Frage an Josef Göppel von Werner B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Göppel,
gerne würde ich wissen nach welchen Kriterien sie sich bei Abstimmungen verhalten.
Lesen sie einen vorliegenden Gesetzentwurf durch, machen sich Gedanken darüber was er bewirkt?
Oder richtet sich ihr Verhalten danach was der Fraktionsvorsitzende empfiehlt ?
Oder folgen sie den Anweisungen die aus Ihrer Parteizentrale kommen ?
Sehr geehrter Herr Blatz,
ein Abgeordneter ist bei seinen Entscheidungen nur seinem Gewissen verpflichtet. Ich nehme das ernst. Und auch wenn es in der Öffentlichkeit leider nicht so wahr genommen wird: Ein Diktat der Fraktions- oder Parteiführung erzeugt bei den Abgeordneten eher Widerstand als Zustimmung.
Jedes Gesetz wird über Monate beraten. Die Abgeordneten wägen die von allen möglichen Seiten eingebrachten Argumente ab und kommen über diesen Prozess zu einem - in den allermeisten Fällen - gereiften Kompromiß, der unterschiedlichste Positionen bestmöglich berücksichtigt.
Bei der Vielzahl von Gesetzen kann sich aber nicht jeder Abgeordnete mit allen Entwürfen im Detail auseinandersetzen. In jeder Fraktion spezialisieren sich die einzelnen Abgeordneten deshalb in einem Themenfeld. Ich bin Mitglied des Umweltausschusses. In der Umweltgesetzgebung setze ich mich mit jedem Gesetzesentwurf, der aus dem zuständigen Ministerium kommt, im Detail auseinander.
So läuft dann die Kompromißsuche: Zunächst werbe ich innerhalb meiner Fraktion für meine Vorstellungen. Im dann beginnenden Diskussionsprozeß überzeugen mich aber manchmal auch die Argumente meiner Kollegen. Letztendlich zählen die besseren Argumente und in der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion entscheidet die Mehrheit über das gemeinsame Abstimmungsverhalten bei der Gesetzesverabschiedung. Wenn eine Entscheidung nicht grundlegend meinen Überzeugungen widerspricht, gehört es zur Demokratie, dass ich die Mehrheitsmeinung in der Fraktion respektiere. Das tut schließlich auch der eine oder andere Fraktionskollege bei Gesetzesformulierungen, die auf meine Vorstellungen zurückgehen.
Es kommt aber auch zu Situationen, in denen ich eine Entscheidung nicht mittragen kann. So habe ich zum Beispiel bei der Abstimmung über den Anbau von Genpflanzen als einziger Abgeordneter der Regierungsparteien gegen das Gesetz gestimmt. Ich konnte es nicht mit meinen Grundüberzeugungen vereinbaren, dass die freie Feldflur zu einem unkontrollierbaren Experementierfeld gemacht wird. Meine Gründe habe ich damals öffentlich gemacht. Sie finden sie hier: http://www.goeppel.de/bundestag/index.php?artikelid=1891
Meine klare Linie mag auch einer der Gründe sein, warum das Magazin der Spiegel im März 2003 über zwei meiner Kollegen und mich ein Portrait unter dem Titel "Die Unbeugsamen" veröffentlicht hat. Sie können den Artikel hier lesen: http://www.goeppel.de/presse/index.php?artikelid=1920.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Josef Göppel