Frage an Jonas Schwemmer von Stefan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schwemmer,
es ist nun schon einige Zeit her, dass die Piratenpartei bundesweit für Aufsehen gesorgt hat und als neue Hoffnung in der Parteienlandschaft in den Medien bejubelt wurde. Anschließend gab es nur noch Berichte von Streit, gegenseitigen Anschuldigungen und Mobbing. Letztlich gipfelte es im brutalen Mord eines Berliner Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, der sogar vorher indirekt angekündigt, aber offensichtlich nicht ausreichend beachtet wurde.
Meine Frage an Sie ist, ob diese Ereignisse und Abläufe innerhalb Ihrer Partei diskutiert wurden und welche Vorsorgemaßnahmen ergriffen wurden, dass beim (absolut unwahrscheinlichen, aber hier hypotethisch angenommenen) Einzug in den Bundestag nicht ähnliche unschöne "Schlammschlachen" wiederholt werden?
MfG
S. B.
Hallo Herr B.,
gerade mit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus in Berlin und zuvor bei den Anti-ACTA- und Zensursula-Demos 2011 sind innerhalb kürzester Zeit sehr viele neue Menschen Mitglieder in der Piratenpartei geworden. Damals waren wir vor allem die Spartenpartei für Netzpolitik und hatten in vielen anderen Bereichen höchsten Grobe Eckpunkte im Programm stehen. Wir waren dadurch für viele Menschen schnell eine neue Politische Heimat, mussten uns aber Gleichzeitig weiterentwickeln. Da nun diese höchst Unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedliche Vorschläge hatten, kam es beim Ausbau unseres Programms zu diversen Auseinandersetzungen und Shitstorms. Weil unser Anspruch schon immer die Transparenz war, war fast alles auf Mailinglisten, Foren und anderen Plattformen im Internet nachzulesen, was natürlich kein sonderlich gutes Bild auf uns Piraten wirft und für die beschriebenen Berichte sorgte.
Der Mord und anschließende Selbstmord unseres Parteimitglieds und Abgeordneten in Berlin hat - so weit mir bekannt - absolut nichts mit der Partei zu tun, Opfer und Täter kannten sich lediglich über die Zusammenarbeit bei uns Piraten. Ermittlungen ergaben persönliche Motive, mehr kann ich hier nicht Urteilen, da ich beide Akteure nicht persönlich gekannt habe.
Streiterein und Außeinandersetzungen wurden diverse male Thematisiert und ich glaube, alle Mitglieder wurden dadurch disziplinierter und driften bei Diskussionen nicht in Richtung persönlicher Anfeindungen. Das Problem mit ewigen Grabenkämpfen hat sich meiner Meinung nach aber auch schon dadurch erübrigt, dass mittlerweile auf allen Themenfeldern eine Meinung in der Partei gebildet werden konnte und die Richtung somit vorgegeben ist. Dadurch sind viele Menschen wieder ausgetreten, weil sie ihre Positionen in bestimmten Themen eben nicht mehr vertreten sehen oder sich eine andere Richtung gewünscht hätten. Dafür sind wir keine 1-Themen Partei mehr und konnten unser Profil weiterentwickeln.
Oft haben wir intern über diese Art- und Weiße der Auseinandersetzung diskutiert, aber letztlich kann man nur an die Vernunft der Streithähne appellieren.
Konkrete Maßnahmen wurden also nicht erarbeitet, es gibt mittlerweile aber jede Menge Mitglieder in der Partei, die die Streiterein und Shitstorms damals mitgemacht haben und in diesen Dingen sehr sensibel sind. Ich bekomme oft mit, dass genau diese Menschen beim aufkeimen eines Streits in öffentlichen Kanälen schnell klären und wogen glätten.
In einem Satz:
Ich glaube wir sind wesentlich erwachsener geworden.
Beste Grüße,
Jonas Schwemmer