Frage an Julia Klöckner von Dieter B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Klöckner,
mit großer Irritation verfolge ich seit geraumer Zeit die zunehmenden Schwierigkeiten der lebensmittelproduzierenden Unternehmen bzw. der Landwirte, auf der Basis ihrer Investitionen und ihrer täglichen Arbeit ein entsprechendes Auskommen zu erzielen. Aufgrund eines in der letzten Woche ausgestrahlten Berichtes im ZDF ( 37 Grad Titel: 200 Kühe inklusive) möchte ich es einmal an dem Beispiel der Michbauern festmachen, die für ein sehr hochwertiges Lebensmittel nur noch Ramschpreise erzielen können und damit nicht mehr ihre Höfe bzw. Betriebe sichern können.
Meine E-Mail habe ich bewusst in die Kategorie Wirtschaft eingeordnet, da die Landwirte von heute m.E. Unternehmer sind.
Was tun Sie im Falle ihrer Wahl dafür, dass die Landwirte als Unternehmer mit ihren Betrieben auf einer stabilen Plannugsgrundlage wirtschaften bzw. investieren können und einen fairen ROI (Return on Invest) für eine qualitativ sehr hochwertiges Produkt bekommen, also genau so wie ein mittelständiger Unternehmer der Werkzeuge oder Maschinen produziert?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Büttenbender
Sehr geehrter Herr Büttenbender,
Vielen Dank für Ihre Mail zum Thema Landwirtschaft.
Die Politik der CDU/CSU-Fraktion ist daran ausgerichtet, in Deutschland eine leistungsfähige Produktion von qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu ermöglichen. Wir dürfen uns trotz globaler Verflechtungen in der Nahrungsmittelproduktion nicht von anderen Herkünften abhängig machen. Dies gewährleistet auch eine stabile und sichere Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu angemessenen Preisen und in hoher Qualität. Deshalb setzt die CDU/CSU-Fraktion auf eine flächendeckende Land- und Forstwirtschaft und eine starke Ernährungswirtschaft in Deutschland.
Unser Ziel ist, dass die deutsche Agrarwirtschaft auf regionalen und internationalen Märkten bestehen kann und zur Welternährung beiträgt. Die Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen zur energetischen und stofflichen Verwendung gehört ebenso zu den zukünftigen Aufgaben wie der Erhalt der vielgestaltigen Kulturlandschaft. Dies ist der Grund, warum die CDU/CSU-Fraktion der Agrarpolitik eine so große Bedeutung beimisst. Der ländliche Raum braucht auch eine starke Agrar- und Ernährungswirtschaft.
Die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft muss sich aber auch auf eine zunehmende Konkurrenz auf den Weltmärkten und auf zunehmende Preisschwankungen einstellen. Wir haben auf die veränderten Rahmenbedingungen bereits mit einer Marktorientierung und einer Öffnung der Agrarpolitik geantwortet. Wir werden diesen Weg weitergehen und Investitionen in Forschung und Entwicklung und in die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe fördern. Wir werden den Export unserer landwirtschaftlichen Rohstoffe und der verarbeiteten Produkte unterstützen, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Veredlungs- und Milchwirtschaft haben dabei für uns hohe Priorität. Die Exportinitiative des BMELV (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft Verbraucherschutz) hat dabei sehr gute Rahmenbedingungen geschaffen. Wir wollen aber auch ein verlässliches Sicherheitsnetz bieten. Die Leistungen, die die Landwirtschaft zusätzlich für die Gesellschaft erbringt, müssen honoriert und hohe Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzstandards abgegolten werden.
Besondere Bedeutung hat für uns der Milchstandort Deutschland. Die Milchwirtschaft ist der umsatzstärkste Produktionszweig der deutschen Landwirtschaft. Für ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe stellt die Milch, oft ohne wirkliche Alternative, die Haupteinnahmequelle dar. Sie leistet besonders auf benachteiligten Standorten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Pflege der Kulturlandschaft und ist von größter Bedeutung für den ländlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarkt. In vielen Regionen ist sie auch eine Grundlage des ländlichen Tourismus.
Deutschland ist der größte Milcherzeuger in der EU und der viertgrößte weltweit. Wir wollen, dass Deutschland Milchland Nummer 1 in Europa bleibt. Dass die Milchwirtschaft derzeit eine schwierige Phase durchläuft, ist uns bewusst. Der dramatische Preisverfall für Milch und der damit einhergehende Gewinnrückgang treffen die hart arbeitenden Milchbauernfamilien sehr. Diesen Menschen wieder eine Perspektive zu geben und ihnen zu helfen, sich aus dieser existenzgefährdenden Lage wieder zu befreien, ist für uns eine hohe Verpflichtung.
Wir setzen bei der Diskussion der Mittel und Wege zur Bewältigung dieser Situation aber nicht auf populistische Forderungen oder leichtfertige Ankündigungen, sondern auf klare Aussagen und konkrete Maßnahmen zur Entlastung der Betriebe. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft eingeleitet, die kurzfristig die Liquidität der Betriebe sichern und für Kostenentlastungen sorgen.
Auf Nachdruck Deutschlands wurde im Rahmen des Health Checks (Generalüberprüfung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik, die auch als Gesundheitscheck /"Health-Check" bezeichnet und im November 2008 abgeschlossen wurde) ein Milchfonds eingerichtet, für den ab 2010 ansteigend Mittel zur Verfügung stehen (2013 etwa 350 Mio. €). Der PLANAK (Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz, in dem die Agrarminister von Bund und Ländern sowie der Bundesminister der Finanzen zusammenkommen, um den Rahmenplan für die Durchführung der GAK festzulegen) hat beschlossen, die Mittel innerhalb der GAK (Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes") besonders den Milchviehbetrieben zur Verfügung zu stellen.
Im Rahmen eines EU-Konjunkturprogramms stehen für Deutschland etwa 87 Mio. € für die ländliche Entwicklung bereit, 50 Mio. € bereits in 2009. Die Länder wurden aufgefordert, die Mittel für Milchbegleitmaßnahmen einzusetzen. Deutschland konnte bei der EU-Kommission erreichen, dass die Betriebsprämie bereits vorzeitig ausgezahlt werden können. Die landwirtschaftliche Rentenbank hat ihr Förderprogramm „Liquiditätssicherung“ für Milchviehbetriebe geöffnet. Die Zinssätze sind deutlich geringer als eine alternative Finanzierung über Kontokorrent oder ein marktübliches mittelfristiges Darlehen. Der Bund hat darüber hinaus 25 Mio. Euro für Zinsverbilligungen bei Liquiditätshilfen bereit gestellt, um die Konditionen der Liquiditätshilfedarlehen weiter zu verbessern. Am 19. Juni 2009 hat der Bundestag eine weitere Entlastung beschlossen. Die unter Ministerin Künast eingeführte Begrenzung der Agrardieselvergütung durch einen Selbstbehalt von 350 €/Betrieb und Jahr und eine Verbrauchsobergrenze von 10.000 Litern je Betrieb wird zunächst für die Verbrauchsjahre 2008 und 2009 rückgängig gemacht. Wir wollen diese Vergünstigung verstetigen.
Insgesamt tragen diese Maßnahmen konkret zur Entlastung der Milchvieh haltenden Betriebe und ihrer Familien bei und helfen, die derzeit schwierige Lage auf dem Milchmarkt zu überstehen.
Zur zukünftigen Milchpolitik kann man sagen, dass wir, agrarpolitisch betrachtet, wissen, dass die Milchquote 2015 wegfallen wird. Wir wollen den Umstieg in ein durch den Markt gesteuertes System aktiv gestalten und begleiten. Die CDU hat sich im gemeinsamen Regierungsprogramm mit der CSU dazu bekannt, unsere heimischen Milchbauern nicht ungeschützt und unvorbereitet den Folgen dieser gravierenden Veränderung auszusetzen und dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen. Dabei stehen vor allem die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionsförderung und die Sicherung der Milcherzeugung in naturräumlich benachteiligten Regionen im Vordergrund. Damit die Landwirte in Zukunft Marktschwankungen besser verkraften können, werden wir beispielweise die vom Deutschen Bauernverband vorgeschlagene Risikorücklage einführen. Eine der zentralen Zukunftsaufgaben der Milchwirtschaft ist die Verbesserung der Strukturen und der Marktstellung der Molkereien. Von politischer Seite werden wir dies begleiten und auch die Erschließung von Exportmärkten unterstützen. Voraussetzung ist allerdings das Engagement des Berufstandes und der Branche selbst.
Gerade die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich immer für die berechtigten Interessen der Milchbauern eingesetzt und wird auch in Zukunft dem wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionszweig seine volle Aufmerksamkeit widmen.
Das zentrale politische Ziel höherer Milchabgabepreise ((europaweite) Vereinigung mehrerer Landesorganisationen von Milchviehhaltern mit dem Ziel der Durchsetzung kostendeckender (höherer) Erzeugermilchpreise für die Milchbauern) unterstützen wir nachhaltig. Forderungen einzelner Interessengruppen nach einer flexiblen Steuerung des Milchangebotes durch ein Milch Board können wir uns allerdings nicht anschließen, da sie unserer Ansicht nach nicht durchsetzbar und rechtlich nicht umsetzbar wären. Eine einseitige nationale oder europäische Mengensteuerung würde außerdem nach unserer Überzeugung bei sonst offenen Grenzen auch keine preisstabilisierende Wirkung haben. Im Gegenteil: Wir würden auf dem Weltmarkt Marktanteile verlieren.
Nach unserer Überzeugung ist ein freiwilliger Verzicht auf Marktanteile durch eine einseitige Marktabschottung nicht zielführend und für den Exportweltmeister Deutschland international auch nicht möglich. Deutschland ist ein erfolgreiches Agrarexportland. Alleine bei Milch betrug der Exportanteil im vergangenen Jahr 44 %. Andere Milchlieferländer stehen gerne zur Übernahme der Marktanteile bereit, falls sich Deutschland abschotten sollte.
Unsere Politik ist es, klare politische Entscheidungen zu treffen, wie es beispielsweise beim Auslaufen der Milchquote nötig ist, um Betrieben eine Planbarkeit und Ausrichtung zu ermöglichen. Die Milchquote als Instrument der Mengensteuerung ist gescheitert und passt von der Idee her auch langfristig nicht in die heutige Zeit. Aufgabe der Politik ist es, Instrumentarien zu entwickeln, die den Quotenausstieg begleiten, den Strukturwandel im Blick haben und die deutsche Landwirtschaft zukunftsorientiert aufstellen können.
Als weitere Maßnahme für den Milchsektor muss auch der Absatz von Milchprodukten wieder gestärkt werden. Deshalb werden wir uns weiter massiv gegen den Ersatz von Milchprodukten in Lebensmitteln, z.B. durch Analog-Käse stark machen. Letztlich war es die Unionsfraktion, die das Thema in die politische Diskussion und damit in die öffentliche Wahrnehmung gebracht hat. Die Arbeitsgruppe für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Unionsfraktion hat darüber hinaus angeregt, eine nationale Dachorganisation für die Exportförderung und die Imagewerbung im Inland, insbesondere für Milchprodukte zu gründen. Das BMELV wurde gebeten, hierzu auch Mittel im Agrarhaushalt zur Verfügung zu stellen. Dies ist von der Bundesregierung zugesagt worden.
Sehr geehrter Herr Büttenbender, ich hoffe, dass Sie anhand dieser Aufstellung erkennen, auf welcher Seite die Unionsfraktion im Bundestag steht. Wir stehen auf der Seite der Milchbauern, die ein Maximum an möglichen Hilfen erhalten, denen wir aber auch gleichzeitig mit ehrlichen Aussagen über die Grenzen staatlichen Handelns eine verlässliche Grundlage für die richtigen zukunftsweisenden Entscheidungen geben.
In diesem Sinne
herzliche Grüße
Julia Klöckner