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Frage von Siegfried R. •

Frage an Josef Göppel von Siegfried R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Göppel,

im Jahr 2008 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass das Wahlrecht nicht Verfassungskonform sei und räumte eine Frist bis Ende Juni 2011 ein um ein neues zu verabschieden.

Auf Tagesschau.de heisst es hierzu:
"Das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnung der Sitzverteilung bei Bundestagswahlen in einem wesentlichen Teil für verfassungswidrig erklärt. Die Verteilung der Überhangmandate muss nach der in Karlsruhe verkündeten Entscheidung neu geregelt werden. Die Richter des Zweiten Senats räumten dem Gesetzgeber dafür eine Frist bis Juni 2011 ein, sodass die Bundestagswahl 2009 ein letztes Mal nach dem bisherigen Wahlrecht stattfinden kann."
( http://www.tagesschau.de/inland/verfassungsgericht10.html )

Im Mai diesen Jahres sprach der Ex-Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier eine eindringliche Warnung aus und forderte die Politik zum Handeln auf. Diese ignorierte die Warnung jedoch jedoch und kümmerte sich lieber um ehec-Gurken und Soja-Sprossen.

Nun meine Frage: Hat es irgendeine Konsquenz, dass diese Frist verstrichen ist? Sollte es angesichts der Handlungsunfähigkeit der Koalition zu Neuwahlen kommen, nach welchem Wahlrecht werden dann diese Neuwahlen abgehalten. So wie ich das verstehe ist das alte Wahlrecht zwar für verfassungswidirg, aber nicht für nichtig erklärt worden. Wenn also Neuwahlen nach altem Wahlrecht abgehalten werden würden, würde diese vom BVG nach einer Wahlprüfungsbeschwerde für ungültig erklärt werden?!

Vielen Dank für Ihre Antwort und beste Grüsse,

Rehnert

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Sehr geehrter Herr Rehnert,

zu ihren Fragen:

1. Hat es irgendeine Konsequenz, dass die gesetzte Frist des 30. Juni 2011 verstrichen ist?

Eine konkrete Konsequenz, im Sinne einer Strafe haben die Verzögerungen bei der Reform des Wahlrechts nicht. Dennoch ist mit dem Fristablauf die Pflicht zur Erstellung eines neuen Wahlrechtssystems nicht abgelaufen. Im Gegenteil diese Pflicht besteht weiterhin, sogar intensiver fort.

Die Verhandlungen zur Reform des Wahlrechts sind auf einem guten Weg. Das Gesetz soll noch im Herbst diesen Jahres verabschiedet werden.

2. Falls Neuwahlen nach altem Wahlrecht abgehalten werden würden, würde diese vom BVerfG nach einer Wahlprüfungsbeschwerde für ungültig erklärt werden?

Aus juristischer Sicht ist nach Auslegung des BVerfG-Urteils vom 03. Juli 2008 festzustellen, dass Neuwahlen nach altem Wahlrecht nicht per se ungültig sind.

Dennoch ist festzuhalten, dass die Unvereinbarkeit des alten Wahlrechts mit dem Grundgesetz explizit feststeht. Aufgrund dieser Tatsache, würde bei einer Neuwahl, im Gegensatz zum Jahr 2005, die Wahlfehler schwerer wiegen, da die Neuwahl auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage abgehalten wäre.

Demnach erscheint es möglich, dass das BVerfG eine Neuwahl nach altem Wahlrecht wiederholt für ungültig halten und beanstanden wird.

3. Sollte es angesichts der Handlungsunfähigkeit der Koalition zu Neuwahlen kommen, nach welchem Wahlrecht werden dann diese Neuwahlen abgehalten?

Für den Fall, dass eine Neuwahl mit altem Wahlrecht durchgeführt werden würde, und das BVerfG die Wahl für ungültig erklären würde, könnte das BVerfG, auf Grundlage seiner Befugnis nach § 35 BVerfGG, per einstweiliger Verfügung ein eigenes neues verfassungskonformes Wahlrecht schaffen.

Es ist dabei zu erwähnen, dass die mögliche Neugestaltung des Wahlrechts durch das BVerfG jedoch nur eine vorläufige Regelung wäre. Das Handeln des Gesetzgebers wäre weiterhin unabdingbar.

Wünschenswert wäre daher, dass die Regierung ihren Gesetzesentwurf zur Wahlrechtsreform in naher Zukunft verabschiedet wird, um diesen genannten Schritt des BVerfG zu verhindern.

Daher haben die Koalitionsfraktionen gemeinsam einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes erarbeitet:

Das vom Verfassungsgericht kritisierte „negative Stimmgewicht“ wird in erster Linie durch die Verbindung der Landeslisten verursacht. Dadurch kann es zu Mandatsverschiebungen zwischen den Bundesländern und zum Auftreten von negativen Stimmgewicht kommen. Daher wird im Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen folgende Änderungen vorgeschlagen:

Die Listenverbindungen werden aufgehoben.

Künftig wird die Gesamtzahl der Mandate im Bundestag zunächst auf die Länder verteilt.

Die Zahl der auf ein Land entfallenden Mandate wird dann auf die Landeslisten der Parteilen verteilt, die bundesweit mehr als 5 % der Stimmen oder drei Direktmandate gewonnen haben

Ein bundesweiter Erfolgswertausgleich sorgt dafür, dass auch in kleinen Ländern die Stimmen für eine im Bundestag vertretene Partei nicht verloren sind.

In der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses Wahlrecht am 05. September 2011 wurde von Gutachtern bestätigt, dass der Gesetzesentwurf zur Wahlrechtsreform der Fraktionen CDU/CSU und FDP einer adäquaten Umsetzung des BVerfG-Urteils gerecht werde.

Mit freundlichen Grüßen,

Josef Göppel