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Joachim Herrmann
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Frage von Markus D. •

Frage an Joachim Herrmann von Markus D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Herrmann,

in der gestrigen Sendung Friedmann bei N24 haben Sie mehrfach versucht, das Thema Patentrecht anzuschneiden. Nun bin ich natürlich gespannt, was Sie dazu zu sagen haben.

First-to-file-Prinzip
In Deutschland gilt das sog. First-to-file-Prinzip, es erhählt also derjenige das Patent, dessen Brief zuerst vom Deutschen Patent- und Markenamt mit einem Posteingangsstempel versehen wurde.
Es ist also auch durchaus gewollt, dass nicht der erste Erfinder das Patent bekommt (was gerecht wäre), sondern eventuell jemand anderes.
Wie stehen Sie zu der Abwägung der Rechtsgüter Gerechtigkeit und Rechtssicherheit ?

Software:
Wie Sie sicher wissen, gab es in den letzten Jahren immer wieder Diskussionen um sog. Softwarepatente. Aus Sicht der Piraten überwiegt hier das Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit, da Logikabläufe, Algorithmen und mathematische Funktionen freibleiben müssen, damit auch weiterhin Software geschrieben werden darf.
Auch würde man bei Softwarepatenten vom Prinzip der Technizität abweichen, das uns in Deutschland zumindest vor "absurden" Patenten wie in den USA geschützt hat.
Wir haben zurzeit das Problem, dass der Ausschluss von Softwarepatenten in §1 Abs. 3 PatG durch die Worte "als solche" in §1 Abs. 4 PatG ausgehebelt werden, da Software aktuell als Teil einer Gesamterfindung patentierbar ist. Das prominenteste Beispiel die das Patent auf das Anti-Blockier-System (ABS).

Wir stehen Sie zur Patentierbarkeit von Software, Algorhytmen und mathematischen Formeln?

Gene/Lebewesen
Die Piraten lehnen Patente auf Gene und Lebewesen ab. Es darf hier keine Auschließlichkeitsrechte auf bestimme Genfunktionen oder ganze Lebewesen geben.

Wie stehen Sie dazu?

Ich würde mich freuen eine Antwort zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen,
Markus Drenger

Basispirat

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Sehr geehrter Herr Drenger,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie beziehen sich darin auf die Sendung "Studio Friedmann" am 19. April 2012. Im Gespräch mit Michel Friedmann und Marina Weisband habe ich deutlich gemacht: Deutschland ist eine Wissensgesellschaft. Unsere Wirtschaft lebt von Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Hochtechnologie. Nur so kann sich ein Land wie Deutschland, das nicht über nennenswerte Bodenschätze verfügt, auf den Weltmärkten behaupten und seinen Wohlstand erhalten. Deshalb brauchen wir ein verlässliches Leistungsschutz- und Urheberrecht - in Deutschland, Europa und darüber hinaus.

Ihre Fragen zum Patentrecht möchte ich gerne beantworten. Das von Ihnen angesprochene "first-to-file-Prinzip" kommt gemäß § 6 Satz 3 Patentgesetz in Fällen der Doppelerfindung zum Tragen. Sein Zweck ist es zum einen, einen Anreiz für eine frühe Anmeldung (und damit Offenbarung) der Erfindung zu schaffen; zum anderen soll vermieden werden, dass aufwendig ermittelt werden muss, wer im Einzelfall die Erfindung zuerst gemacht hat. Das Prinzip betrifft allerdings nur den Fall, dass zwei Personen unabhängig voneinander dieselbe Erfindung gemacht und damit grundsätzlich ein gleich starkes Recht auf die Erteilung des Patents haben. In Fällen, in denen jemand die Erfindung eines anderen ausspioniert und dann vor diesem zum Patent anmeldet, kann der ausspionierte Erfinder den Widerruf durch das Deutsche Patent- und Markenamt betreiben und innerhalb eines Monats nach Mitteilung des Widerrufs die Erfindung selbst anmelden und dabei den Zeitrang des widerrufenen Patents in Anspruch nehmen (§ 7 Abs. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 3 und § 61 Patentgesetz).

Wie Sie zu Recht ausführen, sind Computerprogramme als solche weder nach dem Patentgesetz (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4) noch nach dem Europäischen Patentübereinkommen (Art. 52 Abs. 2 Buchst. C und Abs. 3) patentierbar. Zu bedenken ist jedoch, dass nach Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich sind. Eine technische Erfindung darf daher nicht deshalb von der Patentierbarkeit von vornherein ausgeschlossen werden, weil sie ein Computerprogramm enthält. Die Unterscheidung zwischen (nicht patentierbaren) Computerprogrammen als solchen und (bei Vorliegen sämtlicher allgemeiner Patenterteilungsvoraussetzungen patentierbaren) computerimplementierten technischen Erfindungen ist deshalb vom Deutschen Patent- und Markenamt sowie vom Bundespatentgericht und vom Bundesgerichtshof zu leisten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Patentierbarkeit nur in Betracht, wenn die Anweisungen des in der Erfindung enthaltenen Computerprogramms der Lösung eines über die Datenverarbeitung hinausgehenden konkreten technischen Problems dienen (BGH, GRUR 2009, 479). Nach diesem Kriterium haben des Bundespatentgericht und der Bundesgerichtshof in zahlreichen Fällen die Abgrenzung zwischen Computerprogrammen als solchen und computerimplementierten technischen Erfindungen vorgenommen.

Auch ich bin der Meinung, dass es auf konventionelle Verfahren zur Züchtung von Tieren oder Pflanzen und die mit solchen Verfahren gewonnenen Produkte keine Patente geben darf. Hinsichtlich der Zuchtverfahren hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 9. Dezember 2010 dies auch deutlich klar gestellt. Ich gehe davon aus, dass die Große Beschwerdekammer in absehbarer Zeit eine entsprechende Entscheidung zu den mit solchen Verfahren gewonnenen Tieren und Pflanzen treffen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann, MdL

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