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Joachim Herrmann
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Frage von Philipp B. •

Frage an Joachim Herrmann von Philipp B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Herrmann,

in SPIEGEL-Online werden Sie zum Thema der türkischen Gymnasien in Deutschland indirekt mit den Worten zitiert, dass Herr Erdogan mit seinem Vorschlag der Integration türkischer Bürgerinnen und Bürger in Deutschland einen "Bärendienst" erwiesen habe (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,685746,00.html , 26.03.2010).

Mich würde dabei interessieren, wie Sie zur örtlichen Integrationsleistung der 135 deutschen Schulen im Ausland stehen? Weiterhin interessiert mich, wie Sie die Existenz der deutschen Schulen im Ausland rechtfertigen, gleichzeitig aber Schulen anderer Länder in Deutschland ablehnen?

Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Böhme

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Böhme,

vielen Dank für Ihre Fragen auf "abgeordnetenwatch.de" zur Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, in Deutschland türkische Gymnasien einzurichten.
Wie Sie wissen, wurde die kurz vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara erhobene Forderung in Deutschland parteiübergreifend abgelehnt. Zu den Kritikern zählten auch viele in Deutschland lebende Türken bzw. türkischstämmige Deutsche. Im Wesentlichen geht es mir und vielen anderen, denen die Integration der türkischstämmigen Menschen ein Anliegen ist, um zwei Aspekte, anhand derer ich auch die von Ihnen in Frage gestellten Unterschiede zu den deutschen Auslandsschulen deutlich machen möchte.

Erstens wäre es gerade nicht im Sinne der Integration, wenn türkische Kinder und Jugendliche an eigenen Schulen - also getrennt von ihren deutschen Mitschülern und Schülern auch aus anderen Herkunftsländern - unterrichtet würden. Es ist vielmehr das Ziel von Integration, dass wir als Gesellschaft lernen, respektvoll miteinander und auch mit kulturellen oder religiösen Unterschieden umzugehen. Unterricht in getrennten Schulen für türkische Schülerinnen und Schüler einerseits und alle anderen Schülerinnen und Schüler andererseits - das wäre das Gegenteil. Getrennter Unterricht liefe auf die Schaffung getrennter Lebenswelten hinaus, wie wir sie in Deutschland im Interesse eines guten Miteinanders ablehnen. Wir müssen auch deshalb alle Anstrengungen unternehmen, Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft in Deutschland gut zu integrieren, weil sie eine immer größere Gruppe unter den Schülern darstellen und wir erst jüngst wieder aus dem Forschungsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge "Fortschritte der Integration" erfahren mussten, dass die Türken unter den Ausländergruppen in Deutschland die größten Integrationsprobleme aufweisen.

Der zweite Grund, warum die Forderung Recep Tayyip Erdogans in Deutschland so große Empörung ausgelöst hat, war der nationalistische Ton, in dem sie erhoben wurde. Vor allem seit der umstrittenen Rede des Ministerpräsidenten 2008 in Köln, in der Erdogan die angebliche Assimilation der Türken in Deutschland als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet hat, gibt es in Deutschland und vielen anderen Staaten Europas ein Unbehagen über Versuche, die bei uns lebenden Menschen türkischer Herkunft auf Dauer als eigene Staatsbürger zu reklamieren und zu verhindern, dass sie sich zu sehr in ihrer neuen Heimat eingliedern. Die deutschen Auslandsschulen verfolgen eine ganz andere Zielsetzung. In erster Linie stellen sie die schulische Versorgung von derzeit 20.000 deutschen Schülern sicher, die mit ihren Familien nur für einige Zeit im Ausland leben. Daneben bieten sie Schülern aus den betreffenden Staaten selbst eine qualifizierte Ausbildung, die auch den Weg an eine deutsche Hochschule öffnet. Die deutschen Auslandsschulen leisten damit einen wichtigen Beitrag, um deutsche Kultur und Bildung im Ausland zu vermitteln und den Kontakt mit Kultur und Gesellschaft des Gastlandes zu fördern.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann, MdL
Bayerischer Staatsminister des Innern

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