Frage an Johannes Singhammer von Angela S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Singhammer,
ich möchte mich mit folgender Frage an Sie wenden:
Was wollen Sie gegen die ständig zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft unternehmen, die erhebliche Tierschutzprobleme mit sich bringt? (Massentierhaltung in artwidrigen Systemen wie Käfig, ganzjährige Stallhaltung auf beengtem Raum mit Vollspalten ohne Einstreu, die einseitige Hochleistungszucht z.B. von Mastgeflügel, routinemäßige Amputationen von Schnabelspitzen bei Geflügel und Ringelschwänzen bei Schweinen, die betäubungslose Ferkelkastration, Fütterung mit Gensoja aus Regenwaldabholzung, Antibiotikamissbrauch durch vorbeugende Gaben, Langstreckentiertransporte quer durch Europa und die dabei stattfindenden häufigen Gesetzesverstöße wegen mangelnder Kontrollen, betäubungsloses Schächten?
Was wollen Sie unternehmen, um den Biolandbau zu fördern?
Mit freundlichen Grüßen,
Angela Selmeier
Sehr geehrte Frau Selmeier,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gern beantworte. Sie sprechen in Ihrer Frage zahlreiche Spezialthemen an, die im Wesentlichen die Bereiche Tierschutz sowie Nachhaltige Landwirtschaft betreffen.
Zum Tierschutz:
Die artwidrige Haltung von Tieren (im Übrigen auch Haustieren) ist in Deutschland verboten. Dazu gehört auch die Amputation von Schnabelspitzen. Dass Antibiotikamissbrauch nicht erlaubt ist, ergibt sich schon aus dem Wort selbst. Selbstverständlich sind festgestellte Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung streng zu ahnden. Die entsprechenden Kontrollen liegen im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer und können vom Bundestag nicht direkt beeinflusst werden.
Gleichzeitig möchte ich aber auch betonen, dass artgerechte Tierhaltung nichts mit der Anzahl der gehaltenen Tiere zu tun hat. Dazu gibt es auch ausführliche Untersuchungen. Die weitverbreitete Auffassung, es käme nur in konventionellen (Groß)betrieben zu Gesetzesverstößen, ist leider falsch.
Generell setzt sich die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag für die Verbesserung des Tierschutzes auf allen Ebenen ein. Dazu gehört unter Anderem ein umfangreiches Tierschutz-Paket, dass Bundesministerin Aigner im Februar vorgestellt hat und noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Es beinhaltet beispielsweise das Verbot des Schenkelbrands bei Pferden, die Schaffung von Anforderungen an die Haltung von Kaninchen und Puten oder Regelungen aufgrund des BVerfG-Beschlusses zur Kleingruppenhaltung von Legehennen. Darüber hinaus soll das Säugetier-Gutachten überarbeitet, die Tierhaltung im Zirkus noch einmal überdacht sowie eine Tierschutzkennzeichnung eingeführt werden.
Zur betäubungslosen Ferkelkastration kann ich Ihnen mitteilen, dass die Politik sowie die Branchenverbände sich aus eigenem Interesse bereits seit Jahren mit diesem Thema intensiv befassen. Dazu wurden Forschungsvorhaben gestartet und bereits 2008 die sogenannte Düsseldorfer Erklärung von DBV, VDF und HDE verabschiedet. Als Ziel wurde damals vorgegeben, dass auf die Kastration von Ferkeln unter Ausschluss jeglicher Risiken für die Verbraucher und für die Tiere verzichten werden soll.
Nach umfangreichen Untersuchungen von Alternativmethoden (Betäubung, Impfung) erfolgte dann 2010 die „Europäische Erklärung zum Ausstieg aus der Ferkelkastration“, die von 18 Organisationen und Verbände unterzeichnet wurde (unter Anderen auch vom Europäischen Bauernverband COPA). Bereits heute ist der Einsatz von Betäubungs- oder Schmerzmitteln zwingende Voraussetzung im Qualitätssicherungs-System der Lebensmittelwirtschaft.
Darüber hinaus führte die umfangreiche Forschung inzwischen auch zu einer Impfmethode, die den von den Verbrauchern leider nicht tolerierten Ebergeruch (bei nicht erfolgter Kastration) beseitigen soll.
Zum von Ihnen angesprochenen betäubungslosen Schächten gibt es seit Jahren Verbots-Initiativen auf allen politischen Ebenen. So auch von der Union. Bisher scheiterten alle Anläufe jedoch an der im Grundgesetz festgeschriebenen Religionsfreiheit, die ein Grundrecht darstellt. Der Tierschutz dagegen wurde zwar (mit den Stimmen der Union) im Grundgesetz zum Staatsziel erhoben, muss aber bei der Abwägung durch die Gerichte regelmäßig zu Gunsten der Religionsfreiheit zurücktreten. Daher sind dem Gesetzgeber hier die Hände gebunden.
Positiv herausgestellt werden muss in diesem Zusammenhang, dass nicht wenige Gelehrte islamischen Glaubens ausdrücklich betonen, dass ein schmerzfreies, also betäubtes Schlachten (Schächten) zu rituellen Zwecken nicht nur möglich, sondern nach den Religionsgesetzen auch absolut geboten ist.
Das betäubungslose Schächten wird im Übrigen nur in seltenen Ausnahmen nach einer detaillierten Einzelfallprüfung durch die zuständigen kommunalen Behörden zeitlich und mengenmäßig befristet gestattet und anschließend überwacht, auch wenn die Berichterstattung in einigen Medien den Anschein erweckt, als handele es sich um ein Massenphänomen.
Zum Biolandbau:
Die Branche für ökologisch produzierte Lebensmittel hat in den vergangenen Jahren eine hervorragende Entwicklung genommen. So betrug der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln und Getränken im LEH im vergangenen Jahr 5,8 Mrd. €. Darüber freue ich mich außerordentlich. Jedes Unternehmen, also auch jeder landwirtschaftliche Betrieb sollte aus Sicht der Union die Produktionsrichtung ergreifen können, in der er die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg sieht. Dies ist Ausdruck der freien Marktwirtschaft.
Im Zuge der allgemeinen Sparanstrengungen musste auch der Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erhebliche Mittelkürzungen verkraften. Die Kürzung gegenüber dem Vorjahr betrug insgesamt über 350 Mio. Euro. Selbstverständlich stand daher auch der Mittelansatz für das Bundesprogramm Ökolandbau auf dem Prüfstand.
Als Ergebnis der Beratungen wurde der Mittelansatz, trotz anderweitiger erheblicher Haushaltsbelastung, unverändert bei der bisherigen Höhe belassen. Dafür habe ich mich in den Beratungen ebenfalls eingesetzt.
Gleichzeitig muss aber berücksichtigt werden, dass nicht eine besondere Form des Anbaus, sondern die speziellen Methoden besonders nachhaltigen Wirtschaftens gefördert werden sollten. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sind dies zum Beispiel Maßnahmen zum Bodenschutz, Gewässerschutz, oder dem Schutz vor Erosion. Dies kann z.B. durch Zwischenfruchtanbau, erweiterte Fruchtfolgen oder dem Erhalt von Blühstreifen und Hecken erreicht werden.
Daher wurde die Zweckbestimmung nun auf „Zuschüsse zur Förderung des ökologischen Landbaus und anderer nachhaltiger Formen der Landwirtschaft“ festgelegt. Auf diese Weise gehören in Zukunft beispielsweise auch Neuland-Betriebe zum Kreis der potentiell berechtigten Antragsteller, was in der Vergangenheit nicht der Fall war.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Johannes Singhammer