Frage an Jürgen Banzer von Gudrun E.- H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Herr Justizminister Banzer,
Bei einer Veranstaltung in Frankfurt am 15.10.2007 mit dem Titel „Gleiches Recht für alle?“ hatte ich der Bundesjustizministerin Frau Zypries die Frage gestellt:“ Wie garantiert das Justizministerium die Bindung der Richter an Recht und Gesetz?“ Frau Zypries verwies mich an Sie, den Justizminister Hessens, da der Fall, der mich gegenüber der hessischen Rechtsprechung sehr misstrauisch gemacht hat, im Landgerichtsbezirk Darmstadt, also Hessen, stattgefunden hat.
Ich stelle darum die Frage nach der Bindung der Richter an das Gesetz , Ihnen, Herr Justizminister.
Für Nichtjuristen unter den Lesern von „Kandidatenwatch“: Artikel 97 des GG sagt „Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“ Da sie aber u n a b h ä n g i g sind, darf derzeit nicht kontrolliert werden, ob sie sich an das Gesetz halten. Die Fehlerquote bei Urteilen wird inoffiziell auf 20% der Urteile geschätzt. Offizielle Schätzungen gibt es nach meiner Kenntnis nicht.
Die Rechtswege- also die Korrekturmöglichkeit des Bürgers bei evtl. Fehlurteilen- sind systematisch zurückgedrängt. Dort wo Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten nicht abgeschafft sind (dazu auch www.hu-marburg.de Rubrik "Justiz" vom 26.09.2006 Egon Schneider „Niedergang des Rechtsstaates" u. Norbert Leppert vom 24.01.2007 „Justizkritik – Balance Akt zwischen den Stühlen“) wird sie auch von Rechtsanwälten in kollegialem Zusammenspiel abgeschnitten (siehe www.hu-marburg.de Rubrik „Justiz“ vom 13.08.2007 „Der Mandant, ein Spielball zwischen Gerichten und Rechtsanwalt“)
Dazu muss der Bürger wissen, dass in Deutschland 140 000 zugelassenen Rechtsanwälte Geld verdienen müssen und manchmal zu allem bereit sind.
Ich bin der Auffassung, dass dringend Reformen in der Justiz fällig sind, damit unser Rechtsstaat wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt.
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes verankert in unserer Verfassung das Gewaltenteilungsprinzip, welches die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung unterscheidet. Die rechtsprechende Gewalt ist nach Art. 92 des Grundgesetzes den Richtern anvertraut. Nach Art. 97 des Grundgesetzes sind die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Deshalb können Gerichtsentscheidungen nicht durch Organe der vollziehenden Gewalt, zu denen der Minister der Justiz gehört, sondern nur durch ein Gericht überprüft und von diesem gegebenenfalls aufgehoben oder abgeändert werden, und dies auch nur dann, wenn die jeweils maßgebende Verfahrensordnung hierfür einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel vorsieht.
Der hessische Minister der Justiz ist zwar der oberste Dienstvorgesetzte der Richterinnen und Richter in Hessen. Die hieraus folgende Dienstaufsicht umfasst aber nach unserer Verfassungsordnung nicht die Befugnis, die Spruchtätigkeit der Richter inhaltlich zu überprüfen, abzuändern oder auch nur zu kommentieren. Die Bindung der Richter an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) garantiert demnach die Unabhängigkeit der Rechtsprechung.
Ihrer Auffassung nach sind die Möglichkeiten des Bürgers, gegen ein von ihm als unrichtig angesehenes Urteil Rechtsmittel einzulegen, - wie Sie schreiben - "systematisch zurückgedrängt" worden. Dies ist aus meiner Sicht nicht richtig. Die gesetzlichen Bestimmungen, nach denen gegen ein erstinstanzliches Zivilurteil ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, sind in den letzten Jahren nicht zum Nachteil des Bürgers geändert worden. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers sind im Gegenteil sogar erweitert worden. Heute ist es möglich, dass der Bundesgerichtshof unter gewissen Voraussetzungen auch über Streitigkeiten von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung entscheidet. Sinn und Zweck dieser begrüßenswerten Regelung ist es, dass auch der einfache Bürger mit alltäglichen Rechtsstreitigkeiten bis vor das höchste ordentliche Gericht in Deutschland kommen kann. Dies war bis zum Jahre 2001 so noch nicht der Fall.
Ihre Ansicht, nach inoffiziellen Schätzungen werde die "Fehlerquote" bei Urteilen auf 20% geschätzt, kann ich ebenfalls nicht teilen. Ich halte diese Zahlen für viel zu hoch und schlichtweg für unzutreffend.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Banzer
Staatsminister