Frage an Josef Göppel von Simon N. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Göppel,
bei der namentlichen Abstimmung zum Thema "Voreilige Neuzulassung von Glyphosat stoppen" am gestrigen Donnerstag haben Sie als einer der wenigen Abgeordneten aus der Regierungsfraktion mit "Ja" gestimmt. Was sind Ihre Beweggründe dafür?
Mit freundlichen Grüßen
Simon Niebler
Sehr geehrter Herr Niebler,
ich habe mich gegen eine voreilige Neuzulassung des Breitband-Herbizids Glyphosat für 15 Jahre ausgesprochen, weil ich den Einsatz glyphosathaltiger Mittel ohne weitere Beschränkungen ablehne. Eine Zulassung bezieht sich europaweit auf 33 glyphosathaltige Herbizide unter 95 Handelsbezeichnungen für 470 Anwendungsgebiete. Der in den letzten Jahren großflächige Einsatz auf ca. 40 % der Ackerfläche hat nachweislich negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt in der Feldflur. Nicht nur Insekten, auch Molche und sich von Insekten ernährende Vogelarten gehen zurück, und zwar im selben Verhältnis wie die Breitband-Anwendung von Glyphosat zugenommen hat.
Das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen Julius-Kühn hat die Reduktion und den Verzicht des Einsatzes von glyphosathaltigen Herbiziden unter ökonomischen Gesichtspunkten untersucht. Das Gutachten belegt, dass unter sich günstigen Standort- und Witterungsvoraussetzungen und bei einer entsprechenden Anbaupraxis auch ohne Herbizideinsatz ein wirtschaftlich identisches oder sogar besseres Ergebnis erzielen lässt. In der Landwirtschaft ließe sich der Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels jedenfalls zumindest beim Wintergetreide deutlich und ohne Einkommenseinbußen reduzieren.
Wenn beispielsweise im Bier Glyphosatrückstände um das bis zu 300-fache des Trinkwassergrenzwertes zu finden sind, muß gegengesteuert werden. Auch das als "Roundup" bekannte Unkrautvernichtungsmittel für die Anwendung im Haus- und Kleingarten sollte vom Markt genommen werden.
Die Bewertungsprozesse der Europäischen Behörde für Chemikalien ECHA zu Glyphosat sind noch nicht abgeschlossen. Dennoch strebt die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Abstimmung über die Zulassung glyphosathaltiger Pestizide für weitere 15 Jahre im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel an. Eine nach der Europäischen Chemikalien-verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) erteilte Zulassungsverlängerung für Glyphosat läuft Ende Juni 2016 aus.
Als Berichterstatter hatte das Bundesamt für Risikoforschung (BfR) 2015 eine positive Stellungnahme zur Zulassungsverlängerung von Glyphosat abgegeben. Allerdings lag die Einschätzung der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC), deren Arbeitsgruppe von unabhängigen Wissenschaftlern Glyphosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte, noch nicht vor.
Außerdem hatte das BfR nur den reinen Wirkstoff Glyphosat untersucht, nicht aber fertige Herbizidmischungen mit Träger- und Zusatzstoffen. Die Kombinationswirkungen der verschiedenen Stoffe und Anreicherungen bei Langzeitexposition wurden ebenfalls nicht untersucht.
Mit dem europäischen Vorsorgeprinzip ist eine vorzeitige Erneuerung der Zulassung von Glyphosat für weitere 15 Jahre nicht vereinbar.
Josef Göppel MdB