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Johannes Jung
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Frage von Uwe B. •

Frage an Johannes Jung von Uwe B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Johannes Jung,

nenne mir nur einen Grund, der rechtfertigt, dass du dir selbst Diäten erhöht hast, die nach meiner Schätzung schon vor der Erhöhung doppelt so hoch waren wie Dein Einkommen als "wissenschaftlicher Mitarbeiter".

Ich kann dir als Historiker gerne denn Sinn von Diäten erklären.

Ich darf an Herbert Wehner und seine Meinung zu dieser Art von Selbstbedienung erinnern.

Mit freundlichen Grüßen,

dein alter Juso-Genosse

Uwe Becker

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Antwort von
SPD

Lieber Uwe Becker,

freut mich, von Dir nach vielen Jahren zu hören, auch wenn es mir lieber und für Dich auch nahe liegend gewesen wäre, Dich direkt bei mir im Büro zu melden. Aber es geht selbstverständlich auch über "abgeordnetenwatch.de".

In unserer gemeinsamen Heidelberger Zeit gab es den Abgeordneten Hartmut Soell, der mir im letzten Jahr auf einer Veranstaltung in Karlsruhe zu verstehen gab, er fürchte, dass angesichts der heute üblichen Ignoranz und Abfälligkeit gegenüber der Tätigkeit der Abgeordneten sich bald niemand mehr, der Verantwortungsbewusstsein, Selbstachtung und Idealismus aufweist, für diese Aufgabe bereit fände. Ich persönlich hoffe und arbeite daran, dass es nicht so weit kommt.

Lieber Uwe, Deine eMail passt aber leider voll in dieses von Hartmut Soell gezeichnete Bild. Warum?

1. Wer soll entscheiden?
Es ist nach Entscheid des Bundesverfassungsgerichts von 1975 Aufgabe der Bundestagsabgeordneten, "vor den Augen der Öffentlichkeit" selbst über ihre Entschädigung zu entscheiden. Richtig so! Wer sollte das dem Gesetzgeber, den in allgemeiner, freier und geheimer Wahl gewählten Abgeordneten, denn abnehmen? Etwa ein diffuser Expertenrat, den sich die FDP wünscht? Nein, ich bin entschieden dafür, dass die Abgeordneten selbst und selbstbewusst diese Entscheidung treffen. Das ist keine Selbstbedienung, sondern unsere Aufgabe.

2. Wie hoch soll diese Entschädigung sein?
Ebenfalls unter Bezug auf das Bundesverfassungsgericht ist festzustellen: Bundestagsabgeordnete erhalten seit vielen Jahren weniger, als im Gesetz steht. Warum? Weil es niemals einen geeigneten Zeitpunkt zur Anpassung der Diäten gab, gibt und geben wird. Denn jedes Mal bricht eine unglaubliche Hysterie aus, die mit dem Vorgang selbst nicht zu begründen ist. Die Angst vor dieser Hysterie und den üblichen miesen Schlagzeilen verhindert seit 1975 überfällige Anpassungen an die allgemeine Lohnentwicklung. Mit der nun getroffenen Entscheidung -- Erhöhung um 1,5 Prozent pro Jahr bis 2012 - wird die Abgeordnetenentschädigung der Besoldung einfacher Richter an Bundesgerichten angeglichen. Das ist in Ordnung. Abgesehen davon wird die völlig zu Recht kritisierte Altersversorgung nun heruntergefahren. Für die meiner Ansicht nach richtige Systemumstellung, die zum Beispiel der Landtag NRW jüngst geschafft hat, fand sich die CDU/CSU nicht bereit.

3. Warum ist der Vergleich zum Einkommen vor dem Bundestagsmandat untauglich?
Verdoppelt hat sich mein Einkommen keineswegs. Darauf kommt es aber überhaupt nicht an. Wenn ich nur Geld verdienen wollte, würde ich was anderes machen. Was gilt denn für einen halbtags arbeitenden kaufmännischen Angestellten, wenn er ins Parlament gewählt wird? Arbeitet er einfach mit rund 19 Wochenstunden weisungsgebunden weiter? Was gilt für den Energiemanager Werner Müller, der nach seiner Zeit als Wirtschaftsminister wieder in seine Branche zurückkehrte -- wie viel darf er im Parlament oder als Minister verdienen? Was gilt für die freiberufliche Dozentin? Was gilt für den Gewerkschaftssekretär, die Hochschullehrerin, den Konditormeister, die Chemielaborantin, den Eigentümer einer PR-Agentur oder einen Arbeitslosen? Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, sie blenden aber den einzig entscheidenden Punkt aus: Was tut ein Abgeordneter wirklich und was soll uns das wert sein? Und deshalb ist meine zuvor ausgeübte Tätigkeit im erlernten Beruf als Politikwissenschaftler mit halbwegs geregelter und überschaubarer Wochenarbeitszeit, geregelten Urlaubstagen, fast immer freien Wochenenden, einem erträglichen Maß an Dienstreisen und das alles fernab von jeder öffentlichen Kontrolle und Kritik absolut nicht mit den Aufgaben als Bundestagsabgeordneter vergleichbar.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Jung

PS: Was Dir Herbert Wehner geantwortet hätte, wollen wir uns lieber nicht ausmalen.