Frage an Johannes Jung von Marco D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Jung,
aktuell beschäftigt mich die Diskussion über die geplante Erweiterung bzw. Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Anti-Terror-Maßnahmen, insbesondere den Abschuß einer Passagiermaschine, bei der Tatunbeteiligte betroffen wären.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Abschussermächtigung für entführte Flugzeuge für nichtig erklärt mit der Begründung, sie sei mit den Grundrechten auf Menschenwürde und auf Leben unvereinbar und eine Abwägung von Leben gegen Leben sei unzulässig. (Quelle: Spiegel.de)
Demzufolge regt Innenminister Schäuble (CDU) eine Grundgesetzänderung an, um diese Maßnahme durch einen Passus ins Grundgesetz einarbeiten zu lassen, der das entsprechende ausführende Organ zu den notwendigen Handlungen legitimiert.
Ich frage mich gerade: WOZU?
Ist es denn nicht so, daß die Bedrohung durch Terrorismus in Deutschland weniger durch die seit dem 11. September bekannte aber danach nie mehr gelungene Entführung von Passagiermaschinen zum Zwecke der Verwendung als fliegende Bomben ausgeht, sondern von "klassischen" Autobomben oder anderen perfiden Attentats-Varianten?
Für die Sicherheit des Flugverkehrs wird doch schon einiges getan. Es gibt sog. Skymarshals und etliche Kontrollen, z.T. auch Schikanen an und um die Flughäfen, Abgeschirmte Cockpits um ein Eindringen in selbiges zu Verhindern, Schulungen der Crews etc., um ein Szenario ähnlich des 11. Septembers zu verhindern - offenbar mit Erfolg.
Wozu ist dann noch diese Grundgesetzänderung notwendig?
Sehr geehrter Herr Deiana,
besten Dank für Ihre e-Mail in Sachen "Abschussermächtigung".
Die Rechtslage ist eindeutig: der Abschuss eines Passagierflugzeuges ist ein Verfassungsbruch, und das wird er auch bleiben. Nach Ansicht der Verfassungsrichter ist es "schlechterdings unvorstellbar", auf gesetzlicher Grundlage unschuldige Menschen in hilfloser Lage vorsätzlich zu töten.
Begründet wird dies in der Tat mit Verweis auf die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) und auf das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1). Diese Grundsätze sind bekanntlich unabänderlich. Demzufolge würden sich auch die betroffenen Piloten strafbar machen.
Auch der Glaube, ein übergesetzlicher Notstand könne das zukünftig legitimieren, ist ein Irrglaube. Das haben Herr Schäuble und mein Namensvetter, Herr Jung, zur Kenntnis zu nehmen. Auch hat die SPD hat eine glasklare Position zum Einsatz der Bundeswehr im Innern: Die Bundeswehr ist keine Hilfspolizei und soll es auch nicht werden.
Über die konkrete Art von Terroranschlägen will ich lieber nicht spekulieren. Deutschland ist wie alle anderen europäischen Länder Teil eines Gefahrenraums. Die potentielle Bedrohung wird auch von der SPD ernst genommen. Die SPD-Bundestagsfraktion und Justizministerin Brigitte Zypries werden sich den Vorhaben von Herrn Schäuble auch weiterhin widersetzen.
Ich meine, für die reale Sicherheitslage und für das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger sind gut ausgebildete, gut ausgestattete und angemessen bezahlte Polizeibeamte erheblich zweckmäßiger als die permanente Verunsicherung durch die Forderungen nach neuen und schärferen Gesetzen. Dass man der Polizei beim Schutz der Bevölkerung vertrauen kann, hat diese gerade eben wieder bewiesen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Jung