Frage an Johannes Jung von Jens M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Jung,
Sie sind ja Mitglied des Unterausschusses "Vereinte Nationen". Wie beurteilen Sie die Zerstörung von mindestens 50 Gebäuden der Vereinten Nationen (Quelle: United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA)) im Gaza-Streifen?
Insbesondere vor dem Hintergrund, daß Deutschland einer der größten Beitragszahler der Vereinten Nationen ist: Besteht Ihrer Ansicht nach Aussicht darauf, daß die Vereinten Nationen den Staat Israel auf Schadenersatz in Anspruch nehmen werden?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Mail.
Die Zerstörung von UN-Einrichtungen ist tragisch. Für die Menschen in Gaza jedoch ist die Frage, ob die Vereinten Nationen den Staat Israel auf Schadenersatz in Anspruch nehmen werden, gegenwärtig eher sekundär. Höchste Priorität hat die humanitäre Hilfe. Die humanitäre Lage in dem am dichtesten besiedelten Platz der Welt ist nach Aussagen von UN-Vertretern so schlimm wie nie zuvor.
Am 27.12. begann Israel die Militäroperation "Gegossenes Blei" als Reaktion auf verstärkte Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Nach mehr als drei Wochen Krieg im Gazastreifen hat Israel am 17. Januar einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages erklärte Hamas sich bereit, seine Raketenangriffe auf Israel zu stoppen. Am heutigen Tag ist Israels Armee vollständig aus dem Gazastreifen abgezogen. Diese Waffenruhe ist jedoch alles andere als stabil.
Der Krieg weist eine traurige Bilanz auf: Unter den 1300 toten Palästinensern zählen wir über 400 Kinder und mehr als 100 Frauen. 500 der 5300 Verwundeten befinden sich in kritischem Zustand. Zehn israelische Soldaten wurden seit Beginn der Bodenoffensive getötet, 30 verletzt. Die Raketenangriffe auf israelische Städte haben bislang nach israelischen Angaben vier Todesopfer und 250 Verletzte gefordert. Nach Einschätzungen des UN-Nothilfekoordinators John Holmes werde der Wiederaufbau der im Krieg zwischen Israel und der Hamas zerstörten Infrastruktur mehrere Milliarden kosten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat bei einem Besuch im Gazastreifen eine vorbehaltlose Untersuchung des Beschusses von drei Gebäuden der Vereinten Nationen durch die israelischen Streitkräfte gefordert.
Die internationale Staatengemeinschaft muss alles daran setzen, zu einem dauerhaften Waffenstillstand zu kommen. Deutschland und die EU können dabei wichtige Beiträge leisten.
Der von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagene Arbeitsplan identifiziert fünf Schwerpunkte des europäischen Engagements:
1. Humanitäre Hilfe: Erstversorgung der Bevölkerung, Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung von Strom- und Wassserversorgung
2. Verhinderung des Schmuggels von Waffen und Munition: Ausbildung und Beratung von Personal; Beschaffung von Spezialausrüstung
3. Verlässliche und nachhaltige Öffnung der Grenzübergänge auf Grundlage des "Agreement on Movement and Access" von 2005: dazu gehört die Wiederaufnahme der EU-Grenzmission in Rafah sowie die Prüfung einer EU-Rolle bei der Öffnung weiterer Grenzübergänge
4. Wiederaufbau: Schadensfeststellung und Wiederaufbaukonferenz
5. Wiedereinstieg in den israelisch-palästinensischen Verhandlungsprozess: dazu Konsultationen im Nahost-Quartett und mit der Arabischen Liga.
Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten zeigen, wie dringlich und alternativlos das beharrliche Eintreten für eine friedliche Verständigung zwischen den Völkern in der Region ist. Deutschland setzt sich gemeinsam mit seinen internationalen Partnern für einen gerechten Frieden im Nahen Osten ein. Die Ziele sind dabei die Sicherheit des Existenzrecht Israels und die Schaffung eines unabhängigen lebensfähigen Staates Palästina. Soviel ist klar: Frieden braucht Mut und an diesem mangelt es den meisten Akteuren leider in der Region. Wir als SPD glauben aber fest daran, dass eine friedliche Koexistenz möglich ist und setzen uns mit unserem Außenminister an der Spitze für den Frieden im Nahen Osten ein.
Beste Grüße
Johannes Jung