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Frage von Michael B. •

Frage an Jörg Tauss von Michael B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Tauss,

Ihr Kollege Pofalla will jetzt auch die Online-Durchsuchung bei Kinderpornographie. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,498729,00.html
Was halten Sie davon? Ich frage Sie dies vor dem Hintergrund, dass hierbei ein Muster erkennbar wird: Erst sammelt der Staat Daten für eine harmlose Sache (z. B. LKW-Maut), später kommt man auf die Idee, dass diese Daten auch für ganz andere Dinge nützlich sind (Strafverfolgung). Wo ist das Ende der Fahnenstange?

Wenn Sie jetzt sagen: Die Freiheitsrechte werden durch unsere Verfassung geschützt, frage ich Sie: Sind Sie sicher, dass Ihre Fraktionskollegen immer noch so standhaft sind bei der Verteidigung der in der Verfassung garantierten Freiheitsrechte, sollte es zu einem Terroranschlag kommen? Das Spiel der CDU ist ja durchsichtig: Jetzt das Maximale und Nicht-Durchsetzbare in der Sicherheitspolitik fordern, um nach einem Anschlag (Gott bewahre) auf die Sozialdemokraten zu zeigen und zu sagen: Solchen Leuten kann man nicht die Sicherheit unseres Landes anvertrauen!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Behrens

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Sehr geehrter Herr Behrens,

vielen Dank fuer Ihre Anfrage. Sie sprechen einige schwierige Probleme an.

Zunaechst halte ich die Art und Weise fuer perfide, wie die Union, aber auch leider auch das BKA, immer wieder versucht, mit dem Thema Missbrauch von Kindern Freiheit und Demokratie einzuschraenken. Dies wird ihr in Umfragen und Wahlen aber leider positiv honoriert.

Insofern ermuntern die Waehler die Union immer wieder zu ihrer schleichenden Abkehr vom Rechtsstaat hin zum Praeventionsstaat. Deshalb muss es einmal klar ausgesprochen werden: Wer CDU waehlt, waehlt den Rechtsstaat ab. Oder in Umkehr eines alten Satzes: Freiheit statt CDU / CSU.

Gerade im Bereich der Kinderpornografie gab es erfreulicherweise aber auch ohne online- Durchsuchungen in den letzten Jahren wichtige Fahndungserfolge. Diese waren auch dem Umstand geschuldet, dass eine zentrale koordinierte Verfolgung durch das BKA ermoeglicht wurde und wir z. B. den Offline- Schriftenbegriff der Online - Welt angepasst haben. Gleichzeitig wurde viel unternommen, um den Missbrauch von Kindern, z. B. Sex- Tourismus, zu ächten.

Insofern handelt es sich tatsaechlich um den durchsichtigen Versuch der Union, wie uebrigens seit Anbeginn des Internet vor allem diese, in der Tat inakzepablen Straftaten auf diesem Gebiet, gegen Kritiker zu instrumentalisieren.

Hinzu kommt das weitere Totschlagargument "Terrorismus", bei der seit Jahren suggeriert wird, Deutschland stuende am Vorabend terroristischer Angriffe. Das Risiko, vom Bus ueberfahren zu werden, ist aber nicht nur in Berlin ungleich hoeher als durch einen Terroranschlag ums Leben zu kommen.

Auch hier ist der Versuch durchsichtig: Jeder - auch jeder nicht zu verhindernde - Anschlag soll Datenschuetzern, oder in diesem Falle dem politischen Gegner SPD, vorsorglich in die Schuhe geschoben werden. Herr Schaeuble hat ja kuerzlich sehr offen damit gedroht, die Stammtische gegen den Datenschutz zu mobilisieren.

So wird versucht, ein gesellschaftliches Druckpotenzial fuer verfassungswidrige Gesetze aufzubauen. Dass dies erfolgreich sein kann, bewies der sogenannte grosse Lauschangriff, wo am Schluss auch SPD oder FDP angesichts der angezettelten Massenhysterie auch durch die Presse so in der strategischen Falle sassen, dass sie damals letztendlich (ich uebrigens auch) zugestimmt haben, um noch Schlimmeres zu verhueten.

Ich glaube allerdings, dass wir aus der damaligen Situation gelernt haben. Deshalb haben wir auch klar gesagt, dass wir uns die moeglichen technischen Kolateralschaeden der Online - Durchsuchung (Eindringen von Kriminellen, Wirtschaftsspione, Terroristen in unsichere Software) thematisieren. Man kann den Vorwurf gegen Herr Pofalla und die Union also umkehren: Durch unsichere Software bekommt man ein Mehr an Kriminalitaet. Dafuer ware die Union verantwortlich.

Gleichzeitig wollen wir natuerlich die verfassungsrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit Online - Durchsuchungen ausfuehrlich pruefen. Hierzu habe ich mich in der letzten Zeit an unterschiedlichen Stellen geaeussert (Heise etc.)

Gegenwaertig erarbeiten wir auch die Fragen fuer die bevorstehenden Sachverstaendigen -Anhoerungen zum Thema. Ich werde diese demnaechst auf meiner Homepage veroeffentlichen.

Mit freundlichen Gruessen
Joerg Tauss