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Frage von Andreas van A. •

Frage an Jürgen Herrmann von Andreas van A. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Herrmann,

mit großem Interesse habe ich Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Thiele gelesen. Sie schrieben:

"Leider passieren solche Fehler bei den Musterungen, wie Sie sie beschrieben haben. Ich hoffe, dass es sich dabei um Ausnahmen handelt. Schlimm genug!"

Wie Ihnen sicher bekannt ist, wird inzwischen fast jeder zweite ausgemustert, z.B. auch der Sohn meines Nachbarn, obwohl er sogar gerne zur Bundeswehr wollte. Hier von Fehlern zu reden, halte ich für zynisch. Es ist offensichtlich, dass hier systematisch ausgemustert wird, um die Anzahl der Tauglichen dem Bedarf der Bundeswehr an Wehrpflichtigen anzupassen. Es ist daher auch völlig unangebracht den jungen Männern irgendwelche Tricksereien zu unterstellen.

In unserer Verfassung hat nur die allgemeine Wehrpflicht, nicht aber die tatsächlich praktizierte Auswahlwehrpflicht einen Platz. Ich würde daher gerne von Ihnen wissen, wie es möglich ist, dass ein derartiger Verstoß gegen alle Regeln der Gerechtigkeit im allgemeinen und dem Gebot der Gleichbehandlung im besonderen überhaupt möglich ist, ohne dass es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommt. Grundgesetzlich garantierte Rechte dürfen nicht einfach zeitweise ausgesetzt werden und schon gar nicht in einem Ausmaß wie dies hier der Fall ist.

Könnte es sein, dass Sie und Ihre Parteifreunde die Beibehaltung der Wehrpflicht höher Einstufen als das Recht auf Gleichbehandlung?

Ich habe übrigens auch gedient, sogar 15 Monate. Zu meiner Zeit bin ich schon vielen jungen Männern begegnet, die nicht dienen mußten und entsprechend riesige Vorteile genossen. Dass die heutigen jungen Männern, die gedient haben, sich als die Dummen der Nation vorkommen müssen, ist nachvollziehbar und schlichtweg eine Tatsache. Schuld daran ist aber nicht die Gesellschaft. Schuld daran sind Politiker wie Sie, die diese Musterungs- und Einberufungspraxis dulden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. A. van Almsick

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Sehr geehrter Herr Dr. van Almsick,

zynisch wäre es, wenn ich per Ferndiagnose an dieser Stelle versuchen würde, die Krankheiten Ihrer Nachbarn zu analysieren. Dies liegt mir fern. Aber im ernst: wir kennen uns bisher glaube ich nicht (leider haben Sie es versäumt, Ihre Adresse mitzuteilen) und ich weiß deshalb auch nicht, wieso Sie mich persönlich so angreifen. Die Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht auch gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung, hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bejaht. Es hat ausgeführt, dass „das Grundgesetz es als grundsätzlich zumutbar erachtet, dass der Wehrpflichtige seinen Bürgerdienst erfüllt, und stellt die damit notwendigerweise verbundenen Nachteile gegenüber dem staatlichen Wehrinteresse zurück. Die Nachteile des Wehrdienstleistenden haben daher vor der Verfassung nicht das gleiche Gewicht wie vergleichbare Belastungen außerhalb dieses Pflichtenverhältnisses.“ (Beschluss BVerfG vom 17. Mai 2004 – 2 BvR 821/04 –)

Damit diese Nachteile aber für den Einzelnen so gering wie möglich ausfallen, hat der Gesetzgeber in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Ausnahmeregelungen für bestimmte Personengruppen erlassen. Dabei ist es richtig, dass die Tauglichkeitskriterien sowie die Ausnahmetatbestände in den vergangenen Jahren angepasst wurden. Ausnahmen an sich gab es aber schon immer, denken Sie beispielsweise an Polizisten, Feuerwehrleute, die Mehrgeschwisterregelung oder Geistliche. Die Musterungskriterien treffen aber alle Wehrpflichtigen gleichermaßen, d.h. es gilt § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG, in dem Wehrdienst und Zivildienst unter dem Oberbegriff der Wehrpflicht zusammengefasst werden. Eine systematische Ausmusterung aufgrund einer Bedarfsorientierung allein für die Bundeswehr gibt es gerade deshalb nicht, weil von der Wehrpflicht eben nicht nur diejenigen erfasst werden, die den Dienst in den Streitkräften leisten, sondern auch die Zivildienstleistenden. Die Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 WPflG mit dem Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls bereits festgestellt (vgl. BVerfGE 80, 354).

Herr Dr. van Almsick, ich unterstelle niemandem Tricksereien - übrigens auch bei mir selbst nicht. Ich habe auch keinen Wehrdienst abgeleistet, da ich bereits mit 17 Jahren in den Polizeidienst des Landes Nordrhein-Westfalen eingetreten bin. Ansonsten hätte ich aber ohne „Wenn und Aber“ meinen Wehrdienst geleistet.

Fest steht, die Bundeswehr kann auf die Wehrpflicht nicht verzichten, ohne einen qualitativen und quantitativen Schaden zu nehmen. Dies ist auch aufgrund der heutigen Sicherheitslage nicht hinzunehmen. Ich habe höchsten Respekt vor denjenigen – Wehrdienstleistende und Zivildienstleistende –, die aufgrund klarer grundgesetzlicher Regelungen, ihren Dienst für unser Land und uns alle tun.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Herrmann, MdB