Frage an Jörg Tauss von Marinus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Tauss,
da Sie über einen Listenplatz in den Deutschen Bundestag eingerückt sind, wundere ich mich über Ihre Arroganz im Umgang mit kritischen Fragestellern, die von Ihre politischen Grundhaltung her potentielle SPD-Wähler sein könnten. Ist Ihnen Ihr Listenplatz so sicher, dass Sie auf die Stimmen eines guten Teils Ihrer ehemaligen Wählerschaft glauben verzichten zu können?
Ihre Antworten rechtfertigen weder intellektuell noch sachlich den Gestus, in dem Sie sie vortragen: Ich sehe jedenfalls weder einen Beleg für ein vorhandenes Problembewusstsein, das dem Spannungsverhältnis zwischen praktisch motivierter Parteidisziplin und ethisch begründeter Gewissensentscheidung im Abstimmungsverhalten eines Abgeordneten entspräche (Ihre Einlassungen dazu sind äußerst dürftig), noch für eine politische Urteilsfähigkeit jenseits offizieller Parteirichtlinien und -parolen (es sei denn, Sie hielten eine ausreichend große Zahl von Wählern tatsächlich für so naiv zu glauben, links von der SPD säßen nurmehr Chaoten, Populisten und Spalter; - aber auch dies spräche nicht für ein sonderlich entwickeltes politisches Urteilsvermögen).
Sie täten m.E. gut daran zur Kenntnis zu nehmen, dass es „eine linke Partei neben der SPD“ bereits gibt – und dass es vielen ehemaligen Wählern der SPD inzwischen herzlich gleichgültig ist, ob Menschen wie Sie dies für „nachvollziehbar“ halten. Laut ZEIT stimmt mittlerweile jeder dritte Deutsche wichtigen von der LINKSPARTEI vertretenen Zielen zu. Was mich betrifft, der ich eine gewisse emotionale Bindung an die „alte Tante SPD“ (leider) noch immer nicht gänzlich unterdrücken kann, hielte ich ein Wahlergebnis von unter 30% auf Bundesebene für diese historische verdiente ehemalige Volkspartei für bedenklich. Ich fürchte aber, dass Ihnen dies weniger Leibschmerzen verursachen würde als den meisten jener Wähler, die vor noch nicht allzu langer Zeit noch SPD gewählt haben.
Mit freundliche Grüßen
Marinus Stark
Sehr geehrter Herr Stark,
vielen Dank fuer Ihre (reichlich polemische) Anfrage. Da Sie mir nicht mitteilen, worauf sich Ihr Vorwurf der Arroganz und die Verbindung mit meinem Listenplatz eigentlich bezieht, ist eine konkrete Antwort kaum moeglich. Deshalb ein allgemeiner Versuch:
Das uebliche Abstimmungsverhalten innerhalb einer Koalition habe ich m. E. in verschiedenen meiner Antworten bei "Abgeordnetenwatch" hinreichend und ausfuehrlich dargelegt. Diese Ausfuehrungen haben weder etwas mit "Parteirichtlinien" noch mit "Parolen" sondern allenfalls etwas mit der Einschaetzung schlichter Politikfaehigkeit zu tun.
Ungeachtet dessen ist m. E. fuer eine Partei im demokratischen Spektrum links von der SPD so wenig Platz wie rechts von der Union. Da Sie zudem selbst behaupten, es handele sich bei den Waehlern der sogenannten und mehrfach umbenannten "Linken" um ehemalige SPD- Waehler, duerften Sie dessen ungeachtet mit meiner Spalter - Kritik ja eigentlich keinerlei Probleme haben.
Und dass es sich z. B. bei Herrn Lafontaine um einen bestenfalls erbaermlichen Populisten handelt, der vor politischer Verantwortung im entscheidenden Moment zurueckschreckte, als Parteivorsitzender und Finanzminister klaeglich versagte und heute im Zweifel bei Bedarf sogar rechtsradikale Thesen vertritt, ist allen bestens bekannt, die sich mit diesem Herrn auch nur einigermassen serioes auseinandergesetzt haben. Gerne liefere ich Ihnen eine entsprechende Zitatensammlung. Insofern sollten Sie einmal ueberpruefen, welchem dieser pseudolinken Sprueche "die Waehler" zu 30% zuzustimmen scheinen.
Im uebrigen kann die linke Volkspartei SPD auf ihre Verdienste fuer Deutschland in der Tat stolz sein. Gerade mit dieser unsoliden Schmutzkonkurrenz im Nacken koennen wir auch weiter aufrecht in den Spiegel schauen und auch kuenftig auf Waehlerinnen und Waehler vertrauen, die ueber hinreichenden politischen Verstand verfuegen.
Mit freundlichen Gruessen
Joerg Tauss