Frage an Julia Klöckner von Sebastian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Klöckner,
vergangenen Sommer haben Sie dem Integrationsgesetz und dem damit einhergehenden Sprachnachweis zum Ehegattennachzug zugestimmt.
Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass der chinesische Ehegatte eines in Deutschland lebenden Österreichers keine Sprachkenntnisse vor dem Ehegattennachzug nachweisen muss, jedoch der chinesische Ehegatte eines Deutschen? Stimmen Sie mir zur, dass es sich um Inländerdiskriminierung handelt?
Der Sprachnachweis wird von der Bundesregierung systematisch verharmlost. Die Realität zeigt jedoch, dass die Durchfallquoten exorbitant hoch sind und die Vorbereitungszeiten je nach Umstand zwischen 3 und 12 Monaten liegen. Erachten Sie aus pädagogischer Sicht den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse in einer Umgebung, in der kein Mensch Deutsch spricht, als sinnvoll?
Sie sind studierte Theologin und auf Ihrer Homepage schreiben Sie unter der Rubrik „Fragen und Antworten“, dass Sie Christin sind, kirchliche Feiertage begehen etc.
Vor diesem Hintergrund wundert es mich doch sehr, dass Sie einem Gesetz zugestimmt haben, das binationale Ehen vor sehr hohe Hürden stellt und das eheliche Zusammenleben um viele Monate hinauszögert. Finden Sie es moralisch vertretbar, anderen Ehepartnern das Recht auf ein Zusammenleben abzusprechen, nur weil ein Ehepartner noch keine deutschen Sprachkenntnisse nachweisen kann?
Steht dieses Gesetz Ihrer Meinung nach nicht in krassem Widerspruch zu Art.6 GG?
Ich bin Deutscher, habe keinen Migrationshintergrund, einen Universitätsabschluss und eine gut bezahlte Arbeitsstelle. Meinen Sie, bei meiner ausländischen Ehegattin bestünde die Gefahr, dass sie in eine Parallelgesellschaft untertaucht und sich nicht in die deutsche Gesellschaft integriert? Und vor allem, sind Sie der Meinung, dass durch den Sprachtest dieser Gefahr effektiv Einhalt geboten wird?
Über eine Antwort wäre ich hoch erfreut.
Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Köster
Lieber Herr Köster,
haben Sie vielen Dank für Ihre interessanten Fragen zum Thema Sprachnachweis bei Ehegattennachzug.
Kernziel des Sprachnachweises vor dem Ehegattennachzug ist es, Zwangsehen zu
verhindern. Die Regelung richtet sich insbesondere an Frauen, vor allem auch an die vielen türkischen Frauen, die vor dem Zuzug in ihrer sprachlichen und damit in ihrer sozialen Kompetenz gestärkt werden sollen. Denn keine ausländische Frau kann Hilfe gegen Zwangsehen in Anspruch nehmen, wenn sie nicht wenigstens ein bisschen Deutsch versteht. Wenn die betroffenen Frauen erst einmal in Deutschland sind, ist der Weg zur Selbstbestimmung gewiss nicht leichter - und integrationsferne Ehemänner werden ihre Frauen gewiss nicht übereifrig dann in Deutschland in Sprachkurse "schicken". Der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse ist nicht als Diskriminierung gedacht, sondern soll Ausländern, die nach Deutschland kommen, die Integration erleichtern. Die dahinterstehende Idee war die Tatsache, dass viele nachziehende Ehegatten, die meisten von ihnen Frauen, vor der Einreise keine Deutschkenntnisse hatten und sich daher nicht richtig einleben und einbringen konnten. Auch nach mehreren Jahrzehnten in Deutschland nicht. Der Sprachnachweis ist nicht als Schikane gedacht, sondern soll der Tatsache entgegenwirken, dass viele Ausländer über mehrere Jahrzehnte hier leben, ohne sich je integriert zu haben. Wir wollen Integration fördern, und zu erwarten, dass jemand einfache Dinge verstehen und sprechen kann, finde ich persönlich nicht zu viel verlangt.
Lieber Herr Köster, ich sehe den Sprachnachweis nicht als Grundrechts- oder gar Menschenrechtsverletzung, sondern als das A und O einer gelingenden Integration. Deutschkenntnisse und das Sprechen einer gemeinsamen Sprache sind der Schlüssel zum Integrationserfolg. So ist zu bedenken, dass Deutsch zu sprechen auch eine Bedingung dafür ist, dass Frauen sich im eventuellen Falle häuslicher Gewalt wehren und Nachbarn oder die Polizei zu Hilfe holen können. Es spricht kein vernünftiges Argument dagegen, dass ausländische Ehegatten des Deutschen mächtig sein sollen, bevor sie in unser Land kommen. Der Erwerb wenigstens rudimentärer Kenntnisse der deutschen Sprache sollte doch letztlich auch in ihrem eigenen Interesse sein. Sie fragen, ob es denn "aus pädagogischer Sicht" sinnvoll sei, Deutsch in einer Umgebung zu lernen, in der keiner Deutsch spricht? Ein klares Ja! Warum denn nicht? Ist denn der Erwerb einer Fremdsprache, zumal der Sprache des Landes, in dem man beabsichtigt die nächsten Jahre zu leben, nicht immer pädagogisch wertvoll? Abgesehen davon, ist lediglich der Nachweis sehr einfacher Deutschkenntnisse zu erbringen. Es wird nicht mehr als der unterste erreichbare Sprachkenntnisstand verlangt (A1). Es geht darum, sich mit einem aktiven Wortschatz von etwa 600 Wörtern in Alltagssituationen verständigen zu können und diese Lernleistung ist meiner Meinung nach zumutbar. Ich denke, dass es doch das Anliegen eines Jeden sein sollte, die Sprache des Landes sprechen zu können, in dem man lebt. Insofern ist die Regelung dann doch auch keine Strafe, sondern unterstützt eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit.
Sie sprachen den Artikel 6 des Grundgesetzes an. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es keinen Rechtsanspruch darauf gibt, eine Ehe in Deutschland zu führen: Das Grundrecht auf freie Eheschließung und der staatliche Schutz der Ehe nach Art. 6 GG bedeuten nicht, dass der Staat in jedem Fall den Lebensmittelpunkt der Ehe in Deutschland gewährleisten muss.
Ja, ich bin studierte Theologin, und meiner Ansicht nach gehört es gerade zum christlichen Menschenbild, dass Frauen und Männer gleichberechtigt leben und in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn nur ein Ehepartner Deutsch spricht, und der andere in dieser Hinsicht von ihm abhängig ist, ist ein gleichberechtigtes Miteinander nur bedingt möglich. Den Ehepartnern wird mit der Regelung ja auch nicht das Recht auf ein Zusammenleben abgesprochen. Das Zusammenleben wird im schlimmsten Fall um einige Monate verzögert. Im Übrigen dürfte ein Umzug nach Deutschland ja auch nicht von heute auf morgen geschehen, sondern ist bereits länger geplant, so dass in der Regel auch die Möglichkeit besteht, die Kenntnisse frühzeitig zu erwerben und es somit nicht zu einer zusätzlichen Verzögerung des Zusammenlebens kommt.
Natürlich ist ein bestandener Sprachtest alleine noch kein Garant für eine gelingende Integration, dazu bedarf es mehr. Minimale Sprachkenntnisse sind allerdings die Grundlage, und ich bin überzeugt davon, dass wir mit dieser Regelung einen richtigen Schritt hin zu mehr Integration in Deutschland und zur Vermeidung von Parallelgesellschaften gehen.
Herzliche Grüße,
Julia Klöckner