Joachim Langbein
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ruth H. •

Frage an Joachim Langbein von Ruth H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo, Herr Langbein,

Sie sind zwar im Prinzip für Bürgerentscheide, kritisieren aber trotzdem das Ergebnis des Bad Honnefer Bürgerentscheides vom 27.September 2009, in dem die Bevölkerung mit überzeugender Mehrheit anders abgestimmt hat, als Ihre grüne Fraktion zusammen mit CDU, SPD und FDP empfohlen hatte.

Ich habe dazu folgende Fragen:

1. Akzeptieren Sie Bürgerentscheide nur, wenn diese nach Ihren Vorstellungen und Empfehlungen ausgehen?

2. Wie erklären Sie sich, dass bei 68 % Wahlbeteiligung über 61 % der Honnefer Wahlberechtigten für das initiierende Bürgerbegehren und damit gegen den Nationalpark gestimmt haben und dass es mehr Zustimmung bekam, als CDU, SPD, FDP und Grüne bei der im gleichen Jahr stattfindenden Europawahl zusammen?

3. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus, dass zumindest das Bundesamt für Naturschutz. der Naturschutzbund Deutschlands und der Deutsche Naturschutzring der vorgeschlagenen Einrichtung eines Nationalparks im Siebengebirge aus naturschutzrechtlichen Gründen kritisch gegenüber standen und auch der BUND letztlich für restriktivere Maßnahmen eintritt als geplant, um einen Etikettenschwindel zu verhindern?

4. Warum propagierten Sie nur eine rechtlich unverbindliche Bürgerbefragung anstelle eines rechtlich verbindlichen Bürgerentscheides?

Freundliche Grüße
Ruth Hoppe

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Ruth Hoppe,

da es sich bei Ihrer ersten Nachricht um keine Frage handelt, sondern um einen Kommentar/politische Meinungsäußerung, wurde ich von abgeordnetenwatch darauf hingewiesen, dass ich nach dem Moderations-Codex nicht antworten muss.

Ich möchte es doch tun, weil ich froh bin, dass hier endlich mal ein Thema diskutiert wird, dass erstens landespolitische Relevanz besitzt und zweitens wirklich meinen Wahlkreis betrifft! Ich habe deshalb die Moderation gebeten, Ihre erste Frage/Nachricht zuzulassen.

Ich bin nicht auf der Landesliste meiner Partei. Das bedeutet, ich kandidiere in erster Linie dafür, die Interessen der Menschen in unserer Region im Landtag vertreten zu dürfen. Mir sind daher Themen, die den Wahlkreis betreffen und Fragen/Kommentare von Menschen aus dem Wahlkreis besonders wichtig.

Inzwischen haben Sie Ihre Fragen präzisiert. Ich möchte nun trotzdem ausführlicher zu Ihrer ersten Frage/Nachricht Stellung beziehen und nicht nur kurz und knapp auf Ihre präzisierten Fragen antworten. Weil mir sowohl das Thema direkte Demokratie, als auch das Thema Zukunft des Siebengebirges am Herzen liegt. Deshalb habe ich Ihren ursprünglichen Text für alle Interessierten sichtbar unten angehängt.

Warum kandidiere ich für die GRÜNEN in einem Wahlkreis der traditionell an die Kandidatin der Union geht ohne, dass ich auf der Landesliste meiner Partei abgesichert bin?

Es geht mir darum, mehr direkte Demokratie zu wagen. Wir haben als Wählerinnen und Wähler bei dieser Landtagswahl erstmals die Chance mit unserer Erststimme einen Direktkandidaten unabhängig von unserer Wahlentscheidung für eine bestimmte Partei zu wählen.

Das ist gut so! Ich bin ein Freund von direkter Demokratie und also auch ein Freund von BürgerInnen-Entscheiden.

Deshalb akzeptiere ich selbstverständlich Ergebnisse von BürgerInnen-Entscheiden zumal, wenn sie so deutlich ausfallen, wie der im Herbst 2009 in Bad Honnef. Hier gibt es kein Vertun!

Aber, ist es demokratisch, wenn die Wahlberechtigten in einem Ort über ein Projekt abstimmen, dass eine ganze Region betrifft, zumal bei einer Wahlbeteiligung, die noch niedriger ist, als die ohnehin schon niedrige Wahlbeteiligung der zeitgleich stattfindenden Bundestagswahl. Ich hätte es wirklich gut gefunden, wenn die Menschen in der Region Bonn/Rhein-Sieg über die Zukunft des Siebengebirges befragt worden wären. Das wäre ein richtig guter Teil direkter Demokratie gewesen.

Anders als viele kommunalpolitisch interessierte Menschen in Bad Honnef, gehe ich davon aus, dass die Abstimmenden die verworrene Frage nach dem Motto "Sind Sie dafür, dass Sie dagegen sind..." verstanden haben und in ihrem Sinne richtig abgestimmt haben. Es wurde im Vorfeld von allen Seiten deutlich gemacht, was eine Ja und was eine Nein Stimme für die weitere Diskussion um den Nationalpark bedeuten wird. Es wäre zu einfach und würde den Menschen nicht gerecht, wenn man so tun würde, als hätten die Wählerinnen und Wähler nicht gewusst, was sie da abstimmen.

Ich möchte Ihnen aber auch meine Position zur Zukunft des Siebengebirges nicht verschweigen.

Sie beziehen sich auf das Bundesumweltamt und den NABU. Auch ich war zu Beginn der Debatte dem Nationalparkgedanken gegenüber eher kritisch eingestellt, aus den gleichen naturschutzrechtlichen Gründen. Als Geograph habe ich mich während meines Studiums mit verschiedenen Naturschutzmodellen, Nationalpark, Biosphärenreservat usw. beschäftigt. Ehemalige Kommilitonen arbeiten heute in Nationalparkverwaltungen oder in Gutachterbüros. Sie können mir glauben, dass wir dieses Thema im Freundeskreis viel und kritisch diskutiert haben. Im Übrigen ging diese Diskussion auch quer durch die Grüne Fraktion im Rat, zu der Sie auch einmal gehört haben und wurde dort intensiv und lange diskutiert, bis sich eine Mehrheitsmeinung herausgebildet hatte.

Nun ist die Situation aber so, dass der VVS auf Dauer nicht in der Lage sein wird, die Pflege des Naturparks Siebengebirge weitestgehend ehrenamtlich zu bewältigen. Der Naturpark wird also in jedem Fall eine neue, eine andere Struktur erhalten, dagegen kann kein BürgerInnen-Entscheid etwas tun. Festhalten am liebgewonnenen Status Quo geht einfach nicht!

In dieser Situation entstand die Idee der schwarz/gelben Landesregierung, einen Nationalpark einzurichten. Damit könnte man einige Probleme lösen und eine neue Verwaltungsstruktur etablieren. Damit wären aber auch einige negative Aspekte verknüpft. Vor allem bleiben die naturschutzrechtlichen Argumente, wobei es durchaus Experten gibt, die der Meinung sind, dass sich das Siebengebirge sehr wohl für einen Nationalpark eignen würde. Es gibt auch andere kleine Nationalparks und jeder Nationalpark wird anders ausgestaltet. Die Einrichtung eines Nationalparks wird sich aber auch auf die Nutzung des Siebengebirges (forstwirtschaftlich wie auch zur Naherholung) auswirken und auch eine gewisse Zahl an Touristen in die Region bringen. Argumente, die es gilt sachlich und inhaltlich gegeneinander abzuwägen.

Die Diskussion vor dem BürgerInnen-Entscheid wurde aber alles andere als sachlich geführt, vielmehr wurden gezielt Emotionen geschürt. Das häufigste Argument gegen den Nationalpark mit dem ich konfrontiert wurde war, dass dann Kinder und Enkel nicht mehr am Löwenburger Hof Schlitten fahren können. Hand auf´s Herz, wie viele Kinder und Enkel betrifft das, an wie vielen Tagen im Jahr? Gibt es nicht andere Rodelhänge - könnte man im Rahmen der Ausgestaltung eines Nationalparks nicht gezielt einen Rodelhang schaffen? Einer der dann auch sicherer ist, auf dem keine Obstbäume stehen? Dann die unsägliche Debatte um das Schließen der Schmelztalstraße, als ob irgend jemand eine Ortsteilverbindungsstraße schließen würde, das stand und steht nicht zur Debatte, wurde aber an unseren Informationsständen immer wieder als Hauptargument gegen die Einrichtung eines Nationalparks genannt. Oder - auch gerne gehört - die angebliche Flut der zu erwartenden Touristen, die uns unser schönes Siebengebirge streitig machen.

In dieser Gemengelage war eine sachliche Diskussion und ein Abwägen von inhaltlichen Argumenten nicht möglich. An unseren Info-Ständen im Bundestagswahlkampf wurde mir regelmäßig nur die eine Frage gestellt "Sind Sie für oder gegen den Nationalpark?"

Nur, dass diese Frage überhaupt nicht zur Abstimmung stand. Die abzustimmende Frage lautete: "Sind Sie dafür, dass mit Beteiligung von Bad Honnef weiter an der Idee der Einrichtung eines Nationalparks gearbeitet wird, ein Konzept entwickelt wird, das öffentlich diskutiert und partizipativ ausgearbeitet wird und dann, wenn es fertig ist - aber erst dann - in der Region zur Abstimmung gestellt wird? Oder sind Sie dafür, dass sich Bad Honnef, das wesentliche Flächen des Siebengebirges besitzt, an der Diskussion nicht mehr beteiligt und damit die Idee Nationalpark nicht weiter verfolgt werden kann?"

Zugegeben, die Frage war etwas verklausulierter. Zugegeben die Mehrheit in Bad Honnef war dafür, dass die Idee Nationalpark begraben wird, bevor sie aus den Windeln ist. Zugegeben ich bin der Auffassung, dass die Absage an einen Nationalpark verfrüht war. Dennoch akzeptiere ich diese Entscheidung ohne wenn und aber! Ein Glanzstück direkter Demokratie war das trotzdem nicht.

Ich hoffe, meine ausführliche Antwort hilft Ihnen, meine Skepsis etwas zu verstehen?

Gerne stehe ich für weitere Fragen und/oder ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Sehr gerne stelle ich mich auch den Fragen Ihrer Fraktion. Wenn Sie Interesse an einem persönlichen Kontakt haben, schreiben Sie mir unter info@joachim-langbein.de.

Mir geht es um die Interessen der Menschen in unserer Region! Die Zukunft des Siebengebirges spielt dabei eine wichtige Rolle, weil das Siebengebirge unser wichtigstes Naherholungsgebiet und gleichzeitig ein zu schützendes Stück Natur ist.

Wie gesagt, der Status Quo ist nicht zu halten. Der VVS kann die weitestgehend auf ehrenamtlichem Engagement beruhende Pflege auf Dauer nicht leisten. Einen Nationalpark wird es nach der Entscheidung vom letzten Herbst nicht geben. Um so wichtiger ist die Frage, wie es nun weiter gehen soll.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam an einer Lösung für die Zukunft des Siebengebirges arbeiten, die den Anliegen der betroffenen Menschen und gleichzeitig dem Schutz des einzigartigen Naturraums gerecht wird. Hier bin ich zu jeder offenen und sachlich geführten Diskussion jederzeit bereit!

Herzliche Grüße

Joachim Langbein