Frage an Joachim Herrmann von Gabriele E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herrmann,
Bayern vertritt in Bezug auf die Übertrittsregelung auf weiterführende Schulen einen sehr restriktiven Weg. Die magischen Zahlen 2,33 und 2,66 basierend auf ca. 22 Leistungserhebungen, (welche noch von Intransparenz, wie unterschiedliche Anforderungsprofilen der Schulen, nach oben oder nach unten angepasste Notenschlüssel, ganz nach päd. Ermessen der Lehrkraft, etc. etc. geprägt sind) entscheiden über die "Erlaubnis" zu dem Übertritt auf eine weiterführende Schule. 14 andere Bundesländer sehen es liberaler und geben den Eltern das Recht der letzten Entscheidung. Sind bayerische Eltern soviel unmündiger als Eltern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Saarland, NRW?
Nun meine Fragen:
Chancengleichheit:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Chancengleichheit einher, dass bayerische Schüler die "Chance des Elternwillens" nicht bekommen. Gleiche Chancen für alle!
Gerechtigkeit:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Gerechtigkeit einher, dass bayerische Schüler schlichtweg gegenüber anderen Bundesländern ungerecht behandelt werden.
Diskriminierung:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Diskriminierung -Anti-Diskriminierung einher, wenn Schüler aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bundesland anderes behandelt werden als Schüler anderer Bundesländer.
Ich bitte, Sie mir meine Fragen zu beantworten.
(Ausführungen über die Durchlässigkeit des bay. Schulsystems, ob, wie, warum, weshalb, es nicht sinnvoll ist, Eltern entscheiden zu lassen, Kulturhohheit, etc. sind nicht nötig.) Es geht mir - ich wiederhole mich - schlichtweg um Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Diskriminierung. Ich habe deshalb auch ganz bewusst die Überschrift Demokratie und Bürgerrechte gewählt.
Die Bürgerinitiative www.uebertrittbayern.de behält sich das Recht vor, Ihre Antwort zu veröffentlichen
Sehr geehrte Frau E.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16. April 2019 auf abgeordnetenwatch.de, die ich aufmerksam gelesen habe. Sie kritisieren darin, dass Bayern mit Blick auf die Übertrittsregelung auf weiterführende Schulen einen sehr restriktiven Weg verfolge, der mit einer Vielzahl von Nachteilen für die bayerischen Schülerinnen und Schüler verbunden sei.
Zunächst stimme ich Ihnen zu, dass bayerische Eltern sicherlich nicht unmündiger sind als die Eltern aus den anderen Bundesländern, die den Erziehungsberechtigten im Falle des Übertritts das Recht der letzten Entscheidung gewähren. Ihre weiteren Einschätzungen zu diesem Sachverhalt teile ich hingegen nicht. So ist die bayerische Übertrittsregelung auf weiterführende Schulen weder diskriminierend oder ungerecht noch werden dadurch die Chancen der bayerischen Schülerinnen und Schüler negativ beeinträchtigt.
Wie Sie wissen, ist Schule im Föderalismus Ländersache. Das heißt, jedes einzelne Bundesland ist befugt, Angelegenheiten des Schulwesens, und damit auch die Kriterien des Übertritts auf weiterführende Schulen, in eigener Zuständigkeit zu regeln. Diese Differenzierung ist weder diskriminierend noch ungerecht, sie ist vielmehr von Verfassungs wegen bewusst eröffnet. Eine Diskriminierung läge deshalb nur dann vor, wenn der Übertritt innerhalb Bayerns unterschiedlichen Leistungskategorien folgen würde, etwa wenn in dem einen Regierungsbezirk für den Übertritt auf das Gymnasium ein maßgeblicher Notendurchschnitt von 2,33 gefordert wäre und in einem anderen Regierungsbezirk ein Schnitt von zum Beispiel 2,66 genügen würde. Derlei Abweichungen gibt es aber nicht, es gelten bayernweit die gleichen Anforderungen.
Die bayerische Regelung hat sich bewährt und fokussiert den kind- und bega-bungsgerechten Übertritt. Unsere Lehrkräfte können dabei sehr gut einschätzen, welcher Bildungsweg für ein Kind nach der Grundschule geeignet ist und letztlich ist es die Leistung des Kindes, die den Ausschlag gibt. Die Eltern werden in die Entscheidung einbezogen sowie frühzeitig und umfassend beraten. Gerade in den letzten Jahren wurde zudem die Verantwortung der Eltern beim Übertritt deutlich gestärkt. So liegt die Entscheidung für den Übertritt des Kindes an das Gymnasium oder an die Realschule mittlerweile bei den Eltern, wenn im Probeunterricht in den Fächern Mathematik und Deutsch jeweils die Note 4 erreicht wird. Schließlich besteht an den weiterführenden Schulen die Möglichkeit zum Besuch des Probe-unterrichts mit Entscheidungsmöglichkeiten durch die Eltern sowie ein umfassendes Begleit- und Unterstützungssystem an der aufnehmenden Schule.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Bildungserfolg nicht nach der 4. Klasse entscheidet. Neben dem Gymnasium ist auch die berufliche Bildung in Bayern ein Erfolgsmodell, um das man uns weltweit beneidet. Außerdem ist unser differenziertes Schulsystem sehr durchlässig: Mittlerweile werden über 40 Prozent der Hochschulzugangsberechtigungen außerhalb des Gymnasiums erworben.
Mit seinem differenzierten und durchlässigen Bildungssystem bietet Bayern seinen Schülerinnen und Schülern sehr gute Ausgangsbedingungen und Bildungschancen. Dies belegen auch immer wieder bundesweite Vergleichsstudien, in denen der Freistaat seit vielen Jahren Spitzenpositionen einnimmt. Damit dies auch künftig so bleibt, investieren wir weiterhin kräftig in den Bereich Bildung, in den bereits rund ein Drittel des bayerischen Staatshaushalts fließen. Ein Schwerpunkt ist dabei die Digitalisierung der bayerischen Schulen, die wir mit dem Masterplan Bayern Digital II und dem DigitalPakt Schule vorantreiben.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Anmerkungen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL