Frage an Josef Göppel von Harald K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Göppel,
der FAZ vom 24.1.15 konnte man entnehmen, daß 54% der in einer repräsentativen Umfrage interviewten Italiener "Deutschland als größten Feind ansehen" und sich über den "Machthunger der Deutschen" beschweren. Das Verhältnis zwischen der italienischen Bevölkerung und der deutschen Regierung war in den letzten 50 Jahren niemals so schlecht wie heute. Als Ursache geben die Befragten Merkels "Austeritätspolitik an, die Italien arm mache", d.h. die Einführung des Euro mit all ihren Problemen wird für den Niedergang des Vertrauens zwischen den beiden Länder verantwortlich gemacht. Können Sie erläutern weshalb Sie und Ihre Partei trotz dieser klar ersichtlichen und dokumentierten Tatsachen die Sprüche Ihrer Bundeskanzlerin, wie "Scheitert der Euro, scheitert Europa" oder "Der Euro ist alternativlos" (koste es was es wolle!!!) völlig kritiklos abnicken? Glauben Sie wirklich, daß Deutschland durch die mit deutschen Steuergeldern erkaufte Rettung italienischer Banken (QE) das Vertrauen der italienischen Bevölkerung zurückgewinnen kann?
Mit freundlichen Grüßen
Harald Kroemer
Sehr geehrter Herr Kroemer,
die Umfrageergebnisse in Italien sind erschreckend, sollten aber nicht überbewertet werden. Die Spannungen in Europa sind Ausdruck eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts, das sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut hat. Deutschland hat wegen seiner besonders engen Verflechtung in der Weltwirtschaft und der unmittelbaren Nachbarschaft zu den mittel- und osteuropäischen Staaten seine Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Wirtschaft erfolgreich gestärkt. Der Handlungsdruck war in anderen Staaten geringer. Wir sollten nicht vergessen, wie schwer die Strukturreformen auch für uns waren. Ich kann deshalb gut nachvollziehen, dass die italienische Bevölkerung die Veränderungen mit Sorge beobachtet.
Der Euro ist nicht die Ursache für das wirtschaftliche Ungleichgewicht. Die Abwertung einer nationalen Währung konnte Strukturreformen auch in der Vergangenheit nicht ersetzen. Auch vor der Einführung des Euros war Deutschland wirtschaftlich eng mit seinen Nachbarstaaten verknüpft. Sowohl die Spannungen mit den Nachbarstaaten als auch die Notwendigkeit diese in ihrem Reformprozess solidarisch zu unterstützen, wären also auch ohne die Gemeinschaftswährung eine Herausforderung, der sich Deutschland stellen müsste.
Das Programm der Europäischen Zentralbank zum Ankauf von Staatsanleihen sieht die CSU kritisch. Die CSU-Landesgruppe setzt sich dafür ein, dass die EZB sich auf ihr Mandat der Sicherung der Geldwertstabilität beschränkt. Ihr hoher Grad an Unabhängigkeit ist nur durch eine enge Auslegung des Mandats zu rechtfertigen. Daher setzt sich gerade die CSU dafür ein, dass die EZB nicht die Bad Bank Europas wird. Eine Finanzierung von Krisenstaaten über die Notenpresse oder die Sanierung von Banken durch den Ankauf von Ramschpapieren lehnen wir ab. Die Überdehnung des Mandats der EZB schmälert die Reformbereitschaft der Krisenländer.
Noch einige grundsätzliche Gedanken: Es ist fraglich, ob der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank den gewünschten Effekt einer besseren Kreditversorgung der Realwirtschaft erreichen kann. Die Geldpolitik stößt an ihre Grenzen. Die schon heute extrem niedrigen Zinsen sollen eigentlich die Banken anreizen, Kredite an Unternehmen zu vergeben. Die Unsicherheit in der Realwirtschaft, insbesondere in den südlichen und westlichen Nachbarstaaten, führten aber dazu, dass Kredite für vielversprechende Investitionen gar nicht ausreichend nachgefragt werden. Die Liquidität fließt vor allem an den Finanz- und Immobilienmarkt. Immobilienpreise und Aktienkurse haben ein kritisches Niveau erreicht. Blasen sind an diesen Märkten nicht mehr auszuschließen. Der direkte Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen ist ein Versuch der EZB, die Liquidität in die Realwirtschaft zu lenken und eine weitere Finanzkrise abzuwenden. Die häufig vermutete Gefahr einer hohen Inflation geht damit nicht zwangsläufig einher. Auch die Gefahr, dass Europa ein japanisches Jahrzehnt mit wirtschaftlicher Stagnation, Deflation und steigenden Staatsschulden ist real.
Einen Ausweg kann nur die Wirtschafts- und Industriepolitik bieten. Solide staatliche Haushalte und strukturelle Reformen sind ein Teil der Hausaufgaben für die Politik. Wirtschaftliche Dynamik können aber nur Unternehmen schaffen. Deshalb ist es so wichtig, neue Wirtschaftszweige in ihrer Entwicklung gezielt zu fördern. Eine besondere Chance bietet die Energiewirtschaft. Ich bin beeindruckt, mit welcher Kreativität kleine und mittlere Unternehmen die Chancen der Energiewende wahrnehmen: Softwareunternehmen investieren in die Verknüpfung von Schwarmkraftwerken, Mittelständler entwickeln immer neue Lösungen in der erneuerbaren Energiegewinnung und Bürger investieren in Erzeugungsanlagen. Davon profitiert besonders der ländliche Raum
Es gilt also gezielt, den Mittelstand zu fördern. Deutschland ist hier ein Vorbild für Europa. Deshalb sehe ich es sehr positiv, dass die neue EU-Kommission tätig wird und eine Mittelstandsförderung nach deutschem Beispiel aufbauen will. Gerade in Norditalien mit seiner soliden mittelständischen Wirtschaftsstruktur wird dieses Programm auf fruchtbaren Boden fallen, wenn die italienischen Strukturreformen vorankommen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Josef Göppel