Frage an Jörg Hilbert von Helga L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hilbert,
Natascha Eichner hat an die SPD-MdL’s Ritter und Dr. Wengert Fragen zum Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst in Bayern gestellt, die ich Ihnen als SPD-Kandidat im StK Lindau, Sonthofen ebenfalls stellen will. Es geht um einen Vorgang im Juli 2013 am Valentin-Heider-Gymnasium in Lindau. Dort war ein TAZ-Journalist eingeladen, einen Vortrag über den Arabischen Frühling zu halten. In der TAZ vom 8.7.2013 war zu lesen, dass ihm der besagte Fragebogen vorgelegt wurde. Die Schule verweist auf eine Bekanntmachung des StMUK, nach der eine Honorarkraft Gewähr dafür zu bieten hat, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Diese Eignung ist durch die Abgabe einer Erklärung nachzuweisen. Es wird ein Fragebogen vorgelegt, in dem man sich über seine Beziehungen zu Organisationen, die als extremistisch oder extremistisch beeinflusst eingestuft werden, zu erklären hat. Die damit gemeinten Organisationen sind in einem Verzeichnis, eingeteilt in „Linksextremismus“, „Rechtsextremismus“, „Ausländerextremismus“, „Extremismus sonstiger Art“, aufgeführt. Auffällig bei dem Verzeichnis ist, dass unter „Linksextremismus“ zwar die Linkspartei und z. B. die VVN-BdA aufgeführt sind, unter „Rechtsextremismus“ aber die Partei „Die Freiheit“, die seit kurzem vom BayLfV beobachtet wird, fehlt.
Meine Fragen:
1.) Was halten Sie davon, dem TAZ-Journalisten, einen Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue vorzulegen?
2.) Wird sich die SPD im Fall einer Regierungsbeteiligung in Bayern für die Abschaffung des Fragebogens einsetzen?
3.) Welche – auch gesetzlichen - Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach ergriffen werden, damit das BayLfV seine, auch nach der Abschaffung der Regelanfrage der Einstellungsbehörden bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst in Bayern weiter betriebene „Schnüffelpraxis“ gegen Linke, Antifaschistinnen/Antifaschisten, Antirassistinnen/Antirassisten u.ä. einstellt?
M. f. G.
Helga Laborn
Sehr geehrte Frau Laborn,
vielen Dank für Ihre Fragen über Abgeordnetenwatch zu dem Vorgang am Valentin-Heider-Gymnasium in Lindau im Juli 2013 und zum Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Bayern.
Sie erwähnen in Ihrer Einleitung, dass eine andere Fragestellerin die Fragen bereits MdL Dr. Paul Wengert (SPD) und MdL Florian Ritter (SPD) gestellt hat. Daher kann ich es relativ kurz machen. Ich schließe mich in der Bewertung des Vorgangs am Valentin-Heider-Gymnasium und des Fragebogens den Ausführungen und Antworten von Herrn Dr. Wengert und Herrn Ritter voll und ganz an und auch den Ausführungen und Antworten von Herrn Paul Lehmann, Stimmkreiskandidat der SPD für die Landtagswahl im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, dem von einem Wähler ebenfalls Fragen zum Fragebogen in Bayern gestellt wurden ( http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_paul_wengert-1234-73367--f395270.html#q395270 http://www.abgeordnetenwatch.de/florian_ritter-1234-73223--f395267.html#q395267 http://www.abgeordnetenwatch.de/paul_lehmann-1234-73227--f390727.html#q390727 ).
Ergänzend möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: In Bayern geht man im Gegensatz zu anderen Bundesländern anscheinend nicht generell von der Verfassungstreue derjenigen aus, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben. Sie werden zunächst einmal unter den Generalverdacht mangelnder Verfassungstreue gestellt. Wie sonst wird ihnen ein Fragebogen vorgelegt, in welchem sie danach gefragt, ob sie Mitglied in einer oder mehreren sog. extremistischen oder extremistisch beeinflussten Organisationen sind oder waren oder solche Organisationen oder andere verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt oder unterstützt haben. In Nordrhein-Westfalen ist dies anders. Hier heißt es: „Der freiheitliche Rechtsstaat geht von der Verfassungstreue seiner Bürger aus“ (vgl. Nr. I der Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen; RdErl. d. Innenministers v. 28.1.1980 -II A 1 -1.20.01 -0/80).
Mit dem Fragebogen wird „Gesinnungsschnüffelei“ betrieben. In ihm lebt der Geist des früheren Radikalenerlasses mit der Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz fort. Bayern und Thüringen sind die einzigen Bundesländer, in denen Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst ein solcher Fragebogen zugemutet wird. Der Bund und alle anderen Bundesländer kommen als öffentliche Dienstherren ohne ihn aus. Es ist daher richtig und gut, dass die SPD in Bayern den Fragebogen abschaffen will. Mir ist bekannt, dass die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag jüngst einen Antrag im Landtag gestellt hat, der die Staatsregierung aufgefordert hat, bei der Prüfung der Verfassungstreue von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst ebenso zu verfahren wie der Bund und 14 andere Bundesländer und als Konsequenz hieraus, den Fragebogen abzuschaffen. Die CSU hat den Antrag abgelehnt, leider auch ihr Koalitionspartner FDP. Damit hat diese Partei, die sich so gern als Bürgerrechtspartei bezeichnet, der Demokratie und den Bürgerrechten einen Bärendienst erwiesen.
Die SPD setzt sich, als Konsequenz aus dem Debakel der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NSU-Mordserie, dafür ein, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in seiner bisherigen Form aufgelöst wird. Der Verfassungsschutz soll in Zukunft seine Aufgaben auf die Beobachtung gewaltbereiter und rassistisch motivierter Bestrebungen konzentrieren und beschränken. Er soll die freiheitlich-demokratische Verfassung und von Rassismus bedrohte Mitbürgerinnen und Mitbürger schützen. Eine Mitwirkung des Verfassungsschutzes in Bayern bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst kommt danach in keiner Weise mehr in Betracht.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Hilbert