Frage an Jochen Hanisch von Ulf Z. bezüglich Finanzen
Der Schulterschluss zwischen Hitler und Hindenburg in der Garnisonkirche ging als "Tag von Potsdam" in die Geschichte ein und wurde als "Geburtsstunde des Dritten Reiches" gefeiert. Kürzlich gab Kulturstaatsminister Neumann bekannt, 12 Mio € aus seinem Etat für den Wiederaufbau dieser Kirche bereitzustellen. Nachdem eine Gruppe um den Offizier Max Klaar 1991 das Glockenspiel nach Potsdam gebracht hatte, isolierte sie sich mit rechtsextremen Positionen. Die Evangelische Kirche kündigte daher selbst den spendenfinanzierten Wiederaufbau der Garnisonkirche als Versöhnungszentrum an. Damit konnten Mehrheiten in der Synode und in der SVV gewonnen werden. Allerdings blieben die Spenden aus. Derzeit sind nicht einmal 5 % der erforderlichen Bausumme (über 100 Mio)vorhanden. Auch mit den angekündigten Bundesmitteln könnte lediglich die Fundamentebene gebaut werden. Das Land Brandenburg, die Stadt Potsdam und die Evangelische Kirche haben eine Beteiligung an den Aufbaukosten bereits öffentlich ausgeschlossen. Im städtischen Bürgerhaushalt belegte die Forderung "Kein städtisches Geld für den Aufbau der Garnisonkirche" mit einem Rekordpunktergebnis Platz 1. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden sprach sich 2013 gegen den Aufbau der Garnisonkirche aus. Inzwischen wird unter Bruch aller Zusagen eine spätere Nutzung als Militärkirche und eine Finanzierung aus Bunddesmitteln angestrebt. Das Versöhnungskonzept ist von den Internetseiten verschwunden.
Vor diesem Hintergrund hat sich unsere Bürgerinitiative entschlossen, den zur Bundestagswahl im September 2013 kandidierenden Personen die folgenden
Fragen vorzulegen.
1. Ist der Aufbau der Garnisonkirche aus Ihrer Sicht ein Projekt von nationaler Bedeutung?
2. Werden Sie im Falle Ihrer Wahl die Bereitstellung von Bundesmitteln für die Garnisonkirche unterstützen?
3. Sind Sie der Meinung, dass Parteien die Bürgervoten und Ergebnisse aus Bürgerbeteiligungsverfahren wie dem Bürgerhaushalt respektieren und umsetzen sollten?
Sehr geehrter Herr Zimmer,
spannende Fragen. Ich halte es für kein gutes Zeichen für das Geschichtsbewusstsein unserer Gesellschaft, wenn Gebäude aus vordemokratischen Zeiten als Repräsentationsobjekte des Landes rekonstruiert werden. Da finde ich es regelrecht unrühmlich, wenn in Berlin das Stadtschloss wieder aufgebaut wird - gibt es denn wirklich keinen inhaltlichen Fortschritt, der in einer adäquaten Architektur seinen Ausdruck findet? Wenn dem so ist, wie es scheint, müssten wir leere Stellen - in Berlin, in Potsdam und anderswo - aushalten und uns die Zeit nehmen, herauszufinden, wie solche Standorte mit zeitgemäßen Inhalten neu "aufgefüllt" werden können. Den Mut zur Lücke empfehle ich auf jeden Fall bei solchen Objekten wie die Garnisonkirche in Potsdam. Ob man will oder nicht, diese Kirche ist mit der staatsmännisch-nationalen Inszenierung zwischen Hindenburg und Hitler "kontaminiert" und liefe ständig Gefahr, von Neonazis und Alt- und Neumilitaristen als "nationale Gedenkstätte" aufgeladen zu werden. Allein deshalb verbietet sich aus meiner Sicht die Rekonstruktion dieser Kirche.
Ich denke, dass die beiden ersten Fragen eindeutig beantwortet sind: Der Aufbau der Kirche ist nicht von nationaler Bedeutung (außer für rückwärtsgewandte Kreise) und ich lehne Bundesmittel für einen potentiellen Wiederaufbau aus genannten Gründen strikt ab. Das Ergebnis des Bürgervotums ist zu begrüßen und sollte berücksichtigt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Hanisch