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Frage von Marinus S. •

Frage an Jörg Tauss von Marinus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Tauss,

mein Arroganzvorwurf bezog sich z.B. und u.a. auf das eine Ihrer Antworten vorausgestellte „Gähn!“. Da es sich bei abgeordnetenwatch um kein Diskussionsforum handelt, verzichte ich auf weitere Kommentierungen; vielleicht haben Sie aber die Freundlichkeit, mir folgende Fragen zu beantworten:

1.) Können Sie sich erklären, warum es Oskar Lafontaine trotz der von Ihnen behaupteten schweren charakterlichen Mängel bis zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten bringen konnte und wieso er von großen Teilen der SPD (die Bundestagsfraktion eingeschlossen) „geliebt“ und „verehrt“ wurde?

2.) Wann sind Ihnen die charakterlichen Defizite Ihres ehemaligen Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten erstmals aufgefallen?

3.) Haben Sie sich während der Amtszeit Oskar Lafontaines als Finanzminister je zu dessen „kläglichem Versagen“ im Bundestag geäußert, und, wenn nein, aus welchen Gründen?

4.) Was hat Ihrer Meinung nach frühere SPD-Vorsitzende und -Minister daran gehindert, sich nach Ihrem Ausscheiden aus der Politik auf lukrative Posten hieven zu lassen (wie z.B. Herr Schröder von Gasprom oder wie Herr Clement, der in den Vorstand einer Zeitarbeitsfirma hinüberwechselte) und ließe sich aus dem Verhalten der genannten Herren nicht auch das Vorliegen schwerer charakterlicher Mängel ableiten?

5.) Halten Sie es für eine Folge linkspopulistischer Politik, wenn, nach einer aktuellen ZEIT-Umfrage, inzwischen 72% (76% bei SPD-Anhängern, 60% bei Unions-Anhängern) aller Befragten finden, die Regierung tue zu wenig für soziale Gerechtigkeit?

6.) Womit hängt es Ihrer Meinung nach zusammen, wenn die Akzeptanz gesellschaftlicher Ungleichheit schwindet bzw. wie verhalten Sie sich zu dem Ergebnis der o.g. Befragung, wonach der Glaube, dass von einer an Leistung gebundenen gesellschaftlichen Ungleichheit letztlich alle profitierten, dramatisch abgenommen hat?

Mit freundlichen Grüßen
Marinus Stark

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Sehr geehrter Herr Stark,

> mein Arroganzvorwurf bezog sich z.B. und u.a. auf das eine Ihrer Antworten vorausgestellte „Gähn!“.

Ich bitte um Verstaendnis, wenn man angesichts mancher Provokationen auch mal gaehnen muss. Hoeflicherweise werde ich es aber nicht wiederholen.

> 1.) Können Sie sich erklären, warum es Oskar Lafontaine trotz der von Ihnen behaupteten schweren charakterlichen Mängel bis zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten bringen konnte und wieso er von großen Teilen der SPD (die Bundestagsfraktion eingeschlossen) „geliebt“ und „verehrt“ wurde?

Dieser Verehrung habe ich mich zwar nie angeschlossen. Aber ich habe fuer ihn plakatiert und zugleich anerkannt wie respektiert, dass er ein erfolgreicher Saarbruecker OB und saarlaendischer Ministerpraesident war. Im uebrigen konnte man sich an ihm reiben, zumal er (rechte) Positionen vertrat, die diametral zu den heutigen sind. Ich erinnere z. B. an seine abenteuerliche Haltung zur Arbeitszeitverkuerzung (ohne Lohnausgleich) das lange zurueckliegende "Lied vom Theilen", mit dem er das Teilen innerhalb der Klasse forderte oder seine Forderung zur de fakto - Beseitigung der Arbeitslosenversicherung . Mein persoenlicher Abschied von mir von ihm begann mit seiner rein taktischen Haltung zur deutschen Einheit, die Kohl unnoetigerweise dessen hohen Wahlsieg von 1990 bescherte.

> 2.) Wann sind Ihnen die charakterlichen Defizite Ihres ehemaligen Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten erstmals aufgefallen?

Bei einer Wahlveranstaltung in meinem Wahlkreis, als er trotz erheblicher Verspaetung zunaechst ein Feinschmeckerlokal aufsuchte und trotz hunderter Wartender in der Halle nicht bereit war, auf den einen oder anderen Gang zu verzichten. Ich habe generell Probleme mit Leuten, die derart respektlos mit dem Zeitbudget anderer Menschen umgehen.

> 3.) Haben Sie sich während der Amtszeit Oskar Lafontaines als Finanzminister je zu dessen „kläglichem Versagen“ im Bundestag geäußert, und, wenn nein, aus welchen Gründen?

Nein, weil dies nicht zu meinem Aufgabengebiet gehoerte. Er hatte sich aber z.B. ohne Not öffentlich mit der Bundesbank angelegt. Ein schwerer politischer und taktischer Fehler. Dies hatte ich damals in der Fraktion thematisiert.

> 4.) Was hat Ihrer Meinung nach frühere SPD-Vorsitzende und -Minister daran gehindert, sich nach Ihrem Ausscheiden aus der Politik auf lukrative Posten hieven zu lassen (wie z.B. Herr Schröder von Gasprom oder wie Herr Clement, der in den Vorstand einer Zeitarbeitsfirma hinüberwechselte) und ließe sich aus dem Verhalten der genannten Herren nicht auch das Vorliegen schwerer charakterlicher Mängel ableiten?

Oskar Lafontaine wollte sich z. B. vorbildlicherweise um die Erziehung seines Sohnes kuemmern. Im uebrigen haette ich es auch nicht fuer verwerflich gehalten, wenn er einen anderen Job angenommen haette. Ehemalige Politiker haben kein Berufsverbot. Insofern erkenne ich hier tatsaechlich keine charakterlichen Maengel. Als einen charakterlichen Mangel sehe ich es aber an, sich beispielsweise bei BILD zu verdingen und gegen die eigene Partei Kolumnen zu schreiben - um dann als von Springer eingekaufter Abgeordneter gelegentlich im Bundestag gegen Springer zu wettern.

> 5.) Halten Sie es für eine Folge linkspopulistischer Politik, wenn, nach einer aktuellen ZEIT-Umfrage, inzwischen 72% (76% bei SPD-Anhängern, 60% bei Unions-Anhängern) aller Befragten finden, die Regierung tue zu wenig für soziale Gerechtigkeit?

Nein. Das ist ernst zu nehmen, wenngleich die Meinungsaeusserung nichts mit der Realitaet in einem Land zu tun hat, das 50% aller Steuereinnahmen fuer soziale Zwecke ausgibt.

> 6.) Womit hängt es Ihrer Meinung nach zusammen, wenn die Akzeptanz gesellschaftlicher Ungleichheit schwindet

Waere fuer mich gerade als Bildungspolitker schoen, wenn es so waere.

> dem Ergebnis der o.g. Befragung, wonach der Glaube, dass von einer an Leistung gebundenen gesellschaftlichen Ungleichheit letztlich alle profitierten, dramatisch abgenommen hat?

Diese These habe auch ich nie vertreten.

Mit freundlichen Gruessen
Joerg Tauss