Frage an Jörg Jungmann von Bert S. bezüglich Energie
Hallo Herr Jungmann,
macht es eigentlich Sinn die Energieversorgung in "öffentliche Hände" zu geben?
Wenn ich Wiesbaden als Beispiel nehme, muss ich leider feststellen, dass der dortige halböffentliche Versorger, die ESWE, erst an 50. Stelle in der Preistabelle für Strom landet, d.h. es gibt 49 Tarife bzw. Stromlieferanten die günstiger anbieten. Darunter sicher auch welche die nun überhaupt nicht "öffentlich" sind.
Funktioniert hier die "Marktwirtschaft"?
Lieber Herr Schnabel,
hier meine Antwort:
1) Die ESWE Versorgungs AG befindet sich leider zu fast 50% im Eigentum der 100%igen EON-Tochter Thüga. Die herrschende Rechtsposition ist: Jeder Aktionär hat ein Recht darauf, dass die "Geschäftsführung" der AG so erfolgt, dass sie wirtschaftlich handelt und das "anvertraute Kapital" möglichst optimal vermehrt. Das funktioniert oft durch das Steigerung der Preise, Einschränkung der Leistung und/oder der Löhne/Gehälter für die Bschäftigten und/oder eine Vernachlässigung notwendiger Investitionen.
2) In diesem Fall lautet unsere Forderung: Rekommunalisierung der ESWE Versorgungs AG, soziale Preisgestaltung, Tariftreue und demokratische Kontrolle – vor allem durch das höchste kommunale Vertretungsorgan (die Stadtverordnetenversammlung) und Kontrollrechte der Belegschaft und ihrer Vertretungsorgane (Personal- und Betriebsräte) sowie der Verbraucherschutzorganisationen.
3) Unsere Forderung nach Überführung von produktivem Eigentum in kommunales bzw. Gemeineigentum ist immer verknüpft mit der demokratischen Kontrolle dieser Unternehmen. Nur dann können diese Unternehmen im Interesse der Allgemeinheit und der Beschäftigten, von Mensch um Umwelt geführt werden. Öffentliches Eigentum ist dazu notwendig, aber noch nicht hinreichend. Bei demokratischer Kontrolle könnte transparent und nachvollziehbar darüber entschieden werden, wo und wie die erzielten Überschüsse schwerpunktmäßig eingesetzt werden – etwa für Investitionen, für sozialere Energietarife, für den Ausbau erneuerbarer Energien, für bessere Arbeitsbedingungen und Einkommen der Beschäftigten, für die Subventionierung sozialer Einrichtungen – auf keinen Fall jedoch sollen die Überschüsse als Rendite in die Taschen privater Aktionäre fließen.
4) Die Einrichtungen der Daseinsvorsorge – dazu zähle ich auch die Energieversorgung - gehören in öffentliche Hände und dürfen nicht weiter Spielball privater Monopole und Versuchskaninchen neoliberaler Wettbewerbsfanatiker bleiben. Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen, dass Privatisierung und Liberalisierung unterm Strich für die Allgemeinheit und die Beschäftigten viele Nachteile gebracht haben. Dies kann und muss wieder rückgängig gemacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Jungmann