Frage an Joerg-Uwe Sanio von Mike S. bezüglich Wirtschaft
Als letzte Frage von meiner Seite möchte ich allen Kandidaten des Wahlkreises Waldshut heute eine Frage zur Wirtschaftspolitik stellen.
Aus meiner Sicht tendierte in den letzten 20 Jahren die Marktwirtschaft in Deutschland weg von der Sozialen Marktwirtschaft im Sinne von von Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard hin zur Neoliberalen Marktwirtschaft. Offen sichtbar wurde dies in den Auswüchsen der Finanzkrise. Zu viel Geld war im Umlauf, das an spekulativen Märkten ohne Bindung zum Grundgeschäft (z.B. Rohstoffe, Realwirtschaft, Immobiliengeschäft usw.) verspielt wurde. Neoliberal gedacht, hätte man die Betroffenen leer ausgehen und Pleite gehen lassen müssen. Wer zockt, sollte aus meiner Sicht dafür gerade stehen. Wie gerecht es war, die Verluste zu sozialisieren und auf die Gemeinschaft umzulegen, darüber muss m.E. noch gestritten werden.
Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, der zunehmenden Globalisierung (auch des Wunsches nach Freiheit und Wohlstand, wie in Nordafrika) und der endlichen Ressourcen (Rohstoffe, Landfläche, Wasser usw.) warnen einige Wirtschaftswissenschaftler vor ungebremsten Wirtschaftswachstum und sprechen sogar schon von der Postwachstumsgesellschaft ( http://www.postwachstum.de ).
Die bürgerlichen Parteien predigen aber immer noch den Zwang zum Wirtschaftswachstum als einziges Instrument, Wohlstand für viele zu schaffen. Haken ist unter andem aber auch die Messbarkeit des Wirtschaftswachstums und des Wohlstandes. Das Wirtschaftswachstum wird Stand heute an fragwürdigen Parametern gemessen. Zum Beispiel am Bruttoinlandsprodukt, dass aber nicht nur bei guter Produktionsauslastung sondern dass auch undifferenziert bei Naturkatastrophen und gnadenloser Ausbeutung der Menschen und der Natur sehr hoch ist (wie z.B in China).
Welches Wirtschaftssystem favorisieren Sie? Welche Ideen haben Sie oder Ihre Partei , wie man ein dieses System verbessern kann? Oder streben Sie ein komplett anderes Wirtschaftssystem an?
Sehr geehrter Herr Schinkel
Bitte haben Sie Verständnis für meine etwas spät eintreffende Antwort, doch aufgrund des sehr mich betroffen machenden Ereignisses aus dem auf einmal sehr nah erscheinenden Japan habe ich wohl etwas die andere Angelegenheit liegen lassen.
Die Partei DIE LINKE hängt keinen utopischen Ideen an. So soll auch das gegenwärtige Wirtschaftssystem nicht einfach komplett zerstört und dann aus dem Chaos neu erfunden werden. Solcherlei „Ideen“ überlassen wir getrost den wenigen extremistischen Spinnern, wie es sie nun mal – auch in einer verschwindend geringen Minderheit – in allen gesellschaftlichen Gruppierungen und also auch in allen Parteien gibt. Wir bekennen uns immer und immer wieder zur freiheitlich demokratischen Grundordnung fest auf dem Grundgesetz unserer Bundesrepublik Deutschland.
DIE LINKE will das gegenwärtige Wirtschaftssystem erhalten, wir wollen jedoch die Herausforderung annehmen, diese zu einer ressourcensparenden und ökologisch verträglichen Produktionsweise umzubauen. Nachhaltigkeit ist gefordert, und deshalb wird der reine Ressourcenverbrauch auch als echte Bedrohung wahrgenommen.
Um zukunftsfähig zu sein, reicht der Aufbau einer Industrie für regenerative Energien, wie er von den GRÜNEN gefordert wird, nicht aus, um unsere Industrie für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen. Es ist auch eindeutig zu wenig, wenn die sonstigen Vorschläge der Parteien in Baden-Württemberg allein den sparsameren Umgang mit Ressourcen betreffen.
Wachstum allein darin zu sehen, daß, wie der Autohersteller TOYOTA ankündigte, im Jahr 2011 über 10 Millionen Autos aus seiner Produktionspalette verkaufen zu wollen, ist betriebswirtschaftlich gesehen, ein Feuerwerk an der Börse wert. Volkswirtschaftlich gesehen ist dies gleichzusetzen in dem Vorhaben, das Ausrotten der Blauwale als einen gleichfalls erstrebenswerten börsentauglichen Erfolg anzusehen.
Der Landtagsabgeordnete (und –kandidat) kann und muss das „kleine Ziel“ ins Auge fassen und einen „Wachstumserfolg“ in der Nachhaltigkeit mit den Möglichkeiten von heute und hier im Land sehen. Die nachfolgenden Beispiele klingen zwar wieder nach bundespolitischen Zielen, wirken sich jedoch hier im Lande aus, da sich Standorte dieser oder Wirkungsfelder in unserem Land befinden.
So ist denn ein Wachstumserfolg in der Nachhaltigkeit darin zu sehen, daß die regenerative Windkraft bereits bundesweit 190.000 Arbeitsplätze geschaffen hat, während die Atomkraft symbolhaft für den Stillstand in dieser Technik von gestern auf 36.000 Arbeitsplätzen stehen geblieben ist. Ähnliches ist auch in der Photovoltaik und der Wasserkraft zu vermelden.
Auch ist ersichtlich, daß sich nachhaltige und sofort erschließbare „Wachstumsmärkte“ bei dem Umbau der Millionen von Wohnungen und Arbeitsstätten bis hin zum Null-Energiehaus-standard für dementsprechend viele Arbeitsplätze herausbilden lassen.
Aber auch eine Bahn ohne Zwang zur Börsentauglichkeit und hin als ein echtes ökologisches und zuverlässig funktionierendes Verkehrsmittel für Personenbeförderung und Güterverkehr mit sich dann folgerichtig erweiternden Bahnwegen.
Wie richtig allein DIE LINKE mit der Konversion von hauptsächlich früheren Rüstungsherstellern zu sogenannten „friedlichen“ Güterproduzenten liegt, zeigt sich an EADS-AIRBUS: die AIRBUS-Flugzeugfamilie ist ein durchschlagender kommerzieller Erfolg, während die milliardenteuren Steckenpferde erzkonservativer Politiker, zum einen der ineffizienteste und teuerste Militärtransporter der Welt A 400 M und der Welt exclusivstes Sportflugzeug EUROFIGHTER – das ist der Flieger, dem die Feindbilder abhanden gekommen sind, denn wir sind ja nun von Freunden umgeben - wie Blei in den Verkaufsregalen liegen.
Wir haben in puncto Umbau unseres Wirtschaftssystems eine Menge anzubieten. Und wir haben auch anzubieten, wie das sich finanzieren lässt.
Entgegen der Meinung anderer, die uns gebetsmühlenhaft diese Frage stellen in der Absicht, nach außen hin den Eindruck finanzieller Traumgebilde der LINKEN nachweisen zu können, funktioniert es auch.
Joerg-Uwe Sanio