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Frage von Reinhold S. •

Frage an Johannes Jung von Reinhold S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Jung,
Sie waren wahrscheinlich genauso erstaunt wie ich, als Sie von der Kündigung einer Verkäuferin gelesen haben, die nach 30 Jahren bei Kaiser wegen Rabattmarken im Wert von 1,30 Euro entlassen wurde. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat dieses Urteil bestätigt.
Möglicherweise sagen Sie als Politikwissenschaftler, der Richter konnte gar nicht anders entscheiden, da er an die bestehenden Gesetze gebunden ist. Dies ist auch in meinen Augen ein großer Vorteil eines Rechtsstaats, dass Richter nicht nach eigenem Gutdünken entscheiden können (auch wenn sie einen gewissen Bewertungsspielraum haben), sondern sich an die bestehenden Gesetze halten müssen. Sie wurden in den Bundestag gewählt, um dafür zu sorgen, dass Gesetze so gemacht werden, dass sie von einem Großteil der Bürger als gerecht empfunden werden. Und das ist bei der oben erwähnten Kündigung genausowenig der Fall wie bei der Geldstrafe von Herrn Zumwinkel, der trotz Steuerhinterziehung in Millionenhöhe seinen Lebensabend auf seinem Schloss am Gardasee genießen kann. Oder bei den Bankmanagern, welche der Wirtschaft und damit der Allgemeinheit Milliardenschäden zugefügt haben und trotzdem zum Teil Millionen-Boni kassieren. Oder bei der Abfindung von 1,9 Millionen Euro für den Freiburger Chefarzt, der wegen Schampereien bei Operationen vom Dienst suspendiert wurde.
Ich möchte Sie bitten, sich dafür einzusetzen, dass solche Gesetze richtiggestellt werden. Der letzte Fall betrifft zwar Landesgesetze von Baden-Württemberg, aber ich hoffe, dass Ihr Wort auch in Stuttgart Gehör findet. Oder gibt es aus Ihrer Sicht gewichtige Gegenargumente?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Reinhold Schnur

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Sehr geehrter Herr Schnur,

besten Dank für Ihre e-Mail. Auch mir ist das Urteil gegen die Kassiererin völlig unverständlich, weil ich keine Verhältnismäßigkeit erkennen kann. Ich kann also verstehen, dass dieses Urteil als nicht gerecht empfunden wird, zumal das Gericht durchaus anders hätte entscheiden können. Als solches sind die Gerichte aber unabhängig; es obliegt ihnen, die bestehenden Gesetze auszulegen und mögliche „Spielräume“ zu erkennen. In den allermeisten Fällen ist unsere Gerichtsbarkeit auch nicht zu kritisieren. Das heißt nicht, dass sich Gerichte nicht irren können. Dann muss auch sachlich-konstruktive Kritik erlaubt sein. Das ist auch Aufgabe der Politik, und das ist in diesem Fall auch deutlich geschehen. Die bestehenden Gesetze sehe ich also nicht so sehr als das Problem. Es ist auch nicht nützlich, wegen recht weniger Einzelfälle nach neuen Gesetzen zu rufen. Und in manchen Fällen „nutzt“ dem Staat und der Gesellschsft eine hohe Geldstrafe mehr als Haft auf Staatskosten.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Jung