Frage an Jonas Aust von Wilk S. bezüglich Recht
Liebe Kandidatin, lieber Kandidat zur Bundestagswahl 2013
der BdB ist mit rund 6.000 Mitgliedern der größte Verband für Berufsbetreuer in Deutschland .
Aufgrund der Tatsache, dass das Betreuungsrecht nicht so bekannt ist, haben wir uns zur Wahl
entschieden Sie zu diesem Thema zu befragen.
Seit Feb. 2013 ist es nach §1906 (3) möglich Menschen gegen ihren natürlichen Willen zu
behandeln (Zwangsbehahndlung). Diese Möglichkeit der Behandlung entspricht aus unsere Sicht
nicht der UN Behinderterechtskonvention.
Wie stehen Sie persönlich zur Zwangsbehandlung, wie steht Ihre Partei zur Zwangsbehandlung?
Vielen Dank.
Mit freundlichem Gruß
Landesvorstand BdB NRW
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich stehe den Ausführungen des §1906 (3) BGB ähnlich skeptisch gengenüber wie Sie, da die genannte Rechtsquelle meines Erachtens für einen so massiven Eingriff in das Persönlichkeits- bzw. Selbstbestimmungsrecht zu schwammig formuliert ist. Im Einzelfall mag ein solcher Eingriff durchaus notwendig oder angeraten sein, dann aber auch nur nach klar formulierten und festgelegten Rechtssätzen.
Zwei Beispiele bzw. rhetorische Fragen zur Verdeutlichung:
Was genau ist unter der in Absatz 1, Nr. 2 sowie indirekt Absatz 3, Nr. 3 & 4 genannten "Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens" zu verstehen? Wie "erheblich" muss dieser Schaden sein bzw. nach welchen Kriterien wird dies festgelegt?
Absatz 3, Nr. 2 schreibt zudem vor, dass "zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen". Auch dies lässt viel, zu viel, Interpretationsspielraum. Reicht hier eine einfache Frage an den Betroffenen aus? Wenn nein, wie umfassend bzw. tiefgreifend muss eine solche Diskussion ablaufen?
Kurz und gut: Der Gesetzgeber mag in guter Absicht gehandelt haben, doch beinhaltet das Gesetz in meinen Augen zu viele Fallstricke, Unwägbarkeiten und gar Missbrauchsmöglichkeiten, die zu Lasten der betroffenen, unter Betreuung stehenden Personen gehen können. Außerdem wird den Betreuern und Betreuungsgerichten so eine enorme Verantwortung auferlegt, der sie unter den vorgenannten Umständen nur sehr schwer gerecht werden können, Von den Wünschen der Betreuten ganz zu schweigen.
Daher trete ich dafür ein, besagte Zwangsmaßnahmen a) auf absolute Not- bzw. Akutfälle zu beschränken, die eine Gefahr für das Leben des Betreuten darstellen und sofortiges Handeln erfordern sowie b) die Schaffung eines rechtssicheren Rahmens, der für vorgenannte Fälle eindeutige bzw. klar definierte Voraussetzungen beinhaltet und in Einklang mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen steht.
Ich hoffe, Ihre Anfrage hiermit erschöpfend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,
Jonas Aust