Jochen Totzer
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Frage von Wolfhard A. •

Sind Sie dafür, das Volksentscheid-Zustimmungsquorum von 25 auf 10% zu senken/zu streichen und freie Unterschriftensammlung einzuführen? Wie stehen Sie zu Bürgerräten? Mehr Demokratie e.V. Hessen

Antwort von
DIE LINKE

Danke für ihre Frage, ich wäre in der Tat für Absenkung beim Volksentscheid auf 15%. 10 wäre echt sehr niedrig.

Volksentscheide sind gerade im Gegensatz zu Petitionen, welche nur angehört und beraten werden müssen, wirksamere Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger. Es gibt jedoch Entscheidungen, für welche Fach-Experten bessere Entscheidungen treffen können, also geht es auch darum Sachverhalte gut und  unvoreingenommen vorzubereiten und zu vermitteln, damit Bürger Fachliche Themen gut beraten können. Ich denke dabei an die Schweiz und die abgewürgten Umweltthemen. Man beachte die Zunahme von Digitalisierung und deren Einfluss auf Meinungsbildung, Microtargeting, Deepfakes, Reichweitenbegrenzung etc. PR-Agenturen können mit heutigen technischen Mitteln stärker beeinflussen als dies früher möglich war.

Drei  Schweizer Initiativen, die sich dem Umweltschutz widmen, wurden abgelehnt. Unter anderem zielten die Forderungen darauf ab, den Einsatz synthetischer Pestizide und Antibiotika in der Landwirtschaft einzuschränken. Im Vorfeld hatte die Regierung wenig Bereitschaft gezeigt und sprach von zu großen Einschränkungen. Das Volk teilte diese Meinung. Auch das CO2-Gesetz, das für niedrigere Emissionen sorgen sollte, lehnte das Volk ab. Solange das Volk entscheidet, scheint es also keine Möglichkeit zu geben, den Umweltschutz zu verbessern. Gegner der Umweltinitiativen werden dagegen froh darüber sein, auch weiterhin über wichtige Entscheidungen selbst abstimmen zu können.

Ein anderes Beispiel zeigte gut, welch vielseitige Entscheidungen vom Volk getroffen wurden, findet sich im Jahr 2018: Damals entschieden fast 73% der Stimmen, dass Schweizer Casinos Online-Glücksspiele anbieten dürfen. Verwunderlich ist das nicht, denn immerhin konnte so entschieden werden, dass die Steuereinnahmen durch Online-Glücksspiele in der heimischen Staatskasse landen, also ins eigene Land fließen. Vom Gedanken der Spielsuchteindämmung jedoch, eher nicht wirklich optimal.

Sowohl repräsentative Systeme als auch Volksentscheide haben Vor- und Nachteile.

Da bisher jedoch oft Themen, welche im Wahlkampf veröffentlicht wurden schon kurz nach der Regierungsbildung und nach Koalitionsvertragsverhandlungen sowie im Anschluss an Wirtschaftslobbyisten Gespräche quasi nicht mehr spruchreif waren, bin ich klar für eine Stärkung in der Mitbestimmung. Es gab leider schon einige Entscheidungen die besser gemeinsam abgestimmt worden wären, um den Rückhalt in der Bevölkerung nicht zu schwächen.

-Zur freien Unterschriftensammlung: 

Nur die vier Bundesländer Bayern, Brandenburg, Hessen und das Saarland halten an diesem Relikt fest. Ich bin überzeugt, Sammeln von Unterschriften im öffentlichen Raum fördert das politische Leben, das bürgerschaftliche Engagement und die öffentlichen Diskussionsprozesse und leistet so einen wichtigen Beitrag zu demokratischen Entscheidungsprozessen. Ob ein Entscheid rechtskräftig wird, dazu wäre eine Mindestwahlbeteiligunggrenze möglicherweise sinnig, die Entscheidung eine Hürde zu senken um einen Entscheid auszulösen wäre aktuell sehr gut. In der Schweiz war leider öfters die Beteiligung oft unter 50%. Ich bin klar für freie Unterschriftensammlung.

-Zu Bürgerräten: Bürgerräte müssten, dann vermutlich auch lediglich angehört werden. In digitaler Form könnte das Interessant sein. Hypothese: Eine App um den Zugang zur Politik zu vereinfachen und  die Beratung auf Servern der BRD und um Benachteiligten Gruppen mit wenig Zeit sich einbringen zu können zu vereinfachen, kann überlegt werden. Geloste Bürger haben nicht automatisch auch Zeit und Lust als Bürgerrat zu fungieren, Eltern mit kleineren Kindern oft auch nicht die Möglichkeit Arbeit, Familienzeit und Zusatzarbeit zu organisieren. Deswegen müsste der Aufwand möglich simpel gehalten werden.

Pauschal ablehnen oder Befürworten macht wenig Sinn, es käme auch auf die konkrete Ausgestaltung an, ob Demokratische Beteiligung optimal erreicht werden könnte.

Mehr Demokratie e.V. kenne ich seit 2019. Habe da auch schon mal mitgemacht und unterstütze die Sache allgemein.