Frage an Josef Göppel von Markus H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Göppel,
der Seite „abgeordnetenwatch.de“, entnahm ich, dass Sie dem Gesetzentwurf zum Vertrag von Lissabon am 24.04.2008 zugestimmt haben.
Der ehemalige Bundespräsident Dr. Roman Herzog, immerhin profilierter Staatsrechtler und langjähriger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, unterstellt diesem Vertragswerk, dass er die Rechte des Parlamentes, dem Herzstück einer parlamentarischen Demokratie, untergräbt.
Herr Herzog konstatierte in einem ausführlichen Aufsatz in der Tageszeitung „Die Welt“, der unter der Überschrift „Europäische Union gefährdet die parlamentarische Demokratie in Deutschland“ erschien, dass „sich viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages einem erheblichen Einflussverlust ausgesetzt sehen“.
Ihre Zustimmung zum o.g. Gesetzentwurf zeigt mir, dass Sie offenbar nicht zu den von Herzog erwähnten Abgeordneten gehören.
Wie stehen Sie zur Kritik Herzogs am Vertrag von Lissabon?
Aus welchen Gründen haben Sie dem Gesetzentwurf zugestimmt?
Für Ihren Zeitaufwand, auf meine Fragen einzugehen, bedanke ich mich bereits im Voraus.
Herzliche Grüße
M.Helmreich
Sehr geehrter Herr Helmreich,
die Kritik von Herrn Herzog am europäischen Reformvertrag kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe die nationalen Parlamente durch die neuen europäischen Spielregeln sogar gestärkt. In Zukunft können der Deutsche Bundestag und die anderen nationalen Parlamente einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission frühzeitig stoppen. Ein Recht, das es bisher nicht gibt. Meiner Meinung nach werden die Vorteile Europas werden für die Menschen greifbarer, wenn wir wirklich nur die Probleme gemeinsam in Brüssel anpacken, die Deutschland nicht alleine lösen kann. Der Deutsche Bundestag wird sein neues Recht sicher nutzen und gegenüber Brüssel deutlich machen, welche Themen besser in den Mitgliedsstaaten selbst geregelt werden sollten.
Die Reform bringt aber nicht nur mehr Rechte für die nationalen Parlamente, sondern auch im Europaparlament und dem Europäischen Rat wichtige Neuerungen. Diese Anpassungen sind dringend notwendig, damit die Zusammenarbeit in einer Union mit 27 Mitgliedsstaaten reibungsloser funktioniert. Die Europäische Union wird durch den Reformvertrag gestärkt, weil Entscheidungen schneller getroffen werden können.
Meiner Meinung nach kann die Globalisierung nur durch eine effektive europäische Zusammenarbeit gestaltet werden. Der Welthandel braucht soziale und ökologische Regeln. Der EU-Reformvertrag ermöglicht uns, international Umweltstandards und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Europäische Union hat das notwendige Gewicht, um der Globalisierung ein menschlicheres Antlitz zu geben.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
1. Reform von EU-Kommission, Europäischem Rat und Europaparlament
Die EU-Kommission wird von 27 auf 15 Kommissare verkleinert. Das bisher geltende Prinzip ein Staat -- ein Kommissar hat zu einer Zersplitterung der Aufgabengebiete geführt.
Im Europäischen Rat, also den Vertretern der nationalen Regierungen, übernimmt zurzeit alle sechs Monate ein anderes Land die Präsidentschaft. In Zukunft wird ein Ratspräsident über zweieinhalb Jahre Kompromisse zwischen den Regierungen aushandeln können. Als erster Ratspräsident ist der in Europafragen sehr erfahrene luxemburgische Ministerpräsident Claude Juncker im Gespräch. Außerdem sichert ab 2014 die neue Regel einer doppelten Mehrheit, dass größere Staaten wie Deutschland, entsprechenden Einfluss haben. Es müssen 55% der Mitgliedstaaten, in denen gleichzeitig mehr als 65% der EU-Bevölkerung leben, für eine Richtlinie stimmen. Mehrheitsentscheidungen werden auch im Rat in fast allen Politikbereichen zum Regelfall.
Im Europarlament genügt weiterhin die einfache Mehrheit der Abgeordneten. Die Zahl der Abgeordneten wird auf 750 begrenzt. Deutschland wird 2009 als größtes Mitgliedsland 96 Abgeordnete entsenden, Luxemburg als kleinster Staat 6 Abgeordnete.
2. Neue Kompetenzen
Der EU-Reformvertrag bringt vor allem in den Bereichen Asyl, Einwanderung sowie der Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Militär eine engere Zusammenarbeit. In diesen Politikbereichen gilt nicht mehr das Einstimmigkeitsprinzip, sondern wird auch per Mehrheit entschieden.
3. Bessere Abstimmung in der Außenpolitik
Die Europäische Union hat aus ihrer Spaltung zu Beginn des Irakkriegs gelernt. Gemeinsam hätte man viel eher den Ausbruch des Kriegs verzögern können. In Zukunft wird es eine Art europäischen Außenminister geben, der aber auf britischen Wunsch nicht so genannt wird. Er wird sowohl im Europäischen Rat als auch in der Kommission mitberaten und dadurch leichter eine gemeinsame Position erarbeiten können. Außerdem erhält er einen eigenen diplomatischen Dienst und damit ausreichend Mitarbeiter.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Göppel