Frage an Josef Göppel von Markus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Göppel,
leider muss ich Sie schon wieder zum Thema Zuwanderung und Asyl befragen.
Bisher bekamen alle Fragensteller zu diesem Thema immer die Antwort, Fr. Merkel sucht nach einer europäischen Lösung. Diese ist doch nun faktisch vom Tisch und Deutschland steht bei diesem Thema isolierter da, als jemals zuvor. Jetzt ist es sogar soweit, dass die Länder der Balkanroute incl. Österreich die Flüchtlinge direkt nach Deutschland fahren wollen. Lassen wir uns das wirklich gefallen? Wann wacht Fr. Merkel bzw. wann wacht diese Regierung endlich auf?
Was macht die CSU? Wann lässt die CSU ihren Sprüchen endlich Taten folgen?
Wie kann eine Regierung, die meiner Meinung nach, zu Recht von einem Unrechtsstaat spricht weiter diese Regierung unterstützen?
Und bitte, setzen Sie bei diesem Thema doch nicht ernsthaft auf die Türkei.
Wollen wir uns wirklich von diesem Land und seinem "Herrscher" erbressbar machen lassen?
Sehr geehrter Herr Seiß,
die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 19. Februar beginnt im Kapitel Migration mit folgendem Satz: " Als Reaktion auf die Migrationskrise, mit der die EU konfrontiert ist, muss es das Ziel sein,
die Migrationsströme rasch einzudämmen, unsere Außengrenzen zu schützen, die illegale Migration zu verringern und die Integrität des Schengen-Raums zu wahren." Den vollständigen Text finden Sie hier: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/02/19-euco-conclusions/. Die Einsicht wächst, dass ein erfolgreicher Schutz der Schengen-Außengrenzen nur gemeinsam gelingen kann. Die Kosten nationaler Alleingänge wären hoch: Eine aktuelle Studie der Prognos AG kommt zum Ergebnis, dass die Wiedereinführung von nationalen Grenzkontrollen im Schengen-Raum in den kommenden 10 Jahren für Deutschland einen Wohlstandsverlust von mindestens 77 Milliarden Euro bedeuten würde. Deutschland hat als wirtschaftlich stärkstes Land schon aus purem Eigeninteresse eine besondere Verantwortung, die europäische Staatengemeinschaft in dieser Krise nicht noch mehr auseinanderdriften zu lassen. Es kann uns nicht egal sein, wenn Griechenland in einem Dominoeffekt der Grenzschließungen als Auffangbecken für Flüchtlinge im Chaos versinkt. Wir können Italien nicht allein lassen, wenn in Folge der Grenzschließungen der Fluchtweg über das Mittelmeer wieder verstärkt genutzt wird.
Die Türkei spielt eine Schlüsselrolle. Dabei geht es nicht um Erpressung, sondern um die Umsetzung einer gemeinsamen Strategie. Ein erster Schritt ist die Einbindung der NATO in die Überwachung der türkisch-griechischen Seegrenze. Die Bundesregierung unterstützt die türkische Forderung einer Flugverbotszone auf syrischer Seite der Grenze und hilft finanziell und materiell dabei, in den dortigen Lagern menschenwürdige Verhältnisse zu sichern. Nur so kann es gelingen, dass Menschen nicht unter Einsatz ihres Lebens ihre Flucht bis Europa fortsetzen und neue Schlupflöcher nutzen. In Ungarn steigt die Zahl der ankommenden Flüchtlinge übrigens trotz des Grenzzauns wieder. Gemeinsam mit der Türkei und den europäischen Partnern kommt auch allmählich der Aufbau von Registrierungszentren in Gang. Das halte ich für besonders wichtig, um frühzeitig mehr Informationen über die Ankommenden zu erhalten.
Mit dem zweiten Asylpaket wurden auch für Deutschland neue Strukturen beschlossen. Ein wichtiges Element sind auch hier die Ankunftszentren, von denen vier bereits in Betrieb sind und jedes Bundesland rasch mindestens eines erhalten soll. Damit wird es eine zentrale Anlaufstelle geben, mit denen die Asylverfahren deutlich beschleunigt werden. Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten werden künftig nicht mehr weiter verteilt, sondern kurze Zeit bis zum Abschluss des Verfahrens vor Ort fest gehalten und direkt abgeschoben. Sichere Herkunftsstaaten sind unter anderem Albanien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Ghana und Senegal. Künftig sollen auch Marokko, Algerien und Tunesien zu den sicheren Herkunftsstaaten zählen. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Asylverfahren/BesondereVerfahren/ModellverfahrenErprobungszentren/modellverfahren-erprobungszentren.html?nn=1367542.
Die Bundesregierung hat den europäischen Partnern unmissverständlich klar gemacht, dass Deutschland ein unkoordiniertes "Durchwinken" auf der Balkanroute nicht akzeptieren wird. Wenn Anfang März keine wesentlichen Fortschritte bei einer europäischen Lösung erreicht werden, ist das Bundesinnenministerium auch auf verstärkte Grenzkontrollen an Deutschlands Außengrenzen vorbereitet. Das hätte aber einen hohen Preis für unsere Wirtschaft und würde den Balkan und die Türkei weiter destabilisieren.
Das Tragische an der öffentlichen Diskussion zur Flüchtlingsproblematik ist, dass die einseitige Grenzschließung eine "Lösung" zu sein scheint. Tatsächlich würde sie die Lage aber weiter destabilisieren. Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran, einen von Europa und seinen Nachbarstaaten getragenen Kompromiss zu erarbeiten. Im Inland wird die Verwaltung gezielt gestärkt um Ankommende rasch zu erfassen und die Integration der Flüchtlinge voranzubringen. Das ist eine arbeitsintensive und vor allem facettenreiche Detailarbeit. Bayern ist dabei in vielen Bereichen Vorbild. Das Regierungshandeln basiert auf den Grundsätzen unseres Rechtsstaats und hält der unabhängigen Kontrolle durch unsere Gerichte stand. Ich bin froh, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland sich konstruktiv einer großen Herausforderung stellt und nicht auf Sprücheklopfer hereinfällt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Josef Göppel