Frage an Joachim Schuster von Martina H.
Warum wird von Seiten der EU nichts unternommen, um die Situation in den Flüchtlingslagern auf Lesbos uns Samos zu verbessern?
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihre Frage. Vorab muss ich Ihnen mitteilen, dass der Schutz der EU-Außengrenze und das Asylrecht in nationaler Zuständigkeit liegen. Die EU kann und ist hier lediglich koordinierend und unterstützend tätig. Damit sind auch die Eingriffsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes stark eingeschränkt.
Um die Kompetenzen zu verlagern oder anderweitige europäische Maßnahmen einzuführen, muss vor allem das sog. Dublin-Abkommen und das gemeinsame europäische Asylsystem reformiert werden. Aufgrund von Blockaden einzelner EU-Mitgliedstaaten im Rat bleiben die Reformen auf der Strecke. Auch Deutschland blockierte in der Vergangenheit z.B. bei der solidarischen Verteilung der Flüchtlinge jahrelang. Bislang konnte sich daher der Rat nicht auf eine Verhandlungsposition zur Dublin-Reform und einer neuen Verfahrensrichtlinie einigen und das Gesetzgebungsverfahren zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat kann nicht abgeschlossen werden. Das Parlament hat seinerseits hingegen die Verhandlungsmandate schon im November 2017 (Dublin-Reform) und April 2018 (Verfahrensrichtlinie) verabschiedet.
Eine Einigung zwischen Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten im Rat zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems würde zweifellos zur besseren Unterstützung der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen beitragen. Besonders die Neufassung des Dublin-Systems für die faire Verteilung von Asylbewerbern über die Mitgliedstaaten würde u.a. Griechenland, Italien und Spanien entlasten. Die Einführung des Resettlement-Rahmens oder humanitären Visa würde zudem legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen, sodass Asylbewerber und Arbeitssuchende nicht nur über irreguläre Wege in die EU einwandern müssten.
Erst kürzlich hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ihre Untersuchungsergebnisse in den sog. Hotspots in Griechenland und Italien veröffentlicht. Untersucht wurden u.a. Zugang zu internationalem Schutz, Rechte von Kindern, Identifizierung von verletzlichen Individuen oder Gruppen, generelle Sicherheit in Hotspots und Rückführungen.
Der Bericht befand allgemein, dass trotz ernsthafter Bemühungen der Mitgliedstaaten, der EU und internationaler Akteure weiterhin viele Grundrechte nicht ausreichend geschützt werden. Speziell Samos und Lesbos fallen auf, da beide Lager größtenteils deutlich überfüllt sind. Die griechische Regierung hat im September 2018 Maßnahmen ergriffen, um Verlegungen von den Inseln auf das griechische Festland zu beschleunigen, die jedoch die Überfüllung noch nicht ausreichend reduzieren konnten. Griechenland hat mit Hilfe des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) außerdem die Zahl der Asylentscheide seit 2016 deutlich gesteigert.
Generell steht FRA der Idee, Erstaufnahmelager in Grenznähe zu betreiben positiv gegenüber, um neu ankommende Migranten zu informieren, registrieren und die entsprechenden Verfahren einzuleiten. Es sei aber essentiell, die Kapazitäten der Lager einzuhalten. Um dies zu erreichen brauche Griechenland weiterhin Unterstützung der EU und der EU-Mitgliedstaaten, sowohl vor Ort, als auch durch andere Solidaritätsmaßnahmen.
Man kann also nicht davon sprechen, dass die EU nichts unternimmt, um die Situation in den Flüchtlingslagern Italien und Griechenland, gerade auch auf Lesbos und Samos, zu verbessern. Doch aus verschiedenen Gründen, u.a. mangelnde Infrastruktur, ineffiziente Beschaffung, fehlendes Personal, ist die Situation noch keineswegs zufriedenstellend, da viele Grundrechte in den Lagern noch nicht gewährleistet und die Bedingungen teils inakzeptabel sind. In manchen Bereichen konnten jedoch auch Verbesserungen erreicht werden und die S&D Fraktion (SPD) hat im Parlament z.B. im Rahmen des neuen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF), erfolgreich gefordert, dass der Fonds speziell Kommunen und Städte bei der Integrationsarbeit unterstützen soll. Zudem haben wir im Parlament durchgesetzt, dass 95% des Fonds in EU-Mitgliedstaaten genutzt werden soll, während die konservative EVP-Fraktion (CDU/CSU) gefordert hatte, den Fonds unbegrenzt in Drittstaaten einsetzen zu können. Der Rat hat sich bisher auf keine Position zum AMIF geeinigt, Verhandlungen zwischen Rat und Parlament stehen deshalb noch aus, werden wahrscheinlich aber in den kommenden Monaten beginnen.
Es tut mir leid, keine zufriedenstellendere Antwort geben zu können. Aber wir werden diese Problem weiter im Blick haben und auf Verbesserungen drängen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Schuster, MdEP