Portrait von Jürgen Mistol
Jürgen Mistol
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin S. •

Teile der AfD sind gesichert rechtsextrem, die gesamte AfD ist ein rechtsextremistischer Verdachtsfall. Werden Sie sich für eine Bundesratsinitiative zur Prüfung eines AfD-Verbots einsetzen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage. 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine moderne, freiheitliche, demokratische, pluralistische und soziale Gesellschaft. Da die AfD sich klar gegen diese Grundüberzeugungen positioniert, bekämpfen wir sie. Die AfD greift Freiheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an und will zurück in die muffige und restaurative Zeit der 1930er oder 1950er Jahre – und wir alle wären die Leidtragenden.

Die politische Arbeit der AfD ist darauf ausgelegt unsere Gesellschaft nach Religionen, Ethnien und Hautfarben zu spalten. Mit solchen Standpunkten steht sie dabei eindeutig gegen eine weltoffene, humanistische, pluralistische und umweltfreundliche Gesellschaft. Die AfD ist eine Feindin der Demokratie. Zurecht wird sie darum vom Verfassungsschutz beobachtet.

Im Hinblick auf ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht bitte ich Sie aber zu bedenken, dass dies zu Recht und zum Schutz der Demokratie hohe Hürden hat. Der Ausgang eines solchen Verfahrens kann nicht vorhergesagt werden. Es besteht somit zum jetzigen Zeitpunkt das Risiko, der AfD durch einen solchen Antrag im Moment eher zu nutzen als zu schaden. Außerdem könnten wir in der aktuellen Situation mit einem solchen Antrag die WählerInnen der AfD nicht für die Demokratie zurückgewinnen, sondern würden sie eher zusätzlich vor den Kopf stoßen.

Statt einer Diskussion über einen Parteiverbotsantrag ist es darum derzeit wichtiger, sich mit den Argumenten, Forderungen und Positionen der AfD inhaltlich auseinanderzusetzen. So würde beispielsweise deren Polemik gegen Europa und ein Austritt Deutschlands aus der EU zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen führen. Vielen SympathisantInnen der AfD ist dies nicht bewusst. Der Wohlstand in diesem Land wird durch die AfD massiv gefährdet. Dies sollten wir alle möglichst wirkungsvoll bekanntmachen und so die AfD bekämpfen.

Die AfD grenzt sich auch nicht hinreichend vom Rechtsextremismus ab. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgesprochen wichtig. Darum heißt es im Wahlprogramm zur bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023:

„Wir GRÜNE stehen an der Seite aller Demokrat*innen. Wir treten konsequent und entschieden ein gegen Demokratiefeind*innen, Reichsbürger*innen, religiöse Extremist*innen und Verschwörungsideolog*innen, aber auch gegen Hassrede, Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung. Rechtsextremismus stellt aktuell die größte Gefahr für die innere Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bayern dar. Rechtsextreme Hetze, Rassismus, antisemitische Vorfälle und Gewalttaten sowie die verschwörungsideologische Szene haben in den vergangenen Jahren in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen und dürfen nicht verharmlost werden. Wir bauen die digitalen Analysekapazitäten in den Sicherheitsbehörden aus: Täter*innen, die sich primär über soziale Netzwerke, Foren und Plattformen organisieren und radikalisieren, dürfen nicht länger unterhalb des Radars bleiben. Den Ermittlungs- und Fahndungsdruck auf die rechtsextreme Szene werden wir deutlich erhöhen. Aktivitäten rechtsextremer Bürgerwehren in Bayern unterbinden wir konsequent und schöpfen alle Möglichkeiten eines Verbots nach dem Vereinsrecht aus. Verbote von Neonaziparteien und -gruppierungen prüfen wir.

Die Fahndung nach untergetauchten Rechtsextremist*innen intensivieren wir und vollstrecken offene Haftbefehle. Rechtsextremist*innen und Reichsbürger*innen entwaffnen wir konsequent. Bei der Aufdeckung illegaler Waffenlager müssen zudem mögliche Bezüge zum Rechtsextremismus von den Sicherheitsbehörden systematisch aufgeklärt werden. Alle offenen Verdachtsfälle im Bereich rechter Gewalttäter*innen werden wir systematisch überprüfen und strenger beobachten als bisher. Dabei nutzen wir das einheitliche und differenzierte Risikobewertungssystem, welches für islamistische Gewalttäter*innen bereits erfolgreich eingeführt wurde. Entradikalisierungs- und Aussteigerprogramme bauen wir massiv aus.

Für den Schutz besonders bedrohter Einrichtungen wie Unterkünfte von Geflüchteten, Synagogen oder Moscheen erarbeiten wir in enger Abstimmung mit den jeweiligen Trägern und Nutzer*innen landesweite Schutzkonzepte und Notfallpläne.

Wir richten eine „Koordinierungsstelle Demokratie“ ein, die die Verwaltung für demokratiefeindliche Strömungen sensibilisiert und sich mit der Zivilgesellschaft vernetzt. Und wir legen ein bayerisches Förder- und Aktionsprogramm zur Stärkung der Zivilgesellschaft auf.

Mit uns gibt es ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz und eine Bayerische Antidiskriminierungsstelle. Wir legen einen Landesaktionsplan gegen Rassismus, Antisemitismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und zur Stärkung der Zivilgesellschaft vor. Jüdisches Leben ist heute wieder integraler Bestandteil Bayerns. Wir setzen uns entschieden dafür ein, jüdisches Leben und jüdische Kultur zu fördern. Wir investieren in politische Bildungsarbeit und Medienkompetenz innerhalb und außerhalb der Schule und stärken die aufsuchende Jugendarbeit, bei der Sozialpädagog*innen gezielt dorthin gehen, wo Jugendliche sich treffen, ob am Skatepark oder Supermarktparkplatz. Beratungsstellen für Betroffene statten wir mit genug Mitteln aus und richten sie in allen Teilen Bayerns ein. Wir schützen alle Demokrat*innen vor Angriffen und verfolgen die Täter*innen konsequent, egal, ob sie im Internet oder von Angesicht zu Angesicht angreifen.

Die Empfehlungen der verschiedenen NSU-Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Landesebene setzen wir um. Weitere Unterstützungsnetzwerke des NSU in Bayern decken wir auf. Für das von der Bundesregierung geplante Archiv zu Rechtsterrorismus werden wir alle notwendigen Akten der bayerischen Behörden bereitstellen.

Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und Präventionsarbeit allein reichen jedoch nicht. Wir alle tragen Verantwortung, unsere Demokratie zu verteidigen und zu stärken – und das jeden Tag.“

Mit freundlichen Grüßen,

​​​​​​​Jürgen Mistol

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