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Frage von Torsten G. •

Frage an Jörg Tauss von Torsten G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Tauss,

ich würde gerne wissen wie Sie zu dem Thema Online-Durchsuchung stehen. Durch die ständigen Verfassungsbrüche der Behörden sehe ich die Gefahr eines Überwachugnsstaates der sich nicht um rechtliche Grundsätze schert. Wie im vergangen Jahr zu sehen wahr hält der deutsche Staat nicht sehr viel von unserer Verfassung. Es werden aus unerklärlichen Gründen Bundesbürger mit hilfe des Antiterrorparagraphen überwacht, die Post von G8 Gegnern wird kontrolliert, Computer und Wohnungen ohne jedwege rechtliche Grundlage (wie später durch Gerichte festgestellt) durchsucht. Ich verstehe nicht was dies mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu tun hat. Da das Thema Online-Durchsung nun immer wieder in Medien wie auch durch Innenminister Schäuble in die Diskussion gebracht wird würde ich gerne einmal Ihre Meinung dazu hören.

Mit freundlichen Grüßen

Torsten Großkurth

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Sehr geehrter Herr Großkurth,

vielen Dank für Ihre gestrige Anfrage.

In meiner Funktion als medien-, aber auch als forschungspolitischer Sprecher meiner Fraktion, habe ich erhebliche rechtliche und technische Bedenken hinsichtlich der Einführung der umstrittenen sog. Onlinedurchsuchung und bin aus diesem Grunde ausgesprochen skeptisch. Mich überzeugen die von den Befürwortern dieser Maßnahme vorgetragenen Argumente zur Notwendigkeit und zur Tauglichkeit dieses ermittlungstechnischen Instruments in keinster Weise. Dies galt und gilt sowohl für die Forderungen des Bundesinnenministers, als auch für die aktuellen Forderungen aus Bayern, wo den dortigen Behörden - so ist es der Wunsch der CSU - der heimliche Zugriff auf Computer ermöglicht werden soll. In meinen Augen ist die geplante Onlinedurchsuchung ein unausgereiftes und insbesondere tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifendes Ermittlungsinstrument. Das heimliche und unbemerkte (Online)Ausspähen und (Online)Durchsuchen von „informationstechnischen“ Systemen steht meiner Meinung nach der Wahrung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung diametral entgegen. Die im aktuellen Entwurf des BKA-Gesetzes geplante Onlinedurchsuchung kommt in meinen Augen daher der Eingriffstiefe der Überwachung des „Schlafzimmers“ gleich.

Bevor daher ein solches Instrument, mit dem tief in die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer und möglicherweise auch in den Kernbereich der privaten Lebensführung sowie in den geschützten Bereich der Berufsgeheimnisträger eingegriffen wird, überhaupt eingeführt wird, müssen die technischen Möglichkeiten, wie auch deren Grenzen, deren Folgen und die rechtlichen - insbesondere die verfassungsrechtlichen - Voraussetzungen geklärt und die Notwendigkeit und Tauglichkeit eines solchen Instruments dargelegt werden. Vor einer politischen Entscheidung sollte auf jeden Fall das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Klage gegen die nordrhein-westfälische Onlinedurchsuchung durch den dortigen Verfassungsschutz abgewartet werden. Insbesondere macht es aus meiner Perspektive keinen Sinn, heute den populistischen Forderungen des Bundesinnenministers nachzugeben, um sich dann wenige Monate später vom Verfassungsgericht die Unmöglichkeit eines solchen heimlichen Ermittlungsinstrumentes bestätigen zu lassen – diese Korrektur in sicherheitspolitischen Fragestellungen durch das Bundesverfassungsgericht ist in der Vergangenheit viel zu oft geschehen. Und wenn Sie sich die mündliche Verhandlung über das NRW-Verfassungsschutzgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht im Oktober verfolgt haben, liege ich mit meiner Einschätzung sehr richtig. Die Position des Verfassungsgerichts war so eindeutig, dass man sich bei der mündlichen Verhandlung nur sehr kurz mit dem eigentlichen Thema befasst hat und vielmehr einen Großteil der Zeit mit der Diskussion der zurzeit nur im Entwurf vorligenden Novelle des BKA-Gesetzes aus dem Bundesinnenministerium verbracht hat, in dem insbesondere um die Onlinedurchsuchung geht. Ein in meinen Augen noch die dagewesener Sachverhalt.

Zwei Bemerkung noch zum Schluss: Gerade wegen der technischen und rechtlichen Problem einer Onlinedurchsuchung wurde im Letzten Herbst seitens des Bundesjustizministeriums und seitens der Arbeitsgruppen für Bildung und Forschung sowie Kultur und Medien ein sehr umfangreicher Fragenkataloge vorgelegt und in der Zwischenzeit vom Bundesinnenministerium formal - in meinen Augen aber völlig unzureichend - „beantwortet“. Denn, erstens blieben zahlreiche Fragen unbeantwortet oder werfen zweitens sogar weitere Fragen auf, so dass die SPD-Bundestagsfraktion weiterhin auf Klärung dieser Fragen besteht. Sowohl Fragenkatalog, als auch „Antworten“ finden sich übrigens in den einschlägigen Internetforen und Blogs.

Überdies können unausgegorene Ermittlungsinstrumente und eine unausgereifte Technik nicht nur eine erhebliche Gefahr für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland – Stichwort: Wirtschaftsspionage – darstellen, sondern können vielmehr auch Tür und Tor für ein Ansteigen jeglicher Kriminalität in weltweiten Datennetzen öffnen. Auf der Basis des jetzigen Kenntnisstandes wäre die Ermöglichung der Onlinedurchsuchung aber eben genau dies: ein unausgegorenes Ermittlungsinstrument auf Basis einer unausgereiften Technik, welche in ihren Folgen und Nebenwirkungen nicht verantwortbar wäre.

Mit freundlichen Gruessen
Joerg Tauss