Frage an Josef Göppel von Roman M. bezüglich Finanzen
Thema: Senioren
Sehr geehrter Herr Westphal,
bitte erklären Sie mir, warum auch ich den griechischen Staatshaushalt mitfinanzieren muss, obwohl dort Rentner nach wesentlich weniger Arbeitsjahren relativ wesentlich mehr und öfter ausbezahlt bekommen als ich. Ich beziehe mich auf einen Online-Artikel www.bild.de>Politik vom 26.02.2015.
Mit freundlichen Grüßen
Roman Meier
PS: Ich weiß, dass eine Reform angekündigt ist, kenne allerdings das angestrebte Niveau nicht. Sie?
Sehr geehrter Herr Meier,
im Jahr 2011 habe ich gegen die Erweiterung des Eurorettungsschirms gestimmt, weil mir die Fortschritte bei der Finanzmarktregulierung und insbesondere der Finanztransaktionssteuer nicht ausreichten. Ich konnte es nicht vertreten, dass Steuergelder eingesetzt werden, ohne gleichzeitig das Problem an den Wurzeln zu packen. Hier wurden Fortschritte erreicht.
Ich kann Ihre Position gut nachvollziehen. Deshalb fiel mir die Entscheidung bei der Abstimmung am 27. Februar nicht leicht. Bundesfinanzminister Schäuble hat in schwierigen Verhandlungen Deutschlands Interessen wirkungsvoll vertreten. Die neue griechische Regierung wird keine weiteren Hilfen ohne Einhaltung der Reformzusagen erhalten. Dazu gehört auch eine weitere Rentenreform. Die Fortschritte werden streng kontrolliert. Unterstützung bekam Schäuble dabei gerade von Ländern wie Irland, Portugal oder Spanien, die sich in den vergangenen Jahren erfolgreich aus der Krise gearbeitet haben. Aus zwei Gründen halte ich es mit dem jetzigen Verhandlungsergebnis für vertretbar, Griechenland die Chance für weitere Reformen zu geben und im Euro-Raum zu verbleiben:
• Griechenland ist in den vergangenen Jahren nicht untätig geblieben: Das Land hat Anpassungen hinter sich, die für große Teile der Bevölkerung sehr schmerzhaft waren. Der Staatshaushalt hat einen Primärüberschuss erreicht. Das heißt die laufenden Ausgaben sind durch eigene Einnahmen gedeckt. Das Defizit entsteht durch Zins- und Tilgungszahlungen für die Altkredite.
• Die neue griechische Regierung hat zumindest einen Vorteil: Sie ist nicht in den Filz der vergangenen Jahrzehnte verstrickt. Sie wird daran zu messen sein, dass sie nun Korruption bekämpft und angemessene Steuerzahlungen der Reichen durchsetzt.
Die Hilfen dienen auch der Stabilisierung des europäischen Bankensystems insgesamt. Insofern hat die Kritik der griechischen Regierung eine gewisse Berechtigung:
• 77 % der Hilfsgelder fließen wieder zurück an Banken, von denen die meisten in den Geberländern sitzen. Von den 78 Milliarden aus den Raten des ersten Rettungspakets in den Jahren 2010 und 2011 landeten 55 Milliarden bei Banken, Privatinstituten und Versicherungen. Nur 18 Milliarden waren für Strukturhilfen in Griechenland.
• Griechenland hat seine Verpflichtungen immer erfüllt. Auch in den vergangenen Monaten wurden die Zinsen voll bezahlt – auf dem hohen Niveau von durchschnittlich 3,5%.
Zum Thema Rente: Laut OECD lag bereits 2010 das tatsächliche Renteneintrittsalter von Männern in Griechenland bei 61,9 Jahren (Deutschland 61,8) und von Frauen bei 59,6 Jahren (Deutschland 60,5). Das gesetzliche Regelrentenalter beträgt heute nach mehreren Reformen 67 Jahre. Wer 40 Beitragsjahre nachweist, kann mit 62 in Rente gehen. Die Renten wurden bereits mehrfach gekürzt. Eine weitere Rentenreform mit Kürzungen gehört zu den Forderungen der Institutionen. Die genaue Ausgestaltung wird die griechische Regierung erst noch festlegen.
Die Europäische Union sichert den Frieden durch Ausgleich und Zusammenhalt. Was noch vor 10 Jahren wie eine abgedroschene Phrase geklungen hat, gewinnt eine neue Bedeutung angesichts der Krisen in den östlichen und südlichen Nachbarregionen. Wir dürfen uns jetzt nicht auseinander dividieren lassen. Deshalb unterstütze ich die besonnene Außenpolitik der Bundeskanzlerin. Der Preis für eine Spaltung der europäischen Staatengemeinschaft wäre hoch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Josef Göppel