage zufriedenstellend beantworten konnte!

Beste Grüße,
Julia Schramm